Kabinett steht

Athen: Ökonom Papademos ist neuer Premier

Ausland
10.11.2011 13:21
Die Übergangsregierung in Griechenland steht, neuer Ministerpräsident wird Lucas Papademos. Der 64-jährige international anerkannte Ökonom und Ex-Vizepräsident der Europäischen Zentralbank wurde am Donnerstag von Staatschef Karolos Papoulias als Nachfolger des zurückgetretenen Premiers Giorgos Papandreou präsentiert. Das von den Sozialisten und Konservativen unterstützte neue Kabinett wird am Freitag angelobt. Zuvor hatte ein tagelanges Tauziehen zwischen den beiden großen Parteien des Landes für schwere Irritationen gesorgt.

Papademos unterstrich nach seiner Nominierung, dass die griechische Wirtschaft vor riesigen Problemen stehe und das Land an einem Scheideweg angelangt sei. Die Beschlüsse, die seine Regierung fällen werde, würden entscheidend für das griechische Volk sein. Er sei aber zuversichtlich, dass die Probleme gelöst werden könnten.

Aufruf zu Einheit und Besonnenheit
Zugleich rief Papademos zur Einheit und zur Besonnenheit auf. Alle müssten ihren Beitrag leisten, um die Wirtschaft zu sanieren. Die neue Koalitionsregierung werde einen größeren Rückhalt als die bisherige Führung haben. Ihre Hauptaufgabe sei es, das mit den anderen Euro-Ländern vereinbarte Sparpaket umzusetzen.

Papandreou, der am Mittwoch bei Staatschef Papoulias offiziell seinen Rücktritt eingereicht hatte, sagte, Griechenland erhalte nun eine Regierung der nationalen Einheit bestehend aus Sozialisten und Konservativen. "Wir tun unsere Kräfte zusammen, damit wir in der Euro-Zone bleiben können." Er bezeichnete die Einigung seiner Partei PASOK mit der konservativen Nea Dimokratia unter Antonis Samaras als ein "historisches Übereinkommen", für Griechenland beginne damit eine "neue Ära".

Architekt des Beitritts zum Euro-Raum
Der schon im Vorfeld als Favorit gehandelte neue Premier Papademos (ausführliches Porträt in der Infobox) genießt internationales Ansehen als Wirtschaftswissenschaftler und Finanzexperte. Zudem ist der als besonnener Pragmatiker geltende Grieche als überzeugter Europäer bekannt. Auch in seinen Veröffentlichungen befasst er sich immer wieder mit der Währungsunion.

Der 64-Jährige war von 1994 bis 2002 Gouverneur der griechischen Staatsbank und gilt als Architekt des Beitritts Griechenlands zum Euro-Raum. Dafür genießt er im eigenen Land großen Respekt. Danach ging er zur Europäischen Zentralbank, wo er geldpolitisch als gemäßigt galt. Nach acht Jahren schied Papademos 2010 als EZB-Vizepräsident aus seinem Amt aus.

Vor seiner Karriere als Notenbanker, die 1985 begann, war Papademos Dozent an der Columbia University in New York und arbeitete als Volkswirt bei der Bostoner Zweigstelle der US-amerikanischen Zentralbank Fed. Der neue Premier ist ein Vertrauter und ehemaliger Berater Papandreous und war für die Neubesetzung des griechischen Finanzministers in diesem Jahr die erste Wahl, entschied sich dann aber doch gegen das Amt.

Angeblich mehrere Bedingungen gestellt
Laut griechischen Medien soll Papademos den Posten des neuen griechischen Ministerpräsidenten nur übernommen haben, weil Sozialisten und Konservative dem von der EU auferlegten Sparpaket zugestimmt hatten. Zudem hätte er die Bedingung gestellt, dass beide große Parteien ein Dokument unterzeichnen, mit dem sie sich verpflichten, das Spar- und Hilfsprogramm für Griechenland einzuhalten und es in die Tat umzusetzen. Außerdem hätte er sich die Möglichkeit offengehalten, über die für den 19. Februar 2012 geplanten Neuwahlen hinaus zu regieren. Wieviele seiner Forderungen Papademos dann tatsächlich durchsetzen konnte, ist noch unklar.

Übergangskabinett unter massivem Zeitdruck
Die Übergangsregierung braucht das Vertrauen des Volkes, will sie ihre Sparverpflichtungen einhalten und die Beschlüsse des Euro-Krisengipfels von Ende Oktober umsetzen. Athen steht unter immensem Zeitdruck: Das von der Pleite bedrohte Land hat nur noch bis Mitte Dezember Geld, die Löhne der Staatsbediensteten zu zahlen.

Die Auszahlung der nächsten Acht-Milliarden-Euro-Hilfstranche aus dem ersten Rettungspaket von EU, EZB und IWF in Höhe von 110 Milliarden Euro liegt derzeit auf Eis. Immerhin stellte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker in Aussicht, Ende November könnte das Geld überwiesen werden - falls sich die neue Regierung zum Sparkurs bekenne und die Gipfel-Beschlüsse umsetze.

Mehr als einmal hatten die Europäer den Griechen deutlich gemacht: Nun zählen nur noch Taten - und Unterschriften. Denn wie Papandreou am Mittwoch bekannt gab, wollen die internationalen Geldgeber fünf Unterschriften der Spitzen von Politik sowie Notenbank aus Athen haben, um weitere Hilfen zu zahlen. Griechenland soll garantieren, dass es allen seinen Verpflichtungen nachkommen wird.

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