Kein "Maulkorb"

Vorerst kein Rating-Verbot für Euro-Schuldenstaaten

Ausland
15.11.2011 21:15
Die EU-Kommission hat die geplante strengere Regulierung der einflussreichen Ratingagenturen entschärft. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier (im Bild) konnte sich mit seiner Forderung nach einem temporärem Rating-Verbot für Euro-Krisenstaaten innerhalb der Kommission nicht durchsetzen.

Barnier hat bei der Präsentation seines Vorschlags zu den Ratingagenturen im Europaparlament in Straßburg jedenfalls mehr politische Souveränität gefordert. "Wir brauchen wieder politische Souveränität, damit wir nicht unter die Räder des Finanzmarktes geraten", sagte der EU-Kommissar. Deswegen sei die Regulierung der Ratingagenturen notwendig. "Vor drei Jahren haben wir erleben müssen, dass die Ratingagenturen Bestnoten für toxische Produkte abgegeben habe oder gute Noten für Banken, die am nächsten Tag bankrott gegangen sind."

Strenge Regeln geplant
Dabei unterstrich Barnier fünf Punkte seines Vorschlags. So müsse zunächst die Abhängigkeit von Bewertungen durch Ratingagenturen gesenkt werden. Dabei betonte der Kommissar, dass alle Finanzinstitute grundsätzlich ihre eigene Risikoevaluierung machen sollten. Erst danach sollten sie sich gegebenenfalls an Ratingagenturen wenden. Zweitens müsse es "strenge Regeln bei der Bewertung von Staatsschuldentiteln" geben. Er wolle alle sechs Monate regelmäßige Bewertungen erhalten, im Vergleich zu derzeit zwölf Monaten.

Wenn Bewertungen zu Staatsschuldentiteln erfolgten, müsse die Agentur auch den Informationsbericht dazu veröffentlichen. "Es geht ja darum, Ratingagenturen stärker in die Pflicht zu nehmen." Die betroffene Regierung müsse 24 Stunden vor der Veröffentlichung informiert werden.

Weitere Diskussionen nötig
Sein Vorschlag einer zeitlichen Aussetzung der Bewertung von Staatsanleihen "in bestimmten Fällen und unter bestimmten Umständen" bedürfe noch weiterer Diskussionen, konzedierte Barnier. Er habe die Idee deswegen geboren, weil Portugal und Griechenland nur jeweils einen Tag, nachdem ihre nationalen Sparprogramme verabschiedet wurden, von Ratingagenturen trotzdem herabgestuft worden seien.

"Und Bewertungsnoten, die einfach so erfolgen, ohne irgendwelche Erläuterungen, die können zu noch größerer Instabilität führen. Vor allem bei den Ländern, die unter den Solidaritätsplänen von EU und IWF stehen." Es gehe für ihn darum, dass die Konsolidierungsprogramme für diese Länder "unbehelligt" durchgeführt werden könnten. "Auf jeden Fall werden wir diese Frage in der Zukunft nochmals aufgreifen."

Wirbel um irrtümliche Abwertung Frankreichs
Angesichts der jüngsten Aufregung um ein Falschrating Frankreichs (siehe auch Infobox) durch die Agentur Standard & Poor's (S&P) schaltete Barnier auch den Rechtsdienst ein. So gehe es darum, dass ein paar Akteure auf den Finanzmärkten im Voraus informiert worden seien, vor dem Staat oder vor dem Institut, das Gegenstand der Bewertung ist. "Das bereitet Probleme vor allem hinsichtlich von Insiderwissen und einer möglichen Spekulation mit Staatssschuldentiteln."

Ein dritter Punkt seines Vorschlags betrifft die Unabhängigkeit der Agenturen, die Vielfalt der Bewertungen und Interessenskonflikte. So soll, wenn jemand mehr als zehn Prozent einer Agentur halte, nicht bewertet werden können. Außerdem sei eine Rotation notwendig. Alle drei Jahre oder sechs Jahre, wenn zwei Agenturen bewerten, sollen komplexe Finanzprodukte bewertet werden.

Mehr Transparenz gefordert
Viertens gehe es um Transparenz und die Vergleichbarkeit von Bewertungen. Dabei sprach Barnier von einem "aggregierten Index", der die Bewertungen harmonisiere. Fünftens sei die Haftungsfrage angeführt. Wenn es wirklich grob fahrlässiges Handeln von Ratingagenturen gebe, müsse es den Weg zum Gericht samt finanzieller Entschädigungen geben.

Barnier sagte, es handle sich nicht um ein Verbot von Fusionen von Ratingagenturen. "Ich würde sogar die Fusion befürworten." Er habe aber lediglich zusätzlich vorgeschlagen, dass eine Agentur mit mehr als 20 Prozent Marktanteil in Europa nicht noch weitere Agenturen zukaufen könne". Dieser Vorschlag sei aber nun nicht mehr enthalten, "vielleicht später".

Auf die Gründung einer unabhängigen Agentur angesprochen sagte der Kommissar, diese würde bis zu 500 Millionen Euro kosten. "Das haben wir nicht sofort zur Verfügung." Derzeit wolle er lieber an den bestehenden Agenturen arbeiten. Mittlere und kleinere könnten sich aber zu einer größeren verbinden.

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