Müll in den Tank

Deutsche Firma erzeugt aus Plastik-Abfall Treibstoff

Wissenschaft
11.11.2012 08:00
Treibstoff aus wertvollen Lebensmitteln war gestern. Denn jetzt sorgt ein völlig neuer Kraftstoff für Ökoaufsehen: In Deutschland wird bereits aus Plastikmüll, von dem bislang jedes Jahr Millionen Tonnen in den Verbrennungsöfen der Abfallindustrie landeten, hochwertiger Diesel erzeugt.

"Das ist eine bahnbrechende Veränderung beim Recycling von Kunststoffen", jubeln jene Investoren, die jetzt im Mannheimer Rheingau-Hafen diese Umweltrevolution planen und zur Stunde auch in die Tat umsetzen. Das Zauberwort der Pioniere heißt Syntrol-Thermolyse und ist ein dreistufiges Verfahren zur sogenannten Kunststoffverölung. Dabei werden hochkalorische Plastikabfälle erhitzt und in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Am Ende des Prozesses steht ein leichtes Heizöl, das sich nach weiterer Bearbeitung und Veredelung vielfältig verwenden lässt.

"Plastik-Diesel" ist sauberer und deutlich billiger
Und das zu wirtschaftlichen Bedingungen, wie es aus Mannheim heißt, wo erst kürzlich der Spatenstich erfolgte. Die beeindruckende Rechnung: Aus einer Tonne Kunststoff können mittels dieser Thermolyse rund 800 Kilo Produktöl gewonnen werden. Energetischer Wirkungsgrad: sensationelle 90 Prozent! Aus 5.000 Tonnen vorsortierten und zerkleinerten Plastikabfällen entstehen demnach 4,285 Millionen Liter Öl und in der Folge dann Diesel.

"Plastik ist keineswegs umweltschädlicher Müll, sondern wertvoller Rohstoff und mehr", wird Leopold Katzmayer, graue Eminenz der heimischen Kunststoffindustrie, nicht müde zu betonen. Der langjährige Berater von heimischen Topunternehmen der Branche listet einen weiteren unschlagbaren Vorteil des "Plastikdiesels" auf: "Der neue Wunderstoff ist nicht nur chemisch identisch mit Dieselkraftstoff oder Heizöl extraleicht, er enthält als synthetisches Produkt auch keine Schwefelverunreinigungen mehr und ist damit deutlich sauberer als die fossile Konkurrenz."

Treibstoff aus Lebensmitteln war gestern
Und tatsächlich gilt es jetzt, den Umwelthorizont zu erweitern. Denn statt wertvoller Lebensmittel sollen künftig weltweit Millionen Tonnen an Pet-Flaschen, Becherln und Plastik-Unrat in die Autotanks. Freilich nicht direkt, sondern nach dem hochdiffizilen Umwandlungsprozess.

Und doch hat es lange gedauert, bis der Mineralölindustrie und den Anhängern einer moralisch verwerflichen Versprittung von wertvollen Lebensmitteln jetzt die Stirn geboten werden kann. Denn erste Patente gab es bereits 1937, zur Serienreife gelangten diese aber freilich nie. Erst der Anlagenbauer Nill-Tech im schwäbischen Holzgerlingen griff die Idee auf. 2005 wurde eine erste Pilotanlage in Baar in der Schweiz errichtet. Jetzt aber geht's in Mannheim so richtig zur Sache.

Steirische Firma baut Biodiesel-Anlagen
Ebenso in Grambach bei Graz: Dort tüftelten die Ingenieure von BioEnergyInternational (BDI) seit 1996 an Technologien zur alternativen Energiegewinnung. Und zwar schlicht aus industriellem und kommunalem Müll. Das an der Frankfurter Börse notierte Unternehmen (140 Mitarbeiter) hat dafür das spezielle Multi-Feedstock-Verfahren entwickelt: Sogar Tierfette und Altspeiseeöl können so in wertvollen Biodiesel verwandelt werden. BDI liefert dafür schlüsselfertige Biodiesel- und auch Biogas-Anlagen.

Zurück nach Mannheim: Dort werden die Hochöfen schon angeheizt, um bei Reaktionstemperaturen von 400 bis 500 Grad Celsius (gar nicht so heiß also) hochwertige Öle aus den Tanks in die Tanks fließen zu lassen. Kalkulierter Verkaufspreis pro Liter – 50 Cent. Wenn die potenziellen Abnehmer nicht allzu viel draufschlagen, dann schaut's gut aus für die Geldbörsen der Autolenker. Die deutschen Investoren wollen ihren Plastikdiesel so bald wie möglich flächendeckend vertreiben.

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