Tiroler NS-Opfer
Grabungen beendet - 221 Skelette von Friedhof geborgen
"Wir haben bereits ein Drittel der Skelette näher untersucht. Von diesen weist die Hälfte Rippenbrüche auf, die auffälligerweise nicht in den Krankenakten notiert wurden", sagte der Anthropologe George McGlynn (Bild rechts). Bis zum Jahr 2013 soll die wissenschaftliche Aufarbeitung abgeschlossen sein.
Verletzungen durch Gewalteinwirkung
Neben Rippenbrüchen habe man auch Nasen- und Schlüsselbeinbrüche festgestellt, die ebenfalls nicht dokumentiert worden seien, führte McGlynn weiters aus. "Die ursprünglichen Zahlen haben sich also verfestigt. Aufgrund erster Ergebnisse können wir zudem sagen, dass die meisten Patienten mit Rippenbrüchen sich ihre Verletzungen zu dem Zeitpunkt zugefügt hatten, als sie in Hall in Behandlung waren", meinte der Wissenschaftler von der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München. Er gehe davon aus, dass die Verletzungen aus Gewalteinwirkungen resultierten.
"Ich bezweifle aber, dass sie unmittelbar zum Tode führten", ergänzte McGlynn. Ob die Menschen der NS-Euthanasie zum Opfer fielen, habe man bisher noch nicht nachweisen können. "Ich trau mich das noch nicht zu sagen. Unter Euthanasie versteht man das bewusste Umbringen. Um das nachzuweisen, bedarf es noch vieler Untersuchungen", sagte der Historiker Oliver Seifert. Für ihn würden die Rippenbrüche in die Kategorie "Psychiatrie und Gewalt" fallen, meinte Seifert.
"Das jüngste Opfer ist 14 Jahre alt"
50 Prozent der Opfer würden aus Tirol stammen, 20 Prozent jeweils aus Vorarlberg und Südtirol und der Rest aus anderen Bundesländern sowie dem Ausland. "Von der Altersstruktur her haben wir kein eindeutiges Muster vorgefunden. Das jüngste Opfer ist 14 Jahre alt. Das Älteste weit über 90 Jahre", sagte McGlynn. Nach dem Geschlecht habe man bei den Toten eine 50 zu 50 Verteilung festgestellt. Bisher seien rund 130 Anfragen von möglichen Familienangehörigen eingegangen, von denen 20 den am Gräberfeld gefundenen Opfern "zuordenbar" gewesen seien, erklärte Historiker Seifert.
In der nunmehr beginnenden wissenschaftlichen Aufarbeitung konzentriere man sich laut den Experten auf die genaue Untersuchung im Labor sowie auf die Auswertung der Gebeine, der Krankenakten und die statistische Erfassung des Gräberfeldes und der "gesamten Psychiatrie". Zudem wolle man nach dem damaligen Personal der Anstalt forschen und die "übergeordnete politisch-adminstrative Ebene" beleuchten. Dabei spiele auch die "personelle Kontinuität nach 1945" eine wichtige Rolle.
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