Neue Mittelschule

Nationalrat schickte die Hauptschule in Pension

Österreich
29.03.2012 14:55
Österreich erhält erstmals seit 50 Jahren wieder einen neuen Schultyp. Der Nationalrat hat am Donnerstag mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und BZÖ entschieden, die Neue Mittelschule ins Regelschulwesen aufzunehmen. Damit verbunden ist das Aus der Hauptschulen. Der Zeitplan sieht vor, dass die Umstellung von Haupt- auf Neue Mittelschule noch im Herbst 2012 in die Wege geleitet wird, im Schuljahr 2018/2019 soll sie endgültig abgeschlossen sein. Die AHS bleibt entsprechend dem Wunsch der ÖVP auch in ihrer Langform erhalten.

Erprobt wird die NMS als Schulversuch schon seit dem Jahr 2008/2009. An 67 Standorten in Kärnten, Oberösterreich, Steiermark, Vorarlberg und dem Burgenland wird heuer im Herbst erstmals ein Jahrgang die Neue Mittelschule abschließen.

Grundprinzip der NMS ist, dass in den Hauptfächern - Deutsch, Mathematik und lebende Fremdsprachen (meist Englisch) - eine innere Differenzierung des Unterrichts vorgesehen ist. Für pädagogische Maßnahmen wie temporäre Gruppenbildung, Förder- und Leistungsmaßnahmen oder Teamteaching mit zwei Lehrern in der Klasse werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Über die Art der Differenzierung wird direkt am Standort entschieden.

Berufsorientierung wird als verbindliche Übung eingeführt, textiles und technisches Werken zu einem Gegenstand vereint. Geometrisches Zeichnen kann im Rahmen eines naturwissenschaftlich-mathematischen Schwerpunkts weiter eigenständiger Gegenstand bleiben. Ernährung und Haushalt bleibt als Pflichtfach erhalten.

Neues Benotungssystem
Zusätzlich zu den Ziffernnoten werden im Zeugnis die individuellen Lern- und Leistungsstärken in einer "ergänzenden differenzierenden Leistungsbeschreibung" festgehalten. In der 3. und 4. Klasse NMS wird in den differenzierten Gegenständen (Deutsch, Mathe, Fremdsprache) im Zeugnis außerdem ausgewiesen, ob der Schüler sich nur Basiswissen ("grundlegende Allgemeinbildung") oder komplexeres Wissen ("vertiefte Allgemeinbildung") aneignen konnte.

Die vertiefte Bildung entspricht dem Bildungsziel der AHS-Unterstufe, weshalb man auch bereits mit einem "Genügend" in eine AHS-Oberstufe aufsteigen kann. Bei der "grundlegenden Allgemeinbildung" benötigt man in den Hauptfächern dafür ein "Sehr gut" oder "Gut". Wer in der 4. Klasse NMS in allen drei Gegenständen mit "Befriedigend" oder "Genügend" beurteilt wird, darf in berufsbildende mittlere Schulen aufsteigen. Ansonsten bleibt nur eine Wiederholung der letzten Klasse oder der Weg ins Polytechnikum, das übrigens der letzte Schultyp ist, der es vor der NMS ins Regelschulwesen geschafft hatte - und zwar im Jahr 1962.

Kritik von FPÖ und Grünen
Bei ihrem Nein zur Neuen Mittelschule blieben im Nationalrat Freiheitliche und Grüne. FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz meinte, seine Partei wolle "eine Schule der Vielfalt und nicht der Einfalt". Die Alternative zur differenzierten Schule sei nicht die Einheitsschule, sondern die verbesserte differenzierte Schule. Dass die Hauptschule abgeschafft wird, bedauerte Rosenkranz, funktioniere sie doch im ländlichen Bereich bestens. Nunmehr werde mit der NMS die "Katze im Sack gekauft", sei doch die versprochene Evaluierung der Neuen Mittelschule noch immer nicht erfolgt.

An diesem Punkt setzte auch Grünen-Bildungssprecher Harald Walser an. Er fand es ebenfalls empörend, dass noch nicht einmal die Erfahrungen aus dem bisherigen Betrieb der NMS eingearbeitet worden seien. Jetzt sei nicht einmal eine qualitätsvolle Nachmittagsbetreuung gesichert. Bei dem, was nun von SPÖ und ÖVP vorgelegt worden sei, handle es sich um einen "faulen Kompromiss", urteilte Walser. Durchgesetzt habe sich letztlich zu 100 Prozent die Volkspartei, ärgerte sich der Gesamtschul-Befürworter. "Daher ist heute ein schlechter Tag für die österreichischen Kinder, aber auch für den Wirtschaftsstandort."

ÖVP und SPÖ verteidigen NMS
ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon bedauerte im Gegenzug die Haltung der Grünen. In einer demokratischen Gesellschaft müsse man kompromissfähig bleiben. Dass - wie von den Grünen behauptet - nur das Türschild von Hauptschule auf Neue Mittelschule ausgetauscht werde, wies Amon als Unsinn zurück. Dafür hätte man nämlich keine zusätzlichen Lehrer und kein massiv erhöhtes Budget gebraucht, erläuterte der schwarze Bildungssprecher. Als besonders positiv hob Amon hervor, dass nunmehr direkt am Standort über Differenzierungsmaßnahmen entschieden werde.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (Bild) sieht als "Herzstück" der NMS die "neue Lernkultur". Der Schüler stehe im Mittelpunkt. Vielfalt solle nach dem Grundsatz gefördert werden, dass jeder etwas besonders gut könne: "Mir ist die Neue Mittelschule sehr sympathisch." Wichtig ist für die Ministerin auch, dass die Berechtigungen, in welchen Schultyp man nach der achten Schulstufe aufsteigen kann, nunmehr klar am Tisch liegen werden.

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