Von Beruf Terrorist

“Carlos, der Schakal” in Paris erneut vor Gericht

Ausland
07.11.2011 12:03
Unter scharfen Sicherheitsmaßnahmen hat am Montag vor einem Pariser Sondergericht ein neuer Prozess gegen den Terroristen Ilich Ramirez Sánchez alias "Carlos, der Schakal" begonnen. Der 62-Jährige muss sich wegen vier Anschlägen in den 1980er-Jahren in Frankreich verantworten, bei denen elf Menschen starben und fast 150 weitere verletzt wurden.

Carlos sieht sich weiter dem revolutionären Kampf verpflichtet. "Ich bin von Beruf Revolutionär", antwortete der entspannt wirkende Venezolaner zum Prozessbeginn auf die Frage des Richters zu seiner Person. In Jeans gekleidet und mit einem Lächeln auf den Lippen präsentierte sich der einstige Top-Terrorist. Und streckte die geballte Faust zum revolutionären Gruß an einige Unterstützer.

Anschläge, um Freilassungen zu erpressen
Laut Anklage verübten Carlos uns seine Komplizen die vier Anschläge, um von den französischen Behörden die Freilassung zweier Anhänger seiner Terrorgruppe - Carlos' damaliger Ehefrau Magdalena Kopp und des Schweizers Bruno Breguet - zu erpressen.

Seine mitangeklagten mutmaßlichen deutschen Komplizen Christa Margot Fröhlich und Johannes Weinrich fehlen bei dem Prozess ebenso wie der flüchtige Palästinenser Ali al-Issawi. Weinrich wurde 2000 in Deutschland wegen eines Bombenanschlags zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Auslieferung wurde, wie auch die von Fröhlich, die sich seit 2001 in der Bundesrepublik aufhaltet, von Deutschland verweigert.

Verteidiger beanstandet sämtliche Beweise
Die beiden Pariser Verteidiger Carlos', dessen Ehefrau Isabelle Coutant-Peyre (am zweiten Bild neben Carlos) und Francis Vuillemin, beanstanden aber sämtliche von der Anklage vorgebrachten Beweise. Ein an den damaligen französischen Innenminister und Bürgermeister von Marseille gerichteter Brief, in denen Frankreich drei Tage Zeit gegeben wurde, Breguet und Kopp zu befreien, existiere bloß in einer Fotokopie.

Damit sei die Behauptung der Anklage hinfällig, auf dem Brief habe man die Fingerabdrücke von Carlos gefunden, so Vuillemin. Auch Kopps Zeugenaussage zulasten des Terroristen aus dem Jahr 1997 sei "nicht gültig", zumal sie zum Zeitpunkt der Ereignisse im Gefängnis saß.

Ehefrau: "Carlos wird niederträchtig behandelt"
Carlos' Ehefrau Coutant-Peyre beanstandet insbesondere die Umstände der Festnahme des Terroristen und dessen Haftbedingungen in Frankreich. Der Terrorist war im August 1994 von französischen Gemeinagenten festgenommen und nach Frankreich "entführt" worden. In Paris befinde er sich in Isolationshaft und werde "niederträchtig" behandelt, betonte die Anwältin und erinnerte daran, dass der 62-Jährige Ende Oktober einen zehntägigen Hungerstreik durchgeführt hatte, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren (siehe Infobox).

Der neue Prozess, der bis zum 16. Dezember geht, ist der erste, bei dem sich Ramirez Sanchez wegen Terrorismus verantworten muss. Für die Zukunft des Venezolaners wird der Ausgang keinen Unterschied machen: Er büßt wegen des Mordes an zwei Geheimdienstagenten und einem Verbindungsmann in den 1970er-Jahren bereits eine lebenslange Haftstrafe in Frankreich ab. Der größte Nutzen wird voraussichtlich darin bestehen, den Dutzenden Opfern und Hinterbliebenen, die in dem Verfahren als zivile Nebenkläger auftreten, Gerechtigkeit zu verschaffen.

Terrorist einer vergangenen Epoche
"Der Schakal" gehört einer Epoche und einer Art des Terrorismus an, die heute gar nicht mehr existieren. Die Diktatoren Saddam Hussein im Irak und Muammar al-Gadafi in Libyen, die Carlos einst "Arbeit" gegeben hatten, sind beide tot. Die kommunistischen Regime, die ihm Unterschlupf gewährten, sind gefallen.

Der Venezolaner war auch Kommandant des Terrorkommandos, das im Dezember 1975 die Zentrale der OPEC in Wien überfiel. Die Terroristen töteten drei Menschen und erzwangen die Verlesung einer antiisraelischen Erklärung im Radio, bevor sie mit einem Flugzeug und mehreren Dutzend Geiseln nach Algerien und anschließend nach Libyen flohen.

Österreichs Innenminister bewies "Handschlag-Qualität"
Auf ihrer Flucht wurde Carlos vom damaligen österreichischen Innenminister Otto Rösch auf dem Flugfeld in Schwechat per Handschlag verabschiedet, was diesem später heftige Kritik eintrug. Ramirez und seine fünf Kampfgefährten wurden in Österreich nie vor Gericht gestellt.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele