Kultur als Hürde

Pazifikstaat Samoa sagt Fettleibigkeit den Kampf an

Ausland
12.08.2012 17:31
In Samoa und auf anderen Pazifik-Inselstaaten gibt es so viele Fettleibige wie kaum anderswo in der Welt. In Samoa gelten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO 60 Prozent der Frauen als schwer übergewichtig, 75 sind es in Mikronesien, in Tonga 78 und auf Nauru 80 Prozent. Der Preis für die Fett-Epidemie ist enorm: Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Zucker, Gicht. Weil kaum einer versichert ist, sterben viele Menschen daran. Jetzt rückt Samoa dem Fett zu Leibe.

Jeder Vierte sei inzwischen zuckerkrank, sagt Gesundheitsminister Tuitama Talalelei Tuitama. "Die Zahl der übergewichtigen und fettleibigen Kinder ist bei Mädchen von zwei Prozent 1982 innerhalb von 20 Jahren auf 14,3 Prozent gestiegen." Premierminister Tuilaepa Sailele Malielegaoi, seit 1998 im Amt, ist mit seiner Körperfülle nicht gerade ein leuchtendes Vorbild für seine Landsleute. Das Problem: "Fettleibigkeit vorzubeugen und zu behandeln ist in den Pazifik-Staaten deshalb schwierig, weil die traditionelle Kultur Körperfülle als Zeichen von Reichtum und Macht betrachtet", hieß es schon vor zehn Jahren in einem WHO-Bericht zum Thema.

"Essen bringt Status. Beim Essen werden soziale Kontakte gepflegt und wirtschaftliche und politische Allianzen geschlossen - Essen hat einen Platz in der Gesellschaft und gibt kulturelle Identität", sagte Jimaima Schultz, Ernährungsspezialistin von den Fidschi-Inseln, bei einem Workshop zu Fettleibigkeit in Samoa. "Pazifik-Bewohner denken bei 'dick' an gesund, gut gepflegt, reich, konkurrenzfähig, in westlicher Denkweise bedeutet 'dick' dagegen niedriger Status, schlechte Ausbildung, Gier, mangelnde Selbstkontrolle."

"Es geht nur ums Essen"
"Unsere Gesellschaft hat viele Schichten, je höher man kommt, desto mehr große Dinner gibt es - und desto weniger bewegt man sich - dafür hat man dann andere Leute," sagt Nina von Reiche (Bild), die sich mit ihrem Fitnessstudio in der Hauptstadt Apia besonders an Übergewichtige wendet. "Bei allen Festen von Hochzeiten bis zu Beerdigungen geht es nur ums Essen."

Von Reiche ist Samoanerin, einer ihrer Vorfahren kam während der deutschen Kolonialzeit Anfang vergangenen Jahrhunderts ins Land. "Dick zu sein gilt immer noch als Statussymbol", sagt sie. "Die Haltung hat sich nicht geändert, sie wird nur noch schlimmer." Dann startet sie eine schweißtreibende Fitnessstunde auf dem Stepper. "Los, Mädchen, lasst uns die Pfunde bewegen!" ruft sie zu knalliger Musik.

Walter Vermeulen (72), früher Direktor in Samoas Gesundheitsministerium, betreibt seit 13 Jahren eine Schlafklinik in Apia. Das Problem mit Schlafapnoe wächst. Wenn sich um den Hals zu viel Fett sammelt, schließt sich im Liegen leicht die Luftröhre, erklärt der Arzt. Zwar springt die Atmung nach Aussetzern wieder an, aber der Sauerstoffgehalt im Blut sinkt, die Leute sind tagsüber gerädert. Vermeulen passt den Patienten dann ein Gerät mit Gesichtsmaske an, das einen leichten Überdruck in den Atemwegen erzeugt und so das Schließen der Luftröhre verhindert. "Wir behandeln zwar erstmal nur die Symptome", sagt er. "Aber diese Patienten sind am Ende der Fahnenstange. Wir sagen ihnen natürlich, dass sie abnehmen müssen."

Werbung für Fitness und gutes Kochen
Vermeulen hat mit seiner Hilfsorganisation Metis Kurse in den Dörfern gestartet und wirbt für Fitness und gesundes Kochen. Das tut auch Tasalaotele Sapolu (51). Die energische Pilotin ist nach einer Karriere im Ausland zurück in Samoa. Ihr Vater war Heiler, sie setzt die Tradition jetzt fort. "Wir sind hier in Samoa gesegnet, wir haben alles, was für ein gesundes Leben nötig ist", sagt sie. Zum einen baut sie gerade ihren Wellnessladen "Earth Spa" für traditionelle samoanische Körperpflege auf, mit Massage, Entgiftungs- und Abnehmprogramm. Alles, was sie anbietet, besteht 100 Prozent aus einheimischen organischen Zutaten. Zum anderen will sie Samoa endlich auf Trab bringen.

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