Schuldenbremse

Fischer: “Sparziele der Regierung sind verkraftbar”

Österreich
22.01.2012 11:16
Bundespräsident Heinz Fischer unterstützt die Bundesregierung in ihrem Ziel, in den nächsten fünf Jahren bei Ausgaben und Einnahmen insgesamt rund zehn Milliarden Euro einzusparen: "Ja, das kann und muss Österreich verkraften." Die auch von ihm gewünschte Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung hat der Bundespräsident für diese Legislaturperiode zwar noch nicht abgeschrieben, er fürchtet aber, dass es erst nach der nächsten Wahl gelingen könnte.

Die angestrebten Einsparungen von zwei Milliarden pro Jahr werden umso leichter gelingen, "je logischer, vernünftiger und gerechter Belastungen verteilt werden", verweist Fischer im Interview mit der Austria Presse Agentur auf sein "magisches Dreieck" aus Sparsamkeit, sozialem Ausgleich auf der Einnahmenseite und wachstumsfördernden Maßnahmen.

Fischer betont, dass man sich sowohl die Ausgaben- als auch die Einnahmenseite des Staatshaushaltes anschauen müsse und verweist darauf, dass sowohl Kürzungen bei den Ausgaben als auch Erhöhungen auf der Einnahmenseite Belastungen für die Bürger bedeuten, die gerecht verteilt werden müssten. Bei den Kürzungen dürfe man "nicht einfach mit dem Rasenmäher über die Budgetansätze drüberfahren". Das tue die Regierung auch nicht, verweist Fischer auf geplante Ausnahmen bei Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Einzelmaßnahmen will der Bundespräsident zwar nicht kommentieren, den von Vizekanzler Michael Spindelegger vorgeschlagenen Aufnahmestopp im Öffentlichen Dienst hält er aber "flächendeckend und ohne Ausnahmen nicht für möglich". Dies sei in der Zwischenzeit aber ohnehin schon klargestellt worden.

In die Diskussionen auf Regierungsebene fühlt sich das Staatsoberhaupt nach Gesprächen mit den Regierungsspitzen und dem Nationalbankpräsidenten "gut eingebunden". Fischer drängt zwar nicht zur Eile, aber: "Wir haben keine Zeit zu verlieren." Andererseits müssten die Verhandlungen "sachgerecht und nicht überstürzt" geführt werden, plädiert er für einen "Terminplan mit Vernunft".

Fischer würde auch bei sich sparen
Fischer wäre natürlich auch bei sich selbst zu Einsparungen bereit, wenn z.B. Solidarbeiträge von Besserverdienern gefordert werden sollten. "Selbstverständlich würde ich mich in keinem Bereich allgemeinen Maßnahmen entziehen und könnte es auch nicht." Er verweist darauf, dass alle Politiker schon einen Beitrag geleistet haben, indem die Politikergehälter schon vier Mal in Folge nicht angehoben wurden und seit 2009 eingefroren sind. "Während die Beamtengehälter in diesem Zeitraum um fast acht Prozent gestiegen sind."

Chance auf Schuldenbremse in der Verfassung besteht
Für die von ihm befürwortete Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung sieht Fischer zwar "sicher noch Chancen in dieser Legislaturperiode". Für "wesentlich größer" hält er jedoch die Chancen nach der nächsten Wahl. An seiner Aufforderung an alle Parteien, an der Lösung des Problems zu arbeiten, hält der Bundespräsident weiter fest und von diesem "Auftrag an die Politik" lässt er sich auch durch eine zuletzt kontroversiell geführte Parlamentsdebatte mit gegenseitigen Schuldzuweisungen nicht abbringen. "Wir haben in vielen Fällen unterschiedliche Meinungen, aber auf jeden Fall eine gemeinsame Verantwortung, also eine Verantwortungspartnerschaft."

Die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung hält Fischer für wichtig, um den Konsolidierungsweg langfristig im Auge zu behalten, damit er nicht in einigen Jahren wieder zur Disposition steht. Die Kritik an seiner Person, weil er die Opposition aufgefordert hatte, im Nationalrat den Saal zu verlassen, um damit eine Verfassungsmehrheit zu ermöglichen, nimmt Fischer nicht tragisch. In seiner mehr als 30-jährigen Zeit als Parlamentarier habe er es "Dutzende, wenn nicht Hunderte Male" erlebt, dass Abgeordnete aus unterschiedlichen Motiven bei Abstimmungen den Saal verlassen haben.

