Lautes Wehklagen

So düster sieht es am Arbeitsmarkt in den USA aus

Ausland
03.08.2012 19:36
Seit Monaten ist es dasselbe Spiel. An jedem ersten Freitag des Monats legt die US-Regierung ihre Arbeitslosenstatistik vor. Und innerhalb von Minuten verfallen Experten und Reporter in lautes Wehklagen: Die Zahl neuer Stellen zu gering, die Konjunktur zu flau - und Präsident Barack Obama deswegen praktisch abgewählt, meinen sie. Die Arbeitslosenquote ist zum allumfassenden Gradmesser für die Lage eines Landes geworden, dessen Wirtschaft zu 70 Prozent vom Konsum der Bürger abhängt. Dabei gibt der Wert nicht einmal Aufschluss darüber, wie düster die Situation tatsächlich ist.

Wenige Tage, nachdem Obama Anfang 2009 ins Weiße Haus einzog, schoss die Arbeitslosenquote erstmals seit Anfang der 80er Jahre über acht Prozent. Sie kletterte danach bis auf zehn Prozent und fiel dann wieder. Aber auf einen Wert mit einer Sieben oder gar einer Sechs vor dem Komma wartet der Präsident vergeblich. Er weiß: Mit einer solch hohen Quote wie den aktuellen 8,3 Prozent wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bislang noch kein Amtsinhaber wiedergewählt.

Beteiligungsquote am Arbeitsmarkt sinkt
Doch vermutlich weiß er auch, dass alles noch viel schlimmer sein könnte. Denn der Wert läge heute eigentlich bei vernichtenden elf Prozent, hätten sich nicht in den vergangenen Jahren nach Schätzungen von Ökonomen rund drei Millionen Amerikaner freiwillig vom Arbeitsmarkt verabschiedet. Die sogenannte Beteiligungsquote am Arbeitsmarkt sank unter Obama von 65,7 auf 63,7 Prozent. Zuletzt hatte sich 1980 ein so kleiner Anteil der Einwohner in den USA um Arbeit bemüht.

Manche sehen keine Chance mehr auf einen Job und haben die Suche aufgegeben. Andere sind wegen der düsteren Wirtschaftslage vorzeitig in Rente gegangen. Für die Berechnung der Quote werden sie nicht mehr berücksichtigt, und das verfälscht das Bild. Viele Experten fordern daher, mit einer Statistik zu arbeiten, die wenigstens diejenigen Entmutigten erfasst, die sich vorstellen könnten, zu arbeiten, auch wenn sie nicht aktiv suchen. Diese sogenannte U-6-Quote wird auch gemessen: Sie liegt bei riesigen 15 Prozent. Ein Wert, den die Regierung lieber verschweigt.

"Hire and fire" funktioniert nicht mehr
Die hohe Arbeitslosenquote wäre vielleicht weniger schlimm, wenn sich Amerika auf eine alte Gewissheit verlassen könnte: Dass Jobflauten so schnell vorüberziehen, wie sie gekommen sind. Denn Langzeitarbeitslosigkeit spielte in der jüngeren Geschichte des Landes keine Rolle, dafür sorgten schon die kurzen Kündigungsfristen und der durchlässige Jobmarkt - Stichwort "hire and fire". Doch auch dieser Vorteil der US-Volkswirtschaft scheint vorbei zu sein. Mittlerweile sind weit mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen seit mehr als sechs Monaten ohne Beschäftigung. 2007, vor dem Beginn der Finanzkrise und der großen Rezession 2009, waren es gerade einmal halb so viel.

Viele Ökonomen sprechen von einer verlorenen Generation, denn je länger die Amerikaner ohne Job sind, desto schwerer finden sie einen. Nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit sinkt die Chance, bald wieder eine Stelle zu finden, auf 16 Prozent, rechnet der Experte Gary Burtless vom Washingtoner Forschungsinstitut Brookings vor. Sie werden für Arbeitgeber zunehmend unattraktiver, ihre Fähigkeiten rosten ein, oft geht irgendwann das Selbstvertrauen verloren. Da würden eigentlich nur Trainingsmaßnahmen helfen, die Geld kosten, meint Burtless. "Das Problem ist natürlich, dass weder der Kongress noch die Öffentlichkeit in der Laune sind, diese Investition zu machen."

Junge Amerikaner besonders getroffen
Besonders hart wurden die jungen Amerikaner von der Rezession getroffen, wie die offiziellen Statistiken zeigen. Nur noch 54 Prozent der Amerikaner zwischen 16 und 24 Jahre arbeiten, das ist der geringste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwar liegt das auch daran, dass sich mehr junge Leute fürs Studium entscheiden - viele von ihnen aber auch nur, weil sie auf dem Arbeitsmarkt derzeit keine Chance sehen und lieber noch ein paar Semester draufsatteln. Die Arbeitslosenquote in der Altersgruppe liegt bei rund 16 Prozent, also doppelt so hoch wie der allgemeine Wert. Vor der Rezession lag sie bei etwa 10 Prozent.

Das Problem reicht zwar längst nicht an spanische Verhältnisse heran, wo Katastrophen-Quoten von rund 50 Prozent erreicht werden. Für die größte Volkswirtschaft der Welt ist es aber dennoch ein böses Omen, bei der Jugendarbeitslosigkeit den globalen Durchschnitt von 13 Prozent so deutlich zu übertreffen. Zumal gerade US-Jungakademiker finanziell sehr auf einen Job angewiesen sind, geht doch jeder Absolvent durchschnittlich mit 25.000 Dollar Miesen aus dem Studium. Der Unibesuch in den USA wird immer teurer, die Gesamtschulden haben sich in nur einem Jahrzehnt fast verfünffacht.

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