Neue Mittelschule

Regierung schafft Hauptschule endgültig ab

Österreich
25.10.2011 12:59
Das Gesetzespaket zum Vollausbau der Neuen Mittelschule, kurz NMS, ist in Begutachtung geschickt worden, gaben Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger am Dienstag nach dem Ministerrat bekannt. Mit dem Paket wird die Hauptschule endgültig abgeschafft, ab dem Schuljahr 2018/19 werden 70 Prozent der 10- bis 14-Jährigen an NMS unterrichtet. Faymann sprach von einem "wesentlichen Schritt", Spindelegger von einem "großen Reformwerk". Die Opposition hingegen zeigte sich wenig begeistert.

Mit dem Paket sollen bis zum Schuljahr 2015/16 alle 1.178 Hauptschulstandorte in NMS umgewandelt werden. Derzeit gibt es 434 derartige Einrichtungen. Der Vollausbau soll im Jahr 2018/19 abgeschlossen sein, laut Gesetzesplan werden dann etwa 238.000 Schüler die NMS besuchen. Für den Ausbau sind im Budget 2012 68 Millionen Euro vorgesehen. 2016 sieht der Plan 200 Millionen Euro vor, im Vollausbau 2019 sind 230 Millionen Euro budgetiert.

Insgesamt müssen für die Reform rund 200 Gesetze novelliert werden. Die Begutachtungsfrist läuft bis 27. November, noch vor Weihnachten soll das Gesetz laut Unterrichtsministerium den Ministerrat passieren. Der Parlamentsbeschluss ist für kommendes Frühjahr geplant.

"Wesentlicher Schritt", "großes Reformwerk"
Laut Faymann ist die Einigung ein "wesentlicher Schritt", man beweise, dass man der Bildungsreform eine besondere Bedeutung zuweise. Es sei die umfangreichste Neuerung im Regelschulwesen seit 1962, als mit den Polytechnischen Schulen ein neuer Schultyp eingeführt wurde.

Spindelegger sprach von einem "großen Reformwerk", damit sei Schluss mit den vielen Schulversuchen. Dies bedeute eine Aufwertung der Hauptschulen. Für die ÖVP besonders wichtig sei, dass das Gymnasium bestehen bleibe. Die wesentlichen Parameter seien die Qualität, sechs Stunden pro Woche für individuelle Förderungen sowie eine Differenzierung des Systems.

SPÖ-Forderung nach Gesamtschule bleibt
Faymann betonte, dass ungeachtet der Einigung auf die NMS der SPÖ-Plan einer Gesamtschule bestehen bleibe. Die NMS sei aber ein ganz wichtiger Bestandteil. Gleichzeitig betonte er, dass er betreffend der Gesamtschule den Koalitionspartner nicht überfordern wolle, dieser sei in dieser Frage ja anderer Ansicht. Spindelegger betonte dementsprechend auch, dass die NMS keinesfalls der Gesamtschule entspreche. Am Ende müsse jedenfalls herauskommen, dass es keinen Schüler gibt, der etwa nicht fehlerfrei seinen Lebenslauf schreiben könne.

Ministerin Schmied lobt "epochales Werk"
Bildungsministerin Claudia Schmied gab sich bei der Präsentation des Gesetzespakets erfreut: "Wir haben uns auf ein Jahrhundertprojekt und epochales Werk geeinigt - die Neue Mittelschule wird zur Regelschule." Schmied machte klar, dass die NMS eine Schule mit besonderer pädagogischer Qualität sei, mit der die Entscheidung über die weitere Bildungslaufbahn gezielt vorbereitet werde. Demnach werde die Neue Mittelschule eine Leistungsschule sein, bei der die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stünden. Großgeschrieben würden auch die Bereiche Entwicklungsbegleitung