Projekt "CyberRat"

Wissenschaftler entwickeln Prothese fürs Gehirn

Wissenschaft
18.11.2011 16:59
Nach schweren Kopfverletzungen können Gehirnfunktionen in Mitleidenschaft gezogen sein. Mit Möglichkeiten zur Kompensation gestörter neuronaler Funktionen setzte sich ein internationales Forscherkonsortium unter Beteiligung der steirisch-oberösterreichischen Firma g.tec auseinander. Im Projekt "CyberRat" konnten die Wissenschaftler mit einer sogenannten neuronalen Prothese nun erstmals den Lidschlussreflex einer Ratte ersetzen.

Der Verlust von Gehirnfunktionen sei gut mit der Amputation eines Beines vergleichbar, so der Computerwissenschaftler Robert Prückl von g.tec. Eine Prothese könne in so einem Fall verlorene Funktionen zumindest teilweise ersetzen. Im neuronalen Bereich gibt es solche Möglichkeiten bis dato aber nicht.

Brain Computer Interfaces (BCI) - also die Verbindung des Gehirns mit dem Computer - liefern nun erste Ansätze, um verloren gegangene Fähigkeiten sozusagen an einen Rechner oder Chip auszulagern. Das würde heißen, dass "eine nicht mehr vorhandene oder beschädigte Gehirnfunktion durch einen Algorithmus nachgebildet und diese Funktion dann lückenlos ersetzt wird", so Prückl.

Prinzipielle Machbarkeit demonstriert
Das Projekt sei als "Proof of Concept" ausgelegt gewesen, bei dem es darum ging, eine wissenschaftlich gut beschriebene und einfache Funktion auszuwählen, anhand derer die prinzipielle Machbarkeit des Ansatzes demonstriert werden kann. Die Wissenschaftler entschieden sich für den Lidschlussreflex der Ratte, da die neuronalen In- und Outputs zu diesem Reflex in den vergangenen 30 Jahren weitgehend aufgeklärt wurden.

Die Forscher um den Psychologen Matti Mintz von der Tel Aviv University setzten den Ratten drei Elektroden genau an den Stellen ein, wo die maßgeblichen Signale für den Reflex ein- und ausgehen. Die für die Verarbeitung zuständige Region im Kleinhirn der Tiere wurde vorher zerstört.

Und so funktioniert die neuronale Prothese: Der neuronale Input, also der Befehl des Gehirns zum Schließen des Lids, wird mit einem Biosignalverstärker abgenommen. Dieses Eingangssignal wird bei der "CyberRat" in einem Computer umgerechnet und in die richtigen Ausgangssignale übersetzt. Diese werden dann zurück an die entsprechenden Nervenzellen gemeldet und lösen in weiterer Folge das richtige Verhalten - in diesem Fall das Schließen des Lids - aus.

Schnelle Verarbeitung von Daten als Herausforderung
Für Prückl war das Projekt "eine große Herausforderung". Der Computerwissenschaftler war einerseits für die Koordination verantwortlich, andererseits steuerte g.tec das System bei, das die Umrechnung der Signale in Echtzeit - also ohne Zeitverlust - leistet. Das sei ein Kernstück des Projekts gewesen, da es sehr schwierig sei, eine derart schnelle Verarbeitung der Daten sicherzustellen. Erforderlich dafür sei das "nötige Handwerkszeug" sowie "genügend genaue Signalverstärker, Elektroden die klein genug sind und trotzdem Signale qualitativ gut abbilden, Systeme, die die Informationen in Echtzeit abarbeiten können und präzise Elektrostimulatoren, um die Informationen wieder ins Gehirn zu transportieren".

Das im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU geförderte Projekt, an dem neben den israelischen und österreichischen Wissenschaftlern noch zahlreiche weitere europäische Forscher beteiligt waren, ist nun abgeschlossen. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse seien aber weitere Experimente geplant. "Wir wollen das auf jeden Fall weiter betreiben und die Systeme perfektionieren." Künftig wird es vielleicht möglich sein, auch komplexere Funktionen nachzubilden, was aktuell aber noch "Zukunftsmusik" sei, wie Prückl resümierte.

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