Welt-Klimagipfel

“Besser Bla-bla als Bum-bum”: UNIDO-Chef im Interview

Österreich
27.11.2011 19:28
Am Montag beginnt der Welt-Klimagipfel im südafrikanischen Durban. Vor seiner Abreise sprach UNIDO-Chef Kandeh Yumkella mit der "Krone" über Verschmutzung, Verantwortung und eine bessere Welt.

Das UNO-Gebäude ist schon fast leer, nur im 22. Stock, beim "DG", herrscht noch immer Hochbetrieb am späten Freitagabend. "DG" steht für Director General Kandeh K. Yumkella, Chef der in Wien ansässigen UNIDO. Die UN-Organisation für industrielle Entwicklung war eng in die Vorbereitungen zur Weltklimakonferenz eingebunden. "Candy? Coffee?", fragt Dr. Yumkella und nimmt in der schwarzen Ledercouch Platz.

Exakt platzierte, goldgerahmte Fotos an der Wand zeigen ihn auf der Weltbühne - mit UN-General Ban Ki-Moon, Bill Clinton, dem chinesischen Premierminister und Carlo Slim, dem reichsten Mann der Erde.

"Krone": Mr. Yumkella, was entgegnen Sie all jenen, die jetzt schon sagen: Wieder ein Klimagipfel, bei dem nix herauskommt außer leere Versprechungen?
Kandeh Yumkella: Ich möchte Winston Churchill zitieren: Better to jaw-jaw than to war-war. (Frei übersetzt: Bla-bla ist immer noch besser als Bum-bum.) Klimawandel ist ein kompliziertes Thema, besser wir diskutieren darüber als wir diskutieren überhaupt nicht.

"Krone": Sie teilen nicht den Pessimismus, obwohl bei den letzten Konferenzen in Cancún und Kopenhagen keine Einigung erzielt werden konnte?
Yumkella: Nein, weil es bereits ein Erfolg ist, wenn man sich auf bestimmte Bausteine einigt. Das muss nicht unbedingt eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes sein. Ich hoffe in Durban auf drei Dinge: erstens, dass wir uns auf einen weiteren Verpflichtungszeitraum für das Kioto-Protokoll einigen, da die Vereinbarungen Ende 2012 auslaufen. Zweitens: dass wir den "Green Climate Fund" unter Dach und Fach bringen. Und drittens ist mir persönlich ganz wichtig, dass die Rolle der erneuerbaren Energie in der Klimafrage anerkannt wird.

"Krone": Aber wie bringt man die Staaten dazu, sich an ihre Zusagen auch zu halten?
Yumkella: Ich denke, da ist der Druck der Zivilgesellschaft wichtig. Wir brauchen eine stärkere Mobilisierung der lokalen Ebene: Gemeinden, Städte und Regionen. Auf sie werden die Politiker hören. Vergessen wir nicht, dass es bereits Regionen auf der Welt gibt, die unter dem Klimawandel leiden: Das zeigen die Überschwemmungen in Pakistan und jetzt die Überschwemmungen in Thailand, in einem der wohlhabendsten und am dichtesten bebauten Gebiet von Bangkok. Die Natur führt uns den Klimawandel drastisch vor Augen.

"Krone": Wenn Sie sich entscheiden müssten: Ist es im Moment wichtiger, den Euro zu retten oder das Klima?
Yumkella: Wir müssen unbedingt beides machen.

"Krone": Aber Sie sollen wählen.
Yumkella:(lacht) Bitte stellen Sie mich nicht vor eine solche Entscheidung. Wir können uns das nicht mehr leisten, weil wir viel zu lange gezögert haben. Wir hätten bereits vor zehn Jahren handeln sollen. Jetzt haben wir die Finanzkrise. Das ist genau das, wovor alle Klimaexperten gewarnt haben: Wenn wir zögern, werden die Kosten steigen.

"Krone": Ist das Klima trotz Weltwirtschaftskrise noch zu retten?
Yumkella: Es ist für die Finanzminister im Moment nicht einfach, Entscheidungen über die Vergabe von Mitteln zu treffen. Wir haben der Welt versprochen, dass wir zwischen 2010 und 2013 30 Milliarden Dollar auf den Tisch legen werden. Wir haben uns auf einen "Green Fund" geeinigt. In den USA liegen zwei Trillionen Dollar in Firmen und Banken, die im Moment nicht investiert werden. Auch in Europa halten Firmen und Banken Geld zurück. Wir brauchen 84 Milliarden Dollar pro Jahr für den weltweiten Zugang zu Energie, das ist nicht so viel, wenn man bedenkt, dass während der Finanzkrise plötzlich drei Trillionen zur Verfügung gestanden sind.

"Krone": Die reichen Länder zerstören systematisch den Planeten. Würden Sie dem zustimmen?
Yumkella: Schuldzuweisungen sind nicht hilfreich. Wir haben ein gemeinsames Ziel, aber die Verantwortung ist unterschiedlich aufgeteilt.

"Krone": Nehmen wir China: Die Chinesen lassen jede Transparenz vermissen, was deren Emissionen angeht.
Yumkella: Ich bin mir sicher, dass auch unsere Freunde in China ihr Bestes tun.

"Krone": Dr. Yumkella, was sind die Momente, in denen Sie spüren, dass Ihre Arbeit wirklich etwas verändert?
Yumkella: Das ist immer dann, wenn ich in Fabriken komme, wo wir saubere Technologien eingeführt haben und so Wohlstand und Arbeitsplätze geschaffen wurden. Da fühle ich mich richtig gut. Es ist leicht, sich global auf irgendetwas zu einigen. Aber Fabriken in einzelnen Ländern zum Umdenken zu bewegen, das ist ungleich schwerer.

"Krone": Sie sind seit 2005 UNIDO-Chef. Ist Wien in den letzten Jahren internationaler geworden?
Yumkella: Wien und Österreich haben sich sehr verändert, auch aufgrund der Regierung, die wirklich multilateral agiert. Wir nennen das in der UN den "Vienna Spirit". Dieses Verständnis, die Kompromissfähigkeit, die Diplomatie auf hohem Niveau. Wenn es bei uns in Verhandlungen schwierig wird, sage ich immer: Jetzt aber ein bisschen Vienna Spirit.

"Krone": Mr. Yumkella, die "Krone" hat fast drei Millionen Leser: Was möchten Sie denen sagen?
Yumkella: Ich möchte sie einladen, sich unserer Kampagne "Energie für alle Menschen" anzuschließen. Arnold Schwarzenegger hat mir versprochen, ebenfalls mitzumachen. Wir werden 2012 überall auf der Welt kleine Investitionen in erneuerbare Energie tätigen. Sie können dann zum Beispiel für 35 Euro ein Haus in einem indischen Dorf mit einer solarbetriebenen Lampe ausstatten. Es ist nicht wahr, dass der Einzelne nichts tun kann. Wir brauchen globale Lösungen. Aber genau so auch die Anstrengung eines jeden von uns, wenn die Welt besser werden soll.

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