Von PS 3 auf 370Z GT4

Er hat’s geschafft: Von der PlayStation auf die Rennstrecke

Motor
05.11.2012 11:13
Der junge Deutsche Peter Pyzera hat's von der PlayStation auf die Rennstrecke geschafft. In nur wenigen Monaten soll aus dem Gewinner der Nissan GT Academy ein echter Rennfahrer werden. Ein Beispiel, das in der Zukunft des Motorsports durchaus Schule machen könnte.
(Bild: kmm)

Schokolade, Pizza, Chips und Energy Drinks - vorbei. Das war angenehmes Beiwerk eines früheren Lebens. Peter Pyzera achtet heute auf sein Gewicht, auf seine Fitness und auf seine Rundenzeiten. Der 25-Jährige aus Gladbeck im Bundesland Nordrhein-Westfalen hat in diesem Jahr die Nissan GT Academy gewonnen, zusammen mit einem Russen, einem Amerikaner und einem Belgier. Jetzt bewegt er sich mitten im Ernst des neuen Lebens: Der künftige Arbeitsplatz des gelernten Industriemechanikers ist hinter dem Steuer eines Rennwagens. Und wenn seine Instruktoren grünes Licht geben, wird er im Jänner in einem Nissan 370Z GT4 beim 24-Stunden-Rennen von Dubai an den Start rollen.

Was passiert mit einem, dem die Motorsport-Fee den größten Wunsch erfüllt? Der bescheidene junge Mann lacht. Von wegen cool und abgebrüht: "Ich wache immer noch morgens auf und muss mich zwicken, weil ich's nicht fassen kann." Von seinem Arbeitgeber hat er unbezahlten Urlaub erhalten, die Familie spart auf den Trip nach Dubai, die Verlobte kämpft mit der langen Trennung. Als Peter Pyzera mit den anderen Finalisten der GT Academy zur traditionsreichen britischen Rennstrecke nach Silverstone geflogen wurde, saß er zum ersten Mal in Flugzeug und Hubschrauber, lernte Rennfahrer wie Nick Heidfeld und Sabine Schmitz kennen, schlüpfte in einen Overall, stülpte sich einen Helm über den Kopf und musste sich beweisen.

Drill für die künftigen Rennfahrer
Die Tränen bei der Siegerehrung sind längst getrocknet. Inzwischen absolviert er ein einzigartiges Ausbildungsprogramm, das ihn in rund vier Monaten fit machen soll für ein Hochleistungscockpit. Zusammen mit den drei anderen Speed-Lehrlingen wohnt er im beschaulichen Silverstone Village in einer WG. Sie kaufen ein, kochen streng nach dem Ernährungsplan und joggen morgens zur nahegelegenen Rennstrecke. Dort erwartet sie ein anspruchsvolles Tagesprogramm: Runden drehen, um Zeiten und Stil zu verbessern, ausgetüftelte und durchaus qualvolle Einheiten im Fitnessraum sowie intensives Coaching durch einen Mentaltrainer.

Längst beobachtet die Motorsportwelt aufmerksam diese Kooperation zwischen Nissan und Sony. Angeblich hat sich Red Bull schon über die Ausbildungsoption informieren lassen: Die besten Spieler des PlayStation-Spiels Gran Turismo bekommen die Chance, die virtuelle Rennstrecke gegen die echte zu tauschen. Einige dieser Gamer, wie beispielsweise Lucas Ordonez, fahren inzwischen in Le Mans mit - ohne die übliche Ochsentour über Kartrennen, um ans Ziel ihrer Träume zu kommen. Nicht zuletzt weil auch diese Einstiegsserie für den hoffnungsvollen Rennnachwuchs mit Kosten von rund 100.000 Euro meist zu teuer ist. Für viele bedeutet das: Mission Impossible. "Allein mein aktueller Karbonhelm kostet 3.000 Euro", sagt Peter Pyzera und wirft einen respektvollen Blick auf das Stück Ausrüstung unterm Arm.

Zwölf Rennen für eine Berufslizenz
Die Praxis kreischender Motoren, knisternder Bremsen und rauchender Reifen wird an der Speed-Uni von Silverstone in einem abgedunkelter Raum theoretisch vertieft. Dort unterhält die Firma iZone einen Rennsimulator, in dessen realistischem Cockpit die Academy-Gewinner nicht nur an der hohen Kunst feilen, enge Kurven optimal zu nutzen. Der Computer bildet Brems- und Schaltpunkte ab sowie den Lenkeinschlag und trainiert die Aspiranten in einer Eigenschaft, die auch Fahrlehrer schätzen: vorausschauendes Fahren. "Es ist riskant, im Stress des Rennens nur die nächste Kurve im Blick zu haben", erklärt der Instruktor sachlich, "deswegen verfolgen wir mit einer Kamera die Augenbewegungen." Auch ihn verblüfft letztlich, wie gut ein Computerspiel seine Schüler auf die Blech und Gummi-Wirklichkeit vorbereitet hat. Peter und seine Kollegen müssen bis Anfang Dezember an zwölf Rennen teilnehmen, um die Berufslizenz zu erwerben. Wie bei den Profis folgt auf eine harte Trainingswoche die Prüfung auf einem der vielen Kurse im rennverrückten England. Im Simulator lassen sich natürlich auch diese Strecken vorher einüben. Kein Vergleich mit der PlayStation auf der Couch.

Training bei Meister Yoda
Nichts wird anscheinend dem Zufall überlassen. Wie bei den Topathleten anderer Disziplinen spielt auch im Motodrom der mentale Faktor - Wille und Einstellung - eine entscheidende Rolle im Wettkampf. Gavin Gough ist für die Rennlehrlinge so eine Art Meister Yoda, nur dass seine Zöglinge keine Jedi-Ritter im "Krieg der Sterne" sind, sondern ambitionierte Jungfahrer, die gewinnen wollen - und müssen. Die Macht, die mit ihnen ist, wird von dem Motorsportfan mittels Hypnose und neurolinguistischer Programmierung (NLP) psychologisch geweckt. Er zeigt ihnen Techniken, die das Potenzial eintrainierter Fähigkeiten über das Unbewusste steuern helfen. Fokussieren, konzentrieren, eins werden mit dem Partner Rennwagen: Nach den realen Einheiten auf dem Stowe Circuit in Silverstone visualisiert Gough regelmäßig mit seinen Schülern Abläufe, aber auch Problembereiche, die aus dem Gedächtnis gelöscht werden müssen. Die Begriffe "hoffen" und "versuchen" gibt es in Goughs Vokabular nicht.

Peter Pyzera übt Pressekonferenzen auf Englisch, den Umgang mit den Medien, weil auch dieser Feinschliff zum Anforderungsprofil eines professionellen Rennfahrers gehört. Er schindet sich und weiß, dass er privilegiert ist, denn eine Maschinerie, die rund eine halbe Million Euro kostet, wurde für sein Abenteuer in Gang gesetzt. Man muss sich nur ein paar Runden auf dem geschichtsträchtigen Asphalt von Silverstone mitnehmen lassen und nach dem heißen Tanz in sein Gesicht schauen: Er ist angekommen.

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(Bild: kmm)



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