Angst vor Abwahl

Schuldenkrise lässt einige Regierungen zittern

Ausland
02.11.2011 14:02
Griechenlands Premier Giorgos Papandreou hat mit der angekündigten Volksabstimmung zum EU-Hilfspaket nicht nur der Union und den Börsen einen Schock versetzt, sondern auch die eigene Regierung destabilisiert. Aber nicht nur in Athen geht durch die Finanz- und Schuldenkrise die Angst vor der Abwahl um: In einigen EU-Ländern steht angesichts von unpopulären Sparprogrammen ein Machtwechsel bevor. Bereits in den letzten Monaten haben mehrere Regierungen ihren Platz räumen müssen.

In Griechenland wird nicht erst seit der Ankündigung einer Volksabstimmung über einen Rücktritt des sozialistischen Ministerpräsidenten Papandreou debattiert. Sollte das Referendum über das mit harten Sparauflagen verknüpfte Hilfspaket in Höhe von 109 Milliarden Euro (ohne privaten Anteil) scheitern, könnte es so weit sein. Papandreou, dessen Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) die Wahl im Oktober 2009 mit 44 Prozent gewonnen hatte, kämpft mit schwindender Unterstützung im Parlament, in seiner eigenen Partei und auch in der Bevölkerung. Streiks und Proteste finden regelmäßig statt. Die konservative Opposition verweigert hartnäckig die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit.

Die Mitte-Rechts-Regierung in der Slowakei ist wegen Uneinigkeit über den Euro-Rettungsschirm gestürzt. Ministerpräsidentin Iveta Radicova hatte die Abstimmung über die Ausweitung des EFSF mit der Vertrauensfrage verknüpft - und verloren. Die EFSF-Erweiterung passierte das Parlament dann in einem zweiten Votum. Bei den Wahlen im März nächsten Jahres will Radicova nicht mehr antreten. Ein Sieg der in Umfragen führenden linksorientierten Oppositionspartei Smer von Ex-Premier Robert Fico gilt als wahrscheinlich.

In Portugal, dem Empfängerland eines 78 Milliarden Euro schweren Hilfspakets von EU und Internationalem Währungsfonds, ist die sozialistische Regierung von Jose Socrates im Juni abgewählt worden. Die konservative Regierung von Pedro Passos Coelho setzt den drastischen Sparkurs fort und steht deswegen in der Kritik. Gewerkschaften protestieren gegen die Maßnahmen, für den 24. November ist ein Generalstreik geplant.

Die Schuldenkrise kostete auch Irlands Premierminister Brian Cowen das Amt. Das Land war in eine Banken- und Spekulantenkrise geschlittert und bekam im Vorjahr 85 Milliarden Euro von EU und IWF. Bei der Wahl im Februar löste die oppositionelle Fine Gael die langjährige Regierungspartei Fianna Fail ab. Fine-Gael-Chef Enda Kenny hatte im Wahlkampf Nachverhandlungen des Hilfspakets angekündigt. Als Regierungschef konnte Kenny eine Zinssenkung für die internationalen Hilfskredite erreichen, verfolgt die Sparmaßnahmen aber weiter. Die Experten-Troika aus EU, EZB und IWF attestierte Kenny unlängst eine solide Budgetpolitik.

Auch die Regierungskoalition in Italien ist angeschlagen. Streit mit dem rechtspopulistischen Bündnispartner Lega Nord und Druck aus Brüssel zur Verabschiedung von Sparpaketen und einer Pensionsreform sowie Rücktrittsaufforderungen, sinkende Umfragewerte sowie mehrere Justizverfahren unter anderem wegen Sex mit einer Minderjährigen setzen Ministerpräsident Silvio Berlusconi massiv unter Druck. Mehrere Euro-Länder fürchten, dass Italien mit einer Gesamtverschuldung von rund 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung das nächste Krisenland in der Währungsunion werden könnte. Staatspräsident Giorgio Napolitano sondiert bereits Möglichkeiten für eine Konzentrationsregierung aller Parlamentsparteien.

Der sozialistische spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero hat die Parlamentswahl in seinem Land um vier Monate auf den 20. November vorgezogen. Die konservative Volkspartei steht gemäß Umfragen vor einem historischen Wahlsieg. Aus Wut über die Wirtschaftskrise, die hohe Arbeitslosigkeit und den rigiden Sparkurs der Regierung Zapatero war die Bewegung der "Indignados" ("Empörten") entstanden, die Protestmärsche veranstaltete und die "Puerta del Sol" im Herzen von Madrid besetzt hielt. Spanien ist wegen seines Schuldenbergs in das Visier der Finanzmärkte geraten, musste aber keine internationale Hilfe beantragen.

Nach dem Sturz des sozialdemokratischen slowenischen Ministerpräsidenten Borut Pahor über ein Vertrauensvotum im September finden in Slowenien am 4. Dezember vorgezogene Parlamentswahlen statt. Pahor hatte sich nach dem Scheitern eines Pensionsreform-Referendums im Juni und dem Absprung von zwei Koalitionspartnern vergeblich um ein neues Mandat für die Umsetzung seiner Reformpolitik bemüht. Seit 2008 haben sich die Staatsschulden des früheren EU-Musterschülers verdoppelt, Ratingagenturen stuften Slowenien ab. Bei der Parlamentswahl bahnt sich ein politisches Erdbeben an: Pahors Sozialdemokraten müssen um den Verbleib im Parlament zittern, während zwei kürzlich gegründete Parteien mit dem konservativen Oppositionsführer Janez Jansa um den ersten Platz rittern.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat für ihre Führungsfunktion in der EU-Schuldenkrise zwar europaweit viel Lob eingeheimst, doch daheim hat sie einige Mühe, die Zustimmung zu den milliardenschweren Hilfspaketen für die schuldengeplanten Euro-Staaten sicherzustellen. Wegen Abweichlern im Regierungslager erreichte sie Ende September bei der Bundestags-Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm nur mit Mühe die "Kanzlermehrheit". Vor allem der ums Überleben kämpfende kleinere Koalitionspartner FDP versucht sich mit dem Thema Griechenland zu profilieren, doch auch die bayerische CSU beteiligt sich rege an der Debatte über einen Ausschluss Athens aus der Euro-Zone. Eine Mehrheit der Deutschen will Merkel nach der für 2013 geplanten Bundestagswahl nicht mehr als Kanzlerin.

Wenige Monate vor der Präsidentenwahl im Mai 2012 gibt es Sorge um Frankreichs Bonität. Präsident Nicolas Sarkozy musste sein Land unlängst auf neue harte Sparanstrengungen vorbereiten und die Wachstumsprognose Frankreichs senken. Sarkozy sitzt in einem Popularitätstief, seine bürgerliche Regierungspartei UMP zeigt Zerfallserscheinungen. Für Sarkozys sozialistischen Herausforderer Francois Hollande sind die Umfragewerte weitaus erfreulicher.

Auch im Nicht-Euro-Land Großbritannien scheint die seit 2010 amtierende Regierung von David Cameron nicht fest im Sattel zu sitzen. In der eigenen konservativen Partei regt sich Widerstand gegen den Premierminister. Und mit dem kleineren Koalitionspartner, den pro-europäischen Liberaldemokraten, gibt es Spannungen. Die Bankenrettung 2008 hatte Großbritannien in eine Schuldenkrise gestürzt. Gegen die rigiden Sparpläne protestierten Studenten, Lehrer, Zollbeamte, Justizmitarbeiter und Gewerkschaften. Im August zündeten Jugendliche in den Straßen Londons, Birminghams und anderer britischer Städte Häuser an und plünderten Geschäfte.

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