"Krone"-Reportage

“Du bist nicht allein”: Berührende Heirat am Totenbett

Österreich
01.11.2012 08:00
Als Lizzy erfährt, dass sie das kommende Weihnachtsfest nicht mehr erleben wird, ist sie 43 Jahre alt. Drei Jahre zuvor war bei ihr ein Tumor diagnostiziert worden. Es folgten Chemotherapie, Bestrahlung und eine Total-OP, bei der ihr der komplette Magen entfernt wurde. Die Wienerin galt als geheilt. Doch dann spürt sie wieder starke Schmerzen. Sie lässt sich untersuchen, die Ärzte bestätigen ihre schlimmste Befürchtung: "Der Krebs ist diesmal in der Bauchspeicheldrüse. Es gibt keine Hoffnung mehr."

Der Mensch, der ihr vor vier Jahren in diesen schweren Stunden zur Seite steht, ist ihr 38-jähriger Lebensgefährte Alex. Obwohl er innerlich zusammenbricht, am liebsten voller Verzweiflung aufschreien würde, bleibt er ganz ruhig. Er legt seine starken Arme um ihren zitternden Körper und erklärt: "Du bist nicht allein. Wir stehen das zusammen durch."

Sie will an den Ort, an dem ihre Mutter starb
Zu Hause in ihrer gemeinsamen Wohnung in Wien-Hernals gleiten Lizzys Blicke über die Bücherregale. Sie nimmt einen Band über ihre Lieblingsmalerin Frida Kahlo heraus, blättert darin und liest ihrem Freund ein Zitat der mexikanischen Künstlerin vor: "Ich will sterben und nie wieder zurückkommen." Alex weiß, was ihm seine todkranke Freundin damit sagen möchte. Sie will weg aus der gewohnten Umgebung. Sie hatten in der Vergangenheit bereits darüber gesprochen, an welchen Ort sie gehen würde, wenn ihr nur noch wenig Zeit bliebe.

"Sie wollte dort Abschied vom Leben nehmen, wo es auch einst ihre Mutter getan hatte: auf der Palliativstation im Krankenhaus Göttlicher Heiland (Bild 2)", erzählt Alexander H. heute der "Krone". Der Bankangestellte nimmt sofort Kontakt zu dem Spital im 17. Gemeindebezirk auf - und erhält eine Zusage für einen Platz auf der Spezialabteilung St. Raphael. Die nächsten Wochen verbringt er jede freie Minute bei seiner Liebsten. Er hält ihre Hand, wenn sie vor Schwäche nicht mehr sprechen kann, und streichelt ihr sacht über den Kopf, wenn sie sich unruhig hin und her wälzt.

Not-Hochzeit: Sonst könnte es zu spät sein
Alex: "Es gab keine großen Gespräche darüber, was danach kommt - die hatte sie mit ihrer Seelsorgerin. Wir lebten einfach die Zweisamkeit." Doch dann geht es Lizzy von Tag zu Tag schlechter. Sie kann nichts mehr essen und leidet unter ständiger Atemnot. Und als sie eines Morgens aufwacht, fragt sie ihren Lebensgefährten - er hatte die ganze Nacht auf einem Stuhl neben ihrem Bett gewacht - mit Tränen in den Augen: "Weißt du noch? Wir wollten immer heiraten, wenn wir alt sind. Das geht sich jetzt nicht mehr aus."

Alex schaut Lizzy erschrocken an und sagt: "Warum nicht?! Lass uns bitte nicht mehr warten. Ich will, dass du so schnell wie möglich meine Frau wirst." Mit Hilfe der Schwestern und Pfleger wird binnen zwei Tagen eine Not-Hochzeit arrangiert - denn die Mediziner fürchten, es könnte sonst zu spät sein. Alex kümmert sich im Eiltempo um alle Formalitäten und lädt Angehörige und enge Freunde zu der Zeremonie in die Klinik-Kapelle ein. Dann ist es so weit: Die Braut wird in ihrem Krankenbett in das Gotteshaus geschoben. Neben dem Altar wartet bereits ihr Verlobter auf sie.

Das Paar gibt sich das Eheversprechen und tauscht die Ringe. Obwohl es Lizzy viel Kraft kostet, die Glückwünsche ihrer Gäste entgegenzunehmen, genießt sie jeden Moment. Sechs Tage später stirbt sie in den Armen ihres Ehemanns. Alexander H.: "Unsere Vermählung war ihr letzter Wunsch. Und das durfte sie noch erleben - die Liebe war stärker als der Tod."

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