Einwänden zum Trotz

Tochter jahrelang missbraucht: Lehrer erhält Fußfessel

Österreich
29.08.2012 12:53
Ein ehemaliger Wiener HTL-Lehrer, der seine eigene Tochter jahrelang sexuell missbraucht hatte, ist dem Gefängnis entgangen. Statt den unbedingten Teil der über ihn verhängten Strafe zu verbüßen - er wurde im November 2010 zu drei Jahren Haft, davon sechs Monate unbedingt, verurteilt -, befindet sich der 55-jährige Mann seit Donnerstag im elektronisch überwachten Hausarrest.

Der mittlerweile pensionierte HTL-Lehrer muss den Hausarrest jedoch nicht durchgehend in jenem Kleingartenhäuschen verbringen, das er mit seiner nunmehrigen Ehefrau und deren Sohn bewohnt. Die Vollzugskammer des Wiener Oberlandesgerichts verband die Fußfessel mit Auflagen, die dem Mann einen recht freizügigen Bewegungsspielraum lassen.

So darf er weiter seiner nebenberuflichen Tätigkeit bei einem auf Personalmanagement spezialisierten Unternehmen nachgehen und Vorträge an einer Segelschule halten. Nur die Wochenenden muss er ganztägig in seinem Haus verbringen, während er es von Montag bis Freitag zwischen 16 und 18 Uhr für "persönliche Erledigungen" verlassen darf.

Der Mann muss auch nicht die gesamten Kosten für die Fußfessel tragen, die üblicherweise 22 Euro pro Tag ausmachen. Bei ihm wurde ein Betrag von 13 Euro festgesetzt.

"Absolut deliktsuneinsichtig, keine positive Prognose"
Die Bewilligung der Fußfessel ist insofern erstaunlich, als die zuständige Justizanstalt diese explizit abgelehnt hatte. Die Leiterin der Justizanstalt Wien-Simmering führte dafür die "absolut fehlende Deliktseinsicht" sowie die "fehlende Therapiewilligkeit" des Pädagogen ins Treffen, was im Hinblick auf den von ihm beantragten Hausarrest "keine positive Prognose" zulasse.

Auch die Stellungnahme der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt-und Sexualstraftäter, kurz BEST, fiel "in Anbetracht früherer Gewaltanwendungen, sexueller Übergriffigkeiten und des Eindrucks eines ganz allgemein als patriarchalisch zu beschreibenden Verhaltens" skeptisch aus.

Einer Kriminalprognose zufolge sei der Fußfessel-Werber zwar einer Tätergruppe zuzuordnen, bei der nur zwei bis zehn Prozent innerhalb von fünf Jahren einschlägig rückfällig werden. Infolge seiner nicht vorhandenen Bereitschaft, seine "Persönlichkeitseigenschaften" aufzuarbeiten, sah die BEST dessen ungeachtet "jedenfalls das Risiko neuerlicher Gewalt im häuslichen Kontext" gegeben.

OLG sieht nur "ein geringes Rückfallrisiko"
Trotz der ablehnenden Haltung der zuständigen Justizanstalt und der Skepsis der BEST leistete die am Oberlandesgericht eingerichtete Vollzugskammer einer Beschwerde des 55-jährigen Lehrers Folge und genehmigte den elektronisch überwachten Hausarrest. Begründung: Aus der Stellungnahme der BEST ergebe sich "ein geringes Rückfallrisiko". Der Mann habe keinen Kontakt zum Opfer mehr und sich seit 1995 nichts mehr zuschulden kommen lassen.

Das OLG kam daher zu folgendem Schluss: Das "Risiko auf Missbrauch der begehrten Vollzugsform" sei derart verschwindend, dass es vertretbar erscheine, dem 55-Jährigen den elektronisch überwachten Hausarrest nicht zu verweigern.

Sechs Jahre lang regelmäßig sexuell missbraucht
Der HTL-Lehrer hatte laut rechtskräftigem Urteil seine im Juni 1981 geborene Tochter von 1989 bis 1995 regelmäßig sexuell missbraucht, während seine Ehefrau kochte oder anderweitig beschäftigt war. Danach kam es noch über Jahre hinweg zumindest einmal im Monat zu Übergriffen.

Die Tochter vertraute sich erstmals während der Matura einer Mitschülerin an. 2002 erzählte sie der Mutter davon, die daraufhin die Scheidung einreichte. Nachdem sie eine Ausbildung zur Ärztin abgeschlossen hatte, erstattete die Tochter knapp vor jenem Zeitpunkt, zu dem Verjährung der Delikte eingetreten wäre, Anzeige.

Vater bezeichnete Vorwürfe als Rache für strenge Erziehung
Der Vater hatte vor Gericht und auch nach seiner Verurteilung vehement bestritten, sich an seiner heute 31 Jahre alten Tochter vergangen zu haben. Er habe diese streng erzogen und mitunter geohrfeigt, wofür sie sich mit ihren Behauptungen offenbar rächen wolle, lautete seine Verantwortung im Strafverfahren.

"Fall zeigt Reformbedarf bei Fußfessel-Vergabe auf"
Justizministerin Beatrix Karl bedauerte am Mittwochnachmittag den Entschluss für die Fußfesselvergabe. Sie akzeptiere zwar grundsätzlich jede Entscheidung der unabhängigen Justiz, habe jedoch gegen den Beschluss der Vollzugskammer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Dieser sei der Beschwerde aber nicht nachgekommen, erläuterte Karl. "Dieser Fall zeigt wieder auf, dass Reformbedarf bei der Vergabe von Fußfesseln an Sexualstraftäter besteht", betonte die Justizministerin.

Karl hatte in der Vorwoche eine ergänzende Prüfung auf mögliche Verschärfungen bei der Vergabe von Fußfesseln an Sexualstraftäter in Auftrag gegeben. Ihre diesbezüglichen Vorschläge will die Justizministerin im Herbst dem Nationalrat zur Diskussion vorlegen.

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