Um 12.000 Euro

Türkei: Künftig Freikauf vom Wehrdienst möglich

Ausland
22.11.2011 14:54
"Jeder Türke wird als Soldat geboren", lautet ein oft gehörtes Sprichwort in dem Land am Bosporus. Doch das wird sich nun ändern: Für umgerechnet 12.000 Euro können sich Männer im Alter von über 30 Jahren, die noch nicht eingezogen wurden, künftig vom Dienst beim Militär freikaufen, verkündete Premier Recep Tayyip Erdogan am Dienstag. Kritiker beklagen, dass die Aktion nur den Reichen zugutekommt.

Nach dem Gesetz muss jeder gesunde türkische Mann zwischen 20 und 40 Jahren für 15 Monate zum Wehrdienst - ausgenommen Universitätsabsolventen, die nur sechs Monate dienen. Eine Möglichkeit der Verweigerung gibt es nicht. Die Neuregelung, die nach Angaben des Verteidigungsministeriums bis zu 460.000 Männer betrifft, könnte dem Staat künftig Mehreinnahmen in Milliardenhöhe bringen. Das Geld soll laut Erdogan für die soziale Unterstützung von Familien gefallener Soldaten und von Kriegsversehrten verwendet werden.

Es wird mit einem Ansturm von Interessenten für den Freikauf gerechnet, weil der Wehrdienst in der Türkei für die Rekruten wegen des Kurdenkrieges potenziell lebensgefährlich ist. Über Wochen hatte Erdogans Regierung hinter den Kulissen mit den Militärs verhandelt, die sich gegen das Freikauf-System stemmten. Nicht nur die Generäle, die eine Aushöhlung des Wehrpflichtprinzips befürchten, sind skeptisch.

Fördert Freikauf soziale Ungerechtigkeit?
Auch andere Kritiker erklärten, nun könnten sich die Reichen freikaufen, während die Armen weiter zur Armee und ihr Leben riskieren müssten. "Schon jetzt sterben im Kampf gegen die PKK nur Söhne armer Familien, nicht die Söhne der Reichen oder der hohen Staatsbeamten", meinte etwa Mehmet Güner, Chef des "Verbandes der Märtyrer-Familien". Als "Märtyrer" werden in der Türkei gefallene Soldaten bezeichnet.

Nach Güners Beobachtung nutzen wohlhabende Familien ihre Verbindungen, um ihren Söhnen ungefährliche Wehrdienstposten zu verschaffen. Dieses Ungleichgewicht wird mit dem Freikauf-Plan noch wachsen, ist Güner überzeugt. "Die Armen bekommen auch keine Kredite von den Banken, denn sie haben keine Sicherheiten", sagt er. Güner glaubt, dass die Erdogan-Regierung die Regelung einführt, um sich Wählerstimmen aus der wachsenden türkischen Mittelschicht zu sichern.

Kleinere und professionellere Armee als Ziel
Türken in Deutschland und Österreich konnten sich bisher schon gegen die Zahlung von Devisen vom Wehrdienst freistellen lassen. Im Rahmen der Neuregelung fällt nun auch eine Altersmindestgrenze für den Freikauf bei Auslandstürken weg. Zudem müssen sie sich nach Zahlung von 10.000 Euro nicht mehr einer dreiwöchigen Grundausbildung unterziehen.

Hintergrund der Militärreformen ist, dass die Regierung in Ankara den Kampf gegen die PKK künftig in die Hände von Berufssoldaten legen will. Überhaupt soll die türkische Armee, mit 600.000 Mann die zweitstärkste NATO-Truppe nach der US-Armee, kleiner, professioneller und beweglicher werden.

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