"Jetzt wird's ernst"

“Krone”-Interview: Sind Sie zu zahm, Frau Vassilakou?

Österreich
24.11.2011 16:48
Genau vor einem Jahr wurde sie die erste grüne Vizebürgermeisterin Wiens. Maria Vassilakous persönliche Bilanz wird vom Ärger über eine Teuerungswelle getrübt. Im "Krone"-Interview mit Conny Bischofberger spricht sie über die ersten 365 Tage als Vizebürgermeisterin.

Grüner Teppich, Gras-Tapete, grüne Sessel: Im Büro der Häupl-Stellvertreterin gibt die Parteifarbe den Einrichtungsstil vor. Auf dem Boden liegen ein paar Hunde-Stofftiere, im Eck steht ihr "Hercules"-E-Bike, winterfest gemacht. "Ich bin eine Saison-Radlerin", gibt Maria Vassilakou, die für die Stadt Wien sogar einen "Fahrradbeauftragten" eingeführt hat, offen zu. Sie trägt eine Lederjacke zum Nadelstreif-Kleid und trinkt Kaffee aus einer James-Dean-Tasse.

"Krone": Frau Vassilakou, welches Bild taucht vor Ihren Augen auf, wenn Sie an den 25. November 2010 denken?
Maria Vassilakou: Ich sitze im Saal und höre das Abstimmungsergebnis. Der Bürgermeister steht auf und gratuliert mir. Ich dachte: Jetzt wird's ernst!

"Krone": Wasser, Gas, Parken: alles teurer, und jetzt auch noch die Hundesteuer. Verstehen Sie, dass die Wiener richtig sauer sind?
Vassilakou: Ja. Niemand zahlt gerne höhere Gebühren, auch ich nicht. Was ich nur zu bedenken gebe: Wir haben in Wien eine sehr, sehr hohe Qualität bei sehr vielen Dienstleistungen. Nur ein Beispiel für alle Hundebesitzer: Wenn in einer Stadt alle paar Hundert Meter ein Sackerlspender steht und nie einer leer ist, dann kostet das Geld, und ein Teil dieses Geldes muss zurückkommen.

"Krone": Wir sprechen von Erhöhungen um 33 bis 70 Prozent.
Vassilakou: Dazu muss man sagen, dass man halt viel zu lange nicht erhöht hat – da könnte jetzt eine leise Kritik an meinem Koalitionspartner mitschwingen.

"Krone": Aber Sie als Grün-Politikerin trifft die Wut der Wiener stärker als Michael Häupl.
Vassilakou: Ich gehe davon aus, dass sie alle trifft. Aber noch größer wäre die Wut, wenn das sehr hohe Niveau, das die Wienerinnen und Wiener gewöhnt sind – die tolle Wasserqualität, die verlässliche Müllabfuhr –, auf einmal nicht mehr da wäre. Deshalb stehe ich zu den Gebührenerhöhungen. Alles andere wäre in einer Zeit, in der die Sozialhilfe und Pflegekosten explodieren, populistisch und verantwortungslos.

"Krone": Auch beim Thema Steinhof haben Sie sich nicht besonders engagiert. Warum?
Vassilakou: Das ist ein ungerechter Vorwurf. Die Grünen haben schon 2006 gegen die Umwidmung und Veräußerung des Areals gekämpft. Dass wir eine beliebte Adresse sind, wenn Unterstützung erhofft wird, verstehe ich. Aber auch ich kann und will den Rechtsstaat nicht aussetzen. Ich bin keine Wunder vollbringende Madonna. Was mir möglich war, wurde geleistet. Der Bürgermeister hat die Notbremse gezogen und mir übertragen, beim Otto-Wagner-Spital einen Neustart zu machen.

"Krone": Stichwort Bürgermeister: Ihre Zusammenarbeit war bis zum heutigen Tag friktionsfrei. Sind Sie als Koalitionspartner zu zahm?
Vassilakou: Weder bin ich zahm noch bin ich wild. Ich wehre mich entschieden gegen alle diese Labels. Mir geht es darum, das Regierungsabkommen umzusetzen: Klimaschutz, Verkehrsberuhigung, erneuerbare Energien.

"Krone": Die Feinstaub-Werte waren in Wien drastisch erhöht. Warum haben Sie nicht wie andere europäische Bürgermeister ein Fahrverbot durchgesetzt?
Vassilakou: Das Wiener Maßnahmenpaket zur Feinstaubbekämpfung enthält hochwirksame Maßnahmen: kräftige Anhebung der Parkgebühren inklusive einer ordentlichen Gebietsausweitung. Anlassbezogene Fahrverbote kämen somit als letzte Maßnahme infrage, wenn alles andere nicht greift. Mir ist es nicht genug, wenn hin und wieder ein Tag autofrei ist, ich will in einer Stadt leben, in der 365 Tage feinstaubfrei sind – durch verkehrsberuhigende Maßnahmen.

"Krone": Erkennt man nach einem Jahr schon Ihre grüne Handschrift?
Vassilakou: Einige erkennen sie schon so klar, dass es mir bereits einen Misstrauensantrag im Gemeinderat eingebracht hat. Mir persönlich geht nie etwas schnell genug.

"Krone": In den Umfragen liegt Heinz-Christian Strache vorn. Können Sie es sich leisten, dass vieles zu langsam geht?
Vassilakou: Das richtige Tempo diktieren nicht irgendwelche Umfragen, das richtige Tempo diktieren die Bürger mit ihren Reaktionen und auch der eigene Instinkt. Unsere Bilanz ist beachtlich: Öffi-Jahreskarte um 80 Euro billiger, Parkraumbewirtschaftung weitestgehend erledigt, neues Gebührenmodell für den Klimaschutz, ab Jänner startet die Carsharing-Initiative, ab April Tempo 30, und im Sommer wird der erste Teil der Mariahilfer Straße autofrei sein.

"Krone": Woran messen Sie letztlich Ihren Erfolg?
Vassilakou: Meinen persönlichen Erfolg messe ich am Modal Split (die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmitteln, Anm.): 2015 sollen 40 Prozent der Wiener mit den Öffis fahren, zehn Prozent mit dem Rad und nur noch 20 Prozent mit dem Auto. Den Erfolg der Grünen messe ich am nächsten Wahlergebnis.

"Krone": Frau Vassilakou, tut es Ihnen als gebürtiger Griechin weh zu sehen, wie schlecht es Ihrem Heimatland geht?
Vassilakou: (Denkt sehr lange nach.) Es lässt mich nicht ungerührt, wie es jungen Menschen in vielen südlichen Ländern derzeit geht: erschreckende Arbeitslosenraten, kaum Zukunftsperspektiven. Das bewegt.

"Krone": Sie sind der Frage ausgewichen.
Vassilakou: Meine Herkunft ist Teil meines Privatlebens. Ich lebe seit 25 Jahren in unserer Stadt, kämpfe hier für Menschenrechte, für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit. Mein Herzblut gehört Wien.

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