Wall-Street-Thriller

Mechanismen der Gier: “Margin Call – Der große Crash”

Kino
07.12.2011 16:49
"Margin Call - Der große Crash" (Kinostart: 8. Dezember) ist ein hochkarätig besetzter Krimi über die Auslösefaktoren großer Finanzkrisen. Seit jeher war die Chronik der Wall Street von Zusammenbrüchen geprägt. Ein historischer Rückblick als Einführung zu einem genialen Film, der Kevin Spacey, Jeremy Irons und Demi Moore an die Grenzen des Wall-Street-Kapitalismus stoßen lässt.

Geld frisst Geld. Spätestens seit dem Lehman-Brothers-Desaster, seit der Pleite der traditionsreichen Investmentbank, ja seit der vorübergehenden Zwangsverstaatlichung von US-Banken, ist die Wall Street nicht mehr das, was sie einmal war. Der Umschlagplatz weltweiten Kapitals ist zur Risikomeile geworden. Und die, die vor der Börse, der berühmten New York Stock Exchange (NYSE), mit einem hoffnungsfrohen Lächeln posieren, sind meist nur Touristen.

Es waren vornehmlich holländische Siedler gewesen, die 1652 Wälle zum Schutz vor indianischen Stämmen und Atlantik-resistenten Engländern auf der Südspitze des heutigen Manhattan errichteten. So nimmt auch die Wall Street Gestalt an - ein Wall aus Erde, befestigt mit dicht nebeneinander gerammten Pfählen. Das trutzige Bollwerk wird wieder verfallen, eine Markthalle und eine Kneipe finden ihren Platz und 1789 wird der freie Handel mit Staatsanleihen zugelassen. Nur drei Jahre später greifen die Mechanismen der Vermehrung des gegenseitigen Reichtums. Der Kauf und Verkauf von Wertpapieren beginnt - an der Wall Street.

Schon im Jahr der Gründung der New Yorker Börse, 1792, gerät die Bank von New York arg in Bedrängnis. Die Banker haben sich mit Bodenspekulationen übernommen. Die Gier wird zur unberechenbaren Größe. 1837 erfolgt der erste Crash wegen des überhitzten Immobilienmarktes, 1857 verunsichert der zweite als Folge von Eisenbahnfieber und Goldrausch, 1873 erschüttert der Gründercrash die Wall Street. Die Weltwirtschaftskrise und der 11. September 2001 sind weitere drastische Zäsuren. Die glorreichen Namen der Ururur-Wall-Street-Kapitalisten, wie Astor, Vanderbilt, Carnegie oder Rockefeller haben längst an Glanz verloren.

Gefährliches Monopoly-Spiel
Ein Film, der das seit 2008 allgegenwärtige Gespenst der Finanzkrise brillant und atmosphärisch packend schildert - und das mit Starbesetzung -, kommt nun in unsere Kinos: "Margin Call - Der große Crash". Die moderne Welt des Mammons ist ein in sich geschlossener Kosmos, wo Geld fast ausschließlich über Internetleitungen fließt und virtuell verbucht wird. Ein gefährliches globales Monopoly-Spiel, das schnell zu Riesenverlusten führen kann.

Regiedebütant und Drehbuchautor J. C. Chandor ist ein echter Insider. Sein Vater arbeitete wie der von Oliver Stone an der Wall Street. Chandor: "Das Spekulationsgeschäft ist mittlerweile derart abstrakt und vom tatsächlichen Geldwert losgelöst, sodass das immense Risiko faktisch ständig in einem hypothetischen Raum schwebt. Es sind ja nur Zahlenschiebereien auf flimmernden Bildschirmen in gläsernen Türmen. Und wie man sieht, verlieren oft auch vermeintliche Experten den Überblick - und die erforderliche Kontrolle."

Kühler Blick auf einen Firmenabsturz
Anders als Oliver Stones "Wall Street", ein Melodram über Aufstieg und Fall eines einzelnen Finanzhais nebst romantischen Exkursionen, ist "Margin Call" der kühle Blick auf einen Firmenabsturz, der die latente Finanzkrise nur allzu spürbar macht. Das Abstrakte der Geldwirtschaft wird konkret, wenn Mitarbeiter entlassen werden, um finanzielle Mittel freizumachen. Doch bevor der geschasste Risikoanalyst mit seinem Büro-Karton unter dem Arm den Weg in die Unsicherheit antritt - ein Bild, das das neue Amerika ebenso prägt wie einst der in den Sonnenuntergang reitende Cowboy das alte -, spielt er einem jungen Kollegen - überzeugend: Zachary Quinto - Daten zu, die glasklar den Ruin der Firma belegen. Denn die Bewertungen hochriskanter Hypothekenpapiere sind fehlerhaft oder manipuliert. Gewinnkurven stürzen ins Bodenlose, Prognosen sind im selben Moment haltlos.

In den folgenden 24 Stunden wird sich dieser extrem fesselnde Streifen auf Schadensbegrenzung, Krisenmanagement, Ränkespiele um Macht und Einfluss - einem Shakespears'schen Königsdrama gleich, in dem enorme Egos zerplatzen - konzentrieren. Und das mit einer Topbesetzung: "The Mentalist"-Star Simon Baker, Paul Bettany, Jeremy Irons und vor allem Kevin Spacey als moralische Instanz liefern ausgesprochen starke Auftritte. Demi Moore beweist toughe Seiten in einer Geldmännerwelt. Von katastrophalen Folgen für den ganzen Markt ist die Rede. Und dann fällt der eine Satz eines Börsenmaklers, der es beinhart auf den Punkt bringt: "Das wird Auswirkungen auf echte (!) Menschen haben!"

Während sich ein Michael Douglas alias Gordon Gekko in "Wall Street" in den Duft des Geldes wie in ein schwereres Eau de Toilette hüllte, versteht sich "Margin Call" als beinhart nüchterne Nahaufnahme der Mechanismen der Gier und ihren Auswirkungen. Und es bleibt die Erkenntnis: Geld frisst Geld.

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