Lobbying-Affäre

Strasser wegen Bestechlichkeit angeklagt

Österreich
09.08.2012 11:34
Der frühere Innenminister Ernst Strasser muss wegen der Lobbying-Affäre vor Gericht. Es sei Anklage wegen Bestechlichkeit erhoben worden, teilte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Der Strafrahmen dafür beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Strasser streitet bekanntlich alles ab und behauptet sinngemäß, selbst als Aufdecker gehandelt zu haben.

Die Ankläger haben 15 Monate lang in fünf Staaten Ermittlungen gegen Strasser geführt. Bei Hausdurchsuchungen an zehn Standorten beschlagnahmte man Daten im Umfang von etwa einem Terabyte und rund 25 Kisten an Unterlagen, es wurden außerdem 90 Einvernahmen durchgeführt, so die Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Strassers Verteidiger Thomas Kralik erwägt einen Einspruch gegen die Anklageschrift, denn "wir bestreiten nach wie vor die Vorwürfe, die darin erhoben werden". Mit einem allfälligen Einspruch gegen die Anklage müsste sich das Wiener Oberlandesgericht auseinandersetzen. Sollte es dazu kommen, dürfte der Prozess gegen Strasser vermutlich erst 2013 über die Bühne gehen.

Bestechungsversuch auf Video
Der damalige ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament soll im Jahr 2010 von zwei vermeintlichen Lobbyisten - tatsächlich handelte es sich um Journalisten einer britischen Tageszeitung - ein jährliches Beraterhonorar von 100.000 Euro für die Beeinflussung der Gesetzgebung gefordert haben. Die Reporter zeichneten die Unterredungen auf Video auf und veröffentlichten dieses im März des Vorjahres.

"Oh, es funktioniert sehr gut"
Die Schein-Lobbyisten boten Strasser, für den die Unschuldsvermutung gilt, hohe Geldsummen an, um einen Änderungsantrag für das Anlegerschutzgesetz ins EU-Parlament einzubringen. Er sei sowohl Lobbyist als auch EU-Abgeordneter, sagt der damalige Delegationsleiter der Volkspartei in dem Video, das offenbar in einer Bar aufgenommen wurde. Auf die Frage, wie diese beiden Tätigkeiten vereinbar seien, antwortet Strasser: "Oh, es funktioniert sehr gut."

In der Videoaufzeichnung gibt Strasser zudem an, bereits fünf verschiedene Lobbying-Klienten zu beraten. Diese würden ihm 100.000 Euro im Jahr für seine Dienste zahlen. Die Verträge über die Zusammenarbeit würde er selbstverständlich geheim halten, vor dem EU-Parlament brauche er das nicht zu deklarieren.

Ex-Innenminister als Schauspieler?
Nach Strassers Darstellung der Ereignisse habe er während der gesamten Unterredung nur vorgegeben, interessiert zu sein. Auf die Frage, warum er auf die Vorschläge der Reporter eingegangen sei, sagte er: "Ich habe die Leute angefüttert."

Strasser will seit 7. Juli 2010 gewusst haben, dass die Firma, für die die Reporter vorgaben zu arbeiten, kein echtes Lobbying-Unternehmen sei, er habe aber mitgespielt, um die vorgeblichen Lobbyisten bei der österreichischen Staatspolizei zur Anzeige bringen zu können. Er sei einmal auf eigene Kosten für Nachforschungen nach London geflogen und habe das Wiener Sicherheitsunternehmen CIN Consult GmbH damit beauftragt, das angebliche Lobbying- Unternehmen zu durchleuchten. Detail am Rande: CIN Consult ist eine Firma, an der Strasser selbst mit zehn Prozent beteiligt ist.

Rücktritt wegen "Kampagne gegen mich"
Schlussendlich trat Strasser wegen der Lobbying-Affäre doch zurück. "Ich habe mich zu dem Schritt entschlossen, weil es in Österreich eine Kampagne gegen mich gegeben hat", sagte Strasser Ende März 2011 und versuchte die Affäre als "Geheimdienst-Intrige" darzustellen.

Karas: Anklage "notwendiger Schritt"
Der ÖVP-Delegationsleiter im Europa-Parlament, Othmar Karas, bezeichnete die Anklage gegen Strasser als "notwendigen Schritt", der "zur vollständigen Aufklärung gesetzt wurde". Der Generalsekretär der Volkspartei, Hannes Rauch, betonte, dass man die Konsequenzen aus dieser Affäre gezogen habe. Strasser habe ja seinen Posten räumen müssen. "Das unterscheidet uns schon von den anderen", sagte Rauch am Donnerstag. "Da kann sich jede andere Partei ein Scheibchen abschneiden."

EU-Behörde OLAF ermittelt weiter
Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF teilte indes mit, dass sie im Fall Strasser noch immer ermittle. In die Lobbying-Affäre waren auch andere EU-Abgeordnete verwickelt. Neben Strasser hatte auch der slowenische Sozialdemokrat und Ex-Außenminister Zoran Thaler sein Amt niedergelegt.

Die beiden anderen, der spanische Konservative Pablo Zalba Bidegain und der Rumäne Adrian Severin, lehnten diesen Schritt ab. Severin wurde daraufhin von der sozialdemokratischen Fraktion ausgeschlossen. OLAF hatte in den Fällen Thaler und Severin den jeweiligen nationalen Justizbehörden weitere Ermittlungen empfohlen, im Fall des spanischen Abgeordneten reichten die Anschuldigungen dazu aber offenbar nicht aus.

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