Fischer bei automatischer Volksabstimmung skeptisch
Den im Zuge der Verhandlungen über die Schuldenbremse geführten Gesprächen zwischen ÖVP und FPÖ über einen Ausbau der direkten Demokratie steht Bundespräsident Fischer interessiert gegenüber. Wenn solche Gespräche dem Ziel der "Anreicherung der Demokratie mit Sauerstoff" dienen, dann halte er sie für "absolut sinnvoll".

Zu den diskutierten Intentionen, Volksbegehren ab einer bestimmten Stimmenanzahl automatisch zum Thema einer verbindlichen Volksabstimmung zu machen, zeigte sich das Staatsoberhaupt jedoch skeptisch. Er hält es "nicht für richtig, das plebiszitäre Element zu verselbstständigen und damit das parlamentarische System - wenn auch nur in Einzelfällen - zu verdrängen". Es komme hier auf "das richtige Mischungsverhältnis" an.

Dem Demokratiebegehren mehrerer Altpolitiker wie Erhard Busek oder Friedhelm Frischenschlager bringt der Bundespräsident Verständnis entgegen. "Jemand, der sich kritisch mit der Demokratie auseinandersetzt, hat meinen Respekt." Es gehöre zum Wesen der Demokratie, dass diese ohne permanenten Prozess der Kritik und Selbstkritik in Gefahr komme zu erstarren und an Attraktivität einzubüßen.

U-Ausschuss "von großer Bedeutung"
Dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den diversen Korruptionsaffären wünscht Fischer "den besten Erfolg". Das bedeute, "dass er in der Lage ist, zur Wahrheitsfindung beizutragen unter Einhaltung der rechtsstaatlichen Prämissen". Neben der Chance, zur Wahrheitsfindung beizutragen, haben die Ausschussmitglieder aber auch "die Verpflichtung, sich diesem Ziel unterzuordnen und den Ausschuss nicht zur Selbstdarstellungsbühne für einzelne Akteure umzufunktionieren".

Für den Rechtsstaat sei es "von großer Bedeutung", dass diese Fälle, "die viele Menschen sehr aufregen", aufgeklärt werden - "und das in guter Zeit", betonte der Bundespräsident. Angesichts von Vorwürfen an die Justiz, dass manche Verfahren eindeutig zu lange dauern, müsse rasch und konsequent gearbeitet werden. Für Fischer gibt es keine Alternative zur Aufklärung, auch auf die Gefahr hin, dass sich noch mehr Bürger von der Politik abwenden: "Manches wird als unappetitlich empfunden, aber was ist die Alternative? Man kann nicht sagen, damit beim Trockenlegen eines Sumpfes nicht unangenehme Gerüche entstehen, lassen wir die Dinge wie sie sind. Diese Prozedur ist nicht angenehm, aber es muss sein. Ein hoffnungslos kaputter Zahn muss auch gezogen werden, auch wenn es nicht angenehm ist. Und am Ende wird Sauberkeit und Aufklärung der Demokratie nützen und nicht schaden."

Keine Stellungnahme zum Thema ORF
Konkret zum ORF will der Bundespräsident zwar nicht Stellung nehmen, ganz generell hat sich seiner Auffassung nach aber das Problem der parteipolitischen Postenbesetzungen in der öffentlichen Verwaltung gebessert: "In puncto Postenbesetzung stehen wir heute besser da als vor 20 Jahren." Er selbst versuche, seinen Beitrag zu leisten. Als Bundespräsident habe er schon Tausende Ernennungen unterschrieben und immer darauf geachtet, dass es dabei korrekt zugehe. In einzelnen Fällen habe er auch einen Akt nicht unterzeichnet. "Sie werden keinen Fall finden, wo nicht sachlich vorgegangen wurde."

Aus für WKR-Ball in der Hofburg "gut begründet"
Die Entscheidung der Hofburg-Betriebsgesellschaft, den Ball des Wiener Korporationsringes heuer zum letzten Mal in den Festsälen der Hofburg stattfinden zu lassen, hält der Bundespräsident für "gut begründet". Für besonders problematisch hält er es, dass dieser Burschenschafter-Ball am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz stattfindet. "Am Tag, wo man der KZ-Opfer gedenkt, ist dieser Ball besonders problematisch", stellte der Bundespräsident fest, der nicht Hausherr in der Hofburg ist, dessen Amtsräume in der Präsidentschaftskanzlei aber an die Festsäle in der Hofburg angrenzen.

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