SPÖ-Parteitag

Wiederwahl mit 83 Prozent: Debakel für Kanzler Faymann

Österreich
13.10.2012 20:37
Bundeskanzler Werner Faymann ist am Samstag beim SPÖ-Parteitag in St. Pölten mit nur 83,43 Prozent als Vorsitzender wiedergewählt worden. Das ist das schlechteste Ergebnis eines SPÖ-Vorsitzenden in der Geschichte der Partei. Bisheriger Negativ-Rekordhalter bei der Wahl zum Vorsitzenden war Fred Sinowatz, der sich im Herbst 1987 mit 88 Prozent begnügen musste. Bei seiner zweiten Wiederwahl im Jahr 2010 hatte Faymann noch 93,8 Prozent erhalten, beim ersten Antreten 2008 waren es 98,4 Prozent.

Eigentlich hätte der Parteitag voll auf das Thema "Mehr Gerechtigkeit" fokussiert sein sollen. Soll heißen: Den Reichen über Millionärssteuern etwas nehmen und damit den Armen das Leben ein wenig erleichtern. Dazu wurde auch ein Leitantrag verfasst, der sich für die Einführung von Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer ausspricht und der mit großer Mehrheit angenommen wurde.

So richtig motiviert wurden die Delegierten in der Sache durch die knapp vor dem Parteitag erschienene Anti-Reichensteuer-Fibel der ÖVP, die selbst sonst rhetorisch zurückhaltende Gemüter wie Finanzstaatssekretär Andreas Schieder zu heftigen Attacken auf den Koalitionspartner hinriss.

ÖVP im "bemitleidenswerten intellektuellen Zustand"
ÖVP-Politiker wie Finanzministerin Maria Fekter verteidigten die Erbschaftssteuer wohl, weil für sie mit Fleiß und Intelligenz nicht so viel zu holen sei, ätzte Schieder in Richtung seiner "Chefin". Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl nahm den Ball auf, die Volkspartei sieht er in einem "bemitleidenswerten intellektuellen Zustand".

Faymann selbst gab sich feiner und spottete bloß ein wenig über die ÖVP-Fibel, in der seitenlang "Raubersgeschichten" verbreitet würden. Ihm persönlich bedeuteten dagegen die Sorgen der jungen Arbeitslosen mehr als die Sorgen der Reichen vor einer Reichensteuer. Kräftig beworben wurde von der SPÖ auch die neu vereinbarte Finanztransaktionssteuer, zu deren Rühmung auch Ehrengast Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, antrat.

"Her mit vermögensbezogenen Steuern"
"Nur gemeinsame Investitionen und ein gemeinsames Vorgehen können der ungerechten Verteilung gegenhalten. Wir können nicht auf die kleinste Einheit setzen, sondern auf die größtmögliche, denn nur dann sind wir stark genug, politisch vorne zu sein", betonte der Kanzler in seiner Rede. "Unsere Antwort für unser Europa ist nicht runter mit den Löhnen und weg mit den Sozialsystemen, sondern weg mit Steuerbetrug, ungerechter Verteilung und her mit mehr vermögensbezogenen Steuern", betonte Faymann.

Direkt beworben wurde vom Kanzler eine Erhöhung der Grundsteuer sowie die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer. Die Erlöse daraus will Faymann unter anderem für einen Ausbau der Ganztagesschulplätze verwenden.

Faymann will sich nicht "in Sumpf stecken" lassen
Eher überraschend kam, dass Faymann die Inseraten-Affäre von sich aus ansprach. Man könne der Meinung sein, dass zu viel inseriert wurde, es könne aber nicht so sein, dass der "politische Mitbewerber" meine, seine Inserate seien die guten und die der SPÖ die schlechten: "So blöd sind wir nicht." Die SPÖ lasse sich jedenfalls von den anderen Parteien, "die im Sumpf stecken", in nichts hineinziehen, wetterte der SPÖ-Chef, begleitet von höflichem Beifall.

