Missbrauch im Heim
Kommission startet: "Vorwürfe schreien nach Aufklärung"
Neben Helige werden sich nun die ehemaligen Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes, Helge Schmucker, die Psychiaterin Gabriele Wörgötter und der Linzer Sozialhistoriker Michael John mit der Geschichte der umstrittenen Einrichtung befassen.
Helige: "Bestürzende Vorwürfe"
Das Ziel der Prüf-Kommission ist laut Helige die Aufklärung der Geschehnisse im einstigen städtischen Kinderheim – wobei die Jahre 1948 bis 1977 untersucht werden. "Die bestürzenden Vorwürfe schreien nach Aufklärung", betonte Helige. Jedoch: Es soll, wie sie hinzufügte, nicht nur um jene Missbrauchsfälle gehen, von denen zwei Frauen vor einigen Wochen in Interviews berichtet hatten. Auch "nicht ganz so furchtbare" Fälle von Gewalt sollen geprüft werden.
Eine Beurteilung, ob tatsächlich erzwungene Prostitution, Massenvergewaltigungen oder gar das Verschwinden eines Kindes vorgekommen sind, wagte die Kommission zum Auftakt noch nicht. Dass es andere Formen "schwerer Übergriffe" gegeben habe, davon sei jedoch auszugehen, hieß es. Helige verwies etwa auf die bereits in den 1970er-Jahren erschienene Untersuchung der späteren SPÖ-Nationalratsabgeordneten Irmtraut Karlsson. Der Bericht wird von der Kommission für ihre Arbeit herangezogen werden.
Zahlreiche Interviews geplant
Es solle unter "Einbeziehung aller möglichen wissenschaftlichen Mittel" untersucht werden, was den Kindern tatsächlich widerfahren sei. Vorgesehen sind umfangreiche Recherchen, also etwa die Sichtung von Unterlagen bzw. Zeitdokumenten. Auch Interviews mit Zeitzeugen sollen geführt werden. Nicht nur frühere Erzieher, sondern auch sonstige Bedienstete wie etwa Gärtner werden ersucht, über ihre Erfahrungen am Wilhelminenberg zu berichten. Anhand dieser Fakten soll das im Heim herrschende Gewaltsystem rekonstruiert werden.
Offen ist noch, zu wie vielen unmittelbar Betroffenen es Kontakt geben wird. "Es sind uns die Opfer bisher noch nicht bekannt", erklärte Helige am Mittwoch. Die Berichte der früheren Heiminsassen liegen, abgesehen von den in den Medien verbreiteten Schilderungen, derzeit lediglich der Opferschutz-Organisation Weißer Ring vor. Dass diese einfach an die Kommission weitergereicht werden, ist laut Helige nicht geplant. Jedoch werde man den Weißen Ring ersuchen, die Betroffenen zu fragen, ob sie dies möchten bzw. ob sie vor der Kommission aussagen wollen.
Aufklärung "ohne irgendwelche Rücksichtnahmen"
Der genaue Zeitplan der Arbeiten sei schwer einzuschätzen, betonte Helige, im günstigsten Fall sei mit einem Abschluss Ende nächsten Jahres zu rechnen. Zuvor soll es Zwischenberichte geben. Man strebe jedenfalls eine Aufklärung "ohne irgendwelche Rücksichtnahmen" an, versicherte die Kommissions-Chefin. Zu klären sei etwa die Frage, wer gewusst habe, was in diesem Heim vorging. Auch wer etwas tun hätte können bzw. wer etwas tun hätte müssen, sei zu hinterfragen. Untersucht werden soll dabei eine mögliche individuelle sowie institutionelle Verantwortung im Heim selbst, in der Verwaltung, aber auch in der Politik.
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