Amtsmissbrauch

Verfahren gegen Kampusch-Ermittler eingestellt

Österreich
24.11.2011 12:40
Das Verfahren gegen jene fünf Staatsanwälte, denen im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall Natascha Kampusch amtsmissbräuchliches Verhalten unterstellt wurde, ist eingestellt worden. Das gab das Justizministerium am Donnerstag bekannt.

Die Tiroler Strafverfolgungsbehörden hatte gegen die fünf Ankläger auf Basis von Anschuldigungen des ehemaligen OGH-Präsidenten Johann Rzeszut - er war Mitglied in der Kampusch-Kommission - ermittelt, der ihnen schwere Versäumnisse vorgeworfen hatte.

Rzeszut unterstellte den Staatsanwälten - darunter der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Werner Pleischl, sowie der ehemalige Kampusch-Sonderermittler und jetzige Grazer Staatsanwaltschafts-Chef Thomas Mühlbacher -, wissentlich Ergebnisse der Polizeiarbeit ignoriert und sich frühzeitig auf Wolfgang Priklopil als Einzeltäter festgelegt zu haben.

Forderung nach U-Ausschuss
"Wenn im Rahmen der Justiz solche Vorfälle, solche Verfahrensabläufe möglich sind, dann schreit das nach einer Kontrolle, dann ist das die Wahrnehmung jener Verantwortung, die die Verfassung dem Parlament auferlegt", hatte der frühere OGH-Präsident zuletzt eine parlamentarische Untersuchung gefordert.

Genugtuung und Erleichterung bei Pleischl
Pleischl reagierte mit Genugtuung und Erleichterung auf die Einstellung des Verfahrens gegen ihn und vier Kollegen. "In diesem Fall ist allen Verdachtsmomenten nachgegangen worden. Insbesondere der Vermutung, es könnte neben Wolfgang Priklopil einen zweiten Täter gegeben haben", betonte Pleischl zum wiederholten Male.

In diesem Zusammenhang habe man speziell die Aussage einer ehemaligen Mitschülerin von Natascha Kampusch "sehr ernst genommen", die angegeben hatte, sie habe bei der Verschleppung der damals Zehnjährigen einen zweiten Mann wahrgenommen, während das Entführungsopfer nach der geglückten Flucht stets nur von einem Einzeltäter gesprochen hatte.

"Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Zeugenaussagen differieren", so Pleischl. Man sei der Aussage der Zeugin "und allen sinnvollen Beweisansätzen auf einen möglichen zweiten Täter" nachgegangen. "Die entsprechenden Hinweise wurden entweder widerlegt oder konnten zumindest nicht erhärtet werden." Auch Sachbeweise, die auf einen Komplizen Priklopils hingedeutet hätten, fanden sich nicht.

Offene Unterstellungen, die Strafverfolgungsbehörden könnten in dieser Causa etwas vertuscht haben, sind für Pleischl empörend. "Mit dieser Sache waren die Wiener Polizei, die Sonderkommission im Burgenland, das Bundeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Wien, die Oberstaatsanwaltschaft Wien, der Grazer Oberstaatsanwalt Mühlbacher und zuletzt die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck befasst. Was hätten wir für ein Interesse, Kinderschänder zu decken? Es ist nicht denkbar, dass wir so jemanden decken! Wenn wir als Staatsanwaltschaft ein so schreckliches Verbrechen aufdecken können, tun wir es."

Karl lässt "Double-Check" durchführen
Trotz der Verfahrenseinstellung will die zuständige Ministerin Beatrix Karl in der Angelegenheit jeden Zweifel an den Ermittlungen der Justiz ausräumen. "Ich habe mich dazu entschlossen, einen Double-Check durchzuführen, und die Staatsanwaltschaft angewiesen, den gesamten Akt dem Rechtsschutzbeauftragten der Justiz zur neuerlichen Prüfung zukommen zu lassen", so die Justizministerin.

"Ich vertraue den Staatsanwaltschaften, dennoch soll nicht der leiseste Verdacht von Ungereimtheiten bei den Ermittlungen übrig bleiben. Ich will hundertprozentige Sicherheit. Nicht zuletzt geht es auch darum, das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zu stärken", teilte Karl in einer Aussendung mit. Der Forderung nach einem parlamentarischen U-Ausschuss steht Karl aus Gründen des Opferschutzes skeptisch gegenüber.

Pilz beklagt "Persilschein" für Staatsanwälte
Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz und BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler fordern diesen Ausschuss hingegen vehement. Die Verfahrenseinstellung gegen die Staatsanwälte sei eine "geringe Überraschung", so Pilz. "Zum wiederholten Male stellen sich Staatsanwälte gegenseitig Persilscheine aus. Nach wie vor besteht keine Bereitschaft, die Unterlassungen und Vertuschungen im Bereich der Staatsanwaltschaft ernsthaft zu untersuchen. Die Regierungsjustiz der Schüssel-Grasser-Ära wird damit nach wie vor durch das Justizministerium geschützt."

Stadler ortet einen "Justizskandal" und "offensichtliche Scheinermittlungen". "Unter dieser laschen ÖVP-Justizführung ist nicht einmal die aktuelle Einstellung verwunderlich. Tatsache ist, dass Fakten einfach wegargumentiert wurden", heißt es in einer Aussendung des BZÖ-Abgeordneten.

Der Fall Natascha Kampusch
Natascha Kampusch war im Alter von zehn Jahren in Wien auf dem Schulweg entführt und mehr als acht Jahre von Wolfgang Priklopil in einem Kellerverlies in Strasshof gefangen gehalten worden. Im August 2006 gelang ihr die Flucht, ihr Kidnapper nahm sich daraufhin das Leben.

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