Wahl-Orfeigen für Faymann, Burgstaller und Cap
Dass er den U-Ausschuss nicht besucht hat, dürfte ihm trotzdem der eine oder andere nicht verziehen haben. Seine 83,43 Prozent sind ein historisch schlechtes Ergebnis. Bisher hatte Fred Sinowatz mit 88 Prozent den Minusrekord gehalten. Außer Faymann wurde noch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller wohl wegen ihres Ja zu Studiengebühren abgestraft. Sie erhielt im Vorstand bloß 86,6 Prozent. Klubchef Josef Cap musste sich mit 88,7 Prozent begnügen, wohl auch wegen seiner Verteidigung des Nicht-Erscheinens Faymanns vor dem U-Ausschuss.

Zur parteiinternen Debatte beigetragen hatte wohl auch der von oben vorgegebene Schwenk zur Wehrpflicht, dem von Wehrsprecher Stefan Prähauser über Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden bis hin zu Altkanzler Franz Vranitzky viele bekannte Gesichter in der Partei nicht folgen wollen. Freilich fand sich dann am Parteitag kein einziger Redner, der sich zur Wehrpflicht bekannte - möglicherweise auch wegen einer schon Freitagabend anberaumten nicht-öffentlichen Aussprache mit Verteidigungsminister Norbert Darabos.

Lediglich zwei weitgehend unbekannte Redner aus Niederösterreich ärgerten sich über die Informationspolitik der Partei. Darabos selbst warb als letzter Redner einmal mehr für sein Profiheer-Modell. Ihm ist die Partei offenbar nicht böse. Bei der Vorstandswahl kam Darabos auf gute 94,2 Prozent.

Abgestimmt wurde über die Wehrpflicht in St. Pölten freilich ohnehin nicht, ebenso wenig über das zweite parteiinterne Streitthema, die Studiengebühren. Dafür wurde mittels eines Initiativantrags noch der Wunsch eingebracht, spätestens in der nächsten Legislaturperiode parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum Minderheitenrecht zu machen.

Faymann gefasst, Ackerl in Rage
Faymann reagierte einigermaßen gefasst auf das enttäuschende Abschneiden bei seiner Wiederwahl: "Ich muss einfach jene 85 Delegierte, die mich nicht gewählt haben, davon überzeugen, dass unser Kurs richtig ist." Der oberösterreichische SPÖ-Chef Ackerl geriet ob des schlechten Ergebnisses richtiggehend in Rage. Dass mehrere mit Nein gestimmt hätten, ohne vorher zu sagen, was ihnen nicht gefalle, sei "feig, feig feig. Es ist eine Schande, was da heute abgelaufen ist".

ÖVP schießt gegen Steuerpläne der SPÖ
Bei der ÖVP sorgten die Steuerpläne der SPÖ für umfassende Kritik. Statt die harte Arbeit der Österreicher zu honorieren, schüre Faymann Neiddebatten und drohe den Fleißigen mit einem Griff in ihre Geldbörse, so Generalsekretär Hannes Rauch. Faymanns schlechtes Wahlergebnis zeige, dass sogar die SPÖ-Parteibasis Eigentumssteuern ungerecht finde, weil sie den Mittelstand und Familien treffen.

"Superpeinliche Schlappe", "Debakel der Sonderklasse"
Die FPÖ reagierte mit Spott auf die "superpeinliche Schlappe für Faymann". Mit der historisch niedrigsten Zustimmung für einen SPÖ-Vorsitzenden hätten die "eigenen Genossen dem Schulden- und Belastungskanzler die geeignete Antwort auf seine für Österreich verheerende Politik gegeben", so Generalsekretär Harald Vilimsky. "Wenn nicht einmal die eigenen Genossen ihrem Kanzler das Vertrauen aussprechen, ist es höchste Zeit für Faymann, die politische Bühne zu verlassen."

Als ein "Debakel der Sonderklasse" bezeichnete BZÖ-Bündniskoordinator Markus Fauland die "beschämende Wahlniederlage" von Kanzler Faymann. Das Ergebnis komme einer faktischen Abwahl gleich und zeige, wie gespalten die Sozialdemokratie eigentlich ist.

Grüne: "Aufklärer statt Vertuscher"
Für den Bundesgeschäftsführer der Grünen, Stefan Wallner, ist Faymanns schwaches Wahlergebnis die Folge der eigenen "Selbstbeschädigung". Faymann müsse nun regieren statt inserieren und den U-Ausschuss als Minderheitenrecht umsetzen. "Er muss schleunigst von der Seite der Vertuscher auf die Seite der Aufklärer wechseln", so Wallner.

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