Mittels Hightech

5.300 Jahre alte Blutreste in “Ötzis” Wunden entdeckt

Wissenschaft
02.05.2012 01:01
Schon mehrfach haben Wissenschaftler versucht, in der 5.300 Jahre alten Gletschermumie "Ötzi" Reste von Blut nachzuweisen - bisher vergeblich. Jetzt hat ein Forscherteam aus Deutschland und Italien mit hochtechnologischem Instrumentarium in den Wunden des 1991 am Similaun-Gletscher in den Ötztaler Alpen entdeckten Eismanns rote Blutkörperchen und Spuren von Fibrin gefunden.

Nach Angaben der Wissenschaftler vom Institut für Mumien und den Iceman der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) ist das der älteste Nachweis von Blut überhaupt. Ihre Arbeit wurde nun in der Fachzeitschrift "Journal of the Royal Society Interface" veröffentlicht.

Suche nach Blut fast aufgegeben
Man hatte durchaus erwartet, bei Ötzi noch Blut zu finden, nach den zahlreichen vergeblichen Versuchen aber fast schon aufgegeben, erklärte EURAC-Leiter Albert Zink (auf Bild 2 rechts) im Gespräch. Für das Fehlen von Blutspuren habe man einerseits den hohen Blutverlust nach der Arterienverletzung durch den Pfeil, andererseits Abbauprozesse verantwortlich gemacht. Aber auch bei anderen Mumien gebe es nur wenige Arbeiten mit Hinweisen auf Blut. Bei diesen könne man aber angesichts der verwendeten Technik nicht sicher sein, ob es sich tatsächlich um Blutbestandteile handle, so Zink.

Der Mumien-Experte hat gemeinsam mit den beiden Materialwissenschaftlern Marek Janko und Robert Stark vom Center of Smart Interfaces der Technischen Universität Darmstadt dünne Gewebeschnitte aus Ötzis Pfeil-Wunde am Rücken und aus einer Schnittwunde an der rechten Hand mit einem Rasterkraftmikroskop untersucht. Dabei wird mit einer sehr feinen Spitze die Oberfläche einer Probe abgetastet, die jeweilige Ablenkung gemessen und diese Zeile für Zeile, Punkt für Punkt aufgezeichnet. Dadurch entsteht ein dreidimensionales digitales Abbild der Oberfläche.

Eindeutig rote Blutkörperchen gefunden
Bei den Proben von Ötzi kam das Bild von roten Blutkörperchen mit der klassischen "Donut-Form" zum Vorschein - genau so, wie die Zellen heute bei gesunden Menschen aussehen. "Um hundertprozentig sicherzugehen, dass es sich nicht um Pollen, Bakterien oder einen Negativ-Abdruck, sondern um das Blutkörperchen selbst handelt, haben wir dann noch eine zweite Methode angewandt, die sogenannte Raman-Spektroskopie", so die Wissenschaftler. Dabei wird eine Probe mit Laserlicht bestrahlt, das daran gestreute Licht gibt Aufschluss über das Material. Auch die mit dieser Methode gewonnenen Bilder stimmen nach Angaben der Forscher mit modernen Proben menschlichen Bluts überein.

Mithilfe der Raman-Spektroskopie konnten die Wissenschaftler an der Pfeil-Wunde zudem Fibrin nachweisen, ein Protein, das die Blutgerinnung steuert. "Da Fibrin bei frischen Wunden auftritt und sich anschließend wieder abbaut, untermauert dieser Fund die These, dass Ötzi direkt im Anschluss an seine Verletzung durch den Pfeil gestorben ist und nicht erst Tage danach, wie zwischenzeitlich einmal vermutet worden war", so Zink.

Methode auch für Forensik interessant
Von den nun gemachten Erkenntnissen profitieren könnte auch ein völlig anderes Fachgebiet - die Forensik. Bisher ist es nach Angaben der Wissenschaftler praktisch unmöglich, bei Tatort-Untersuchungen das exakte Alter einer Blutspur zu bestimmen. Weil man mit dem Rasterkraftmikroskop auch die mechanischen Eigenschaften einer Probe testen kann, hatten die Forscher die Hoffnung, durch die Veränderung der Elastizität der Blutkörperchen im Laufe der Zeit eine zeitliche Datierung vornehmen zu können.

"Davon sind wir aber noch ein wenig entfernt", so Zink. Tatsächlich haben sie aber an künstlich gealterten Blutproben gezeigt, dass die roten Blutkörperchen mit zunehmender Zeit härter werden, "wir wissen aber noch nicht, wie schnell das abläuft und ob sich das kontinuierlich verändert". Jedenfalls könnte dies ein möglicher Ansatz sein, um Blutspuren datieren zu können.

Auch andere Mumien sollen untersucht werden
Bei Ötzi sind keine weiteren Untersuchungen mit diesen Methoden geplant. Zink will allerdings diese Art der Untersuchung auch auf andere Mumien ausdehnen und auch bei Moorleichen, ägyptischen oder südamerikanischen Mumien anwenden und vergleichen, wie Gewebe bei unterschiedlichen Lagerungsbedingungen erhalten geblieben sind. Dies könnte auch nützliche Hinweise für die Konservierung von Mumien liefern, so der EURAC-Leiter.

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