"Russischer Marsch"

Rechte rücken weiter ins Zentrum der Gesellschaft

Ausland
04.11.2012 15:55
Die extreme Rechte in Russland sendet ein Signal der Stärke: Mit Fahnen und Sprechchören marschieren Tausende Ultranationalisten durch das Zentrum von Moskau. "Russland den Russen", schmettern sie lautstark. Doch in die Reihen mischen sich am Sonntag nicht nur kahlrasierte junge Männer, die ihre Gesichter hinter Tüchern und Sonnenbrillen verstecken. Auffällig ist: Zum ersten "Russischen Marsch" in der Innenstadt seit Jahren kommen viele Familien mit Kindern. Die Rechten rücken immer mehr ins Zentrum der Gesellschaft.

"Heute sind 20.000 gekommen, bald sind es 100.000 und dann eine Million", ruft Alexander Below, einer der Anführer, der Menge zu. Bürgerrechtler und Migrantenverbände kritisierten, die Kundgebung am Feiertag zu Ehren der nationalen Einheit vertiefe ethnische Spannungen im Vielvölkerstaat. Viele Russen können es auch nicht fassen, dass in einem Land, das so massiv unter Hitler und den Nazis gelitten hat, heute ungestraft rechtsextreme Parolen gerufen werden dürfen.

Doch die Forderungen etwa nach schärferen Einreisebedingungen für Gastarbeiter aus Zentralasien finden zunehmend Gehör. Nach Umfragen stimmt mehr als die Hälfte der Russen diesen Lösungen zu. Salonfähig macht solche Ideen auch der im Ausland bekannte Oppositionsführer Alexej Nawalny. Offen tritt er für ein Ende der Milliardensubventionen für das Konfliktgebiet Nordkaukasus ein. Schon mehrmals machte der Anwalt beim "Russischen Marsch" mit, diesmal verhinderte eine Erkrankung sein Kommen.

Die Rechten sind eine wichtige Größe
In der stark zersplitterten Oppositionsbewegung sind die Rechten eine wichtige Größe. "Ein Ausschluss der Nationalisten würde nur dem Kreml in die Hände spielen", meint der Geschäftsmann Alexej Blindul, der sich im liberalen Lager engagiert. Nationalistenführer Dmitri Djomuschkin gibt gerne damit an, ständig in Kontakt mit prominenten Regierungsgegnern wie Ex-Vizeregierungschef Boris Nemzow und sogar dem Linken Sergej Udalzow zu stehen.

Oppositionsführer Nawalny selbst weist darauf hin, dass die Nationalisten gut organisiert seien. Anders als die Linken hätten sie mit dem "Russischen Marsch" etwa eine eigene Großkundgebung. Dass zum harten Kern Rechtsextreme und Fußballhooligans gehören, verschweigt er.

Gefahr durch rechte Gewalt
Dabei ist rechte Gewalt eine große Gefahr in Russland. Jedes Jahr zählt die Menschenrechtsorganisation Sowa Dutzende rassistisch motivierte Bluttaten, darunter zahlreiche Morde. In einigen Moskauer Vororten machen Rechtsextreme geradezu Jagd auf die "Schwarzen", wie sie Kaukasier und Zentralasiaten, mit denen sie zu Sowjet-Zeiten vereint waren, abschätzig nennen. Nur selten nimmt die Öffentlichkeit davon Notiz, auch weil das vom Kreml gesteuerte Staatsfernsehen die Gewalt nicht thematisiert.

Oft läuft es eher andersherum. Als Ende 2010 Tausende Hooligans nahe dem Roten Platz randalierten, nachdem ein Fan im Streit von einem Kaukasier erschossen wurde, richtete sich die Debatte nicht um Mittel gegen die Gewalt. Thema war vielmehr verschärfte Kontrollen von Zuwanderern einzuführen.

"Präsident wird einmal den 'Russischen Marsch' anführen"
Ausdruck für das neue Selbstbewusstsein der Nationalisten sind Pläne, die zahlreichen Gruppen in einer Partei zusammenzufassen. Dazu gehören auch Organisationen, die wegen Aufstachelung von ethnischem Hass verboten sind. "Für das Regime selbst ist es einfach gefährlich, eine derart riesige Anzahl von Menschen außerhalb der Politik zu halten", meint Nationalistenführer Djomuschkin. Sein Mitstreiter Below hat eine klare Vision: "Es wird die Zeit kommen, dass der Präsident den 'Russischen Marsch' anführt", ruft er der Menge in Moskau zu.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele