Neue Machtspiele

Berlusconi hält Italien weiter in Geiselhaft

Ausland
13.11.2011 14:26
Mit dem Rücktritt Silvio Berlusconis geht eine politische Epoche zu Ende, die Italien zutiefst geprägt hat. Politischen Beobachtern zufolge wird sich der hyperaktive 75-jährige Milliardär jedoch keine goldene Pension in einer seiner Traumvillen in der Karibik oder an der Costa Smeralda auf Sardinien gönnen. Der "Cavaliere" dürfte in Zukunft weiterhin die Drähte der italienischen Politik ziehen.

Berlusconis Mitte-rechts-Partei "Volk der Freiheit" (PdL - Popolo della liberta) bleibt die stärkste Einzelgruppierung im römischen Parlament und daher ein Eckpfeiler für die Zukunft der Übergangsregierung um den ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti.

Außerdem bemühte sich Berlusconi auch zeitgerecht darum, einen engen Vertrauten in die neue Übergangsregierung "einzuschleusen". Um Berlusconis Unterstützung zu bekommen, musste Monti dem Ex-Premier versprechen, dass er den neuen Vizepremier bestimmen und über das Regierungsprogramm mitentscheiden darf. Für das Amt des Vizepremiers dachte Berlusconi an seinen Staatssekretär Gianni Letta, hieß es aus Regierungskreisen in Rom.

"Können Monti jederzeit stürzen"
Insidern zufolge denkt der Medienzar sogar an eine politische Revanche. "Wir können Monti jederzeit stürzen", meinte der Premier. Damit machte Berlusconi auch gleich klar, dass er sich nicht aus dem politischen Geschäft zurückziehen will. Einige Experten vermuten sogar, dass er bei den nächsten Parlamentswahlen als Spitzenkandidat seiner Mitte-rechts-Partei teilnehmen könnte - trotz bisherigen Dementis.

Dafür spricht außerdem ein Brief Berlusconis an die Teilnehmer am Kongress der Rechtspartei "La Destra": "Ich bin stolz auf das, was wir in diesen letzten dreieinhalb Jahren getan haben, die von einer internationalen Krise ohne Gleichen in der Geschichte gekennzeichnet waren. Ich hoffe, dass wir gemeinsam den Weg der Regierung wieder aufnehmen werden", betonte der zurückgetretene Ministerpräsident in seinem Schreiben an die Aktivisten der Rechtspartei.

Berlusconi will wieder an Spitze des Medienimperiums
Aber auch das Ruder seines Medienimperiums, das er wegen des politischen Engagements seinen erwachsenen Kindern überlassen hatte, will Berlusconi angeblich wieder übernehmen. Obwohl er als Premier stets Optimismus über eine baldige Überwindung der Schuldenmisere und Stagnation in seinem Land versprühte, bekommt auch Berlusconi in seiner Rolle als TV-Unternehmer die Folgen der Krise hart zu spüren. Rückgang bei den Werbeeinnahmen und den Einschaltquoten belasten seine Fernsehgruppe Mediaset.

Der Mediaset-Konzern erlebte seit Mai an der Mailänder Börse einen Absturz von über 40 Prozent. Der Unternehmensgewinn, der Ende 2010 noch 431 Millionen Euro betragen hatte, dürfte nach Schätzungen von Analysten wegen des schweren Rückgangs bei den Werbeeinnahmen auf 326 Millionen Euro fallen.

Endlich genug Zeit für Auftritte bei Gericht
Doch die sinkenden Werbeeinnahmen dürften Berlusconi wohl weniger Kopfzerbrechen machen, als die drohende Prozess-Welle, die mit voller Wucht über ihn hereinbrechen wird. Bisher konnte sich der Ex-Premier immer wieder geschickt aus der Affäre ziehen. Mit unzähligen Ausreden und wichtigen politischen Treffen rechtfertigte er sein Fernbleiben bei Prozessen. Nun dürfte er allerdings genug Zeit haben, um sich bei Gericht zu verantworten.

Derzeit laufen drei Prozesse gegen den Medienzaren, ein weiteres Verfahren steht vor der Tür. Am 23. November wird in Mailand der Ruby-Prozess fortgesetzt, bei dem Berlusconi im Zusammenhang mit der Sexaffäre um die damals minderjährige Marokkanerin Karima el-Marough alias Ruby vor Gericht steht. Am 28. November wird der Prozess wegen Bestechung seines ehemaligen Anwalts David Mills fortgesetzt, der Anfang nächsten Jahres zu Ende gehen sollte. Bei dem dritten Verfahren dreht sich alles um eine Steueraffäre im Zusammenhang mit seinem Medienkonzern Mediaset.

Stürmische Zeiten für Berlusconis Nachfolger
Die Zukunft des einstigen Premiers verspricht also alles andere als sorgenfrei zu werden, doch auch auf seinen Nachfolger kommen stürmische Zeiten zu. Das Ruder des Landes, das mit der tiefsten Schulden- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit konfrontiert ist, übernimmt der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti.

Keine einfache Aufgabe steht dem lombardischen Wirtschaftsprofessor bevor, der zehn Jahre lang Italien in Brüssel repräsentiert und sich als rigoroser Wettbewerbskommissar internationales Ansehen erworben hat. An der Spitze einer Übergangsregierung, die voraussichtlich bis zum regulären Ende der Legislaturperiode 2013 im Sattel bleiben soll, muss Monti Italiens verlorene Glaubwürdigkeit wieder aufbauen und das Vertrauen der Finanzmärkte in die Fähigkeit seines Landes gewinnen, den gewaltigen Schuldenberg abzubauen.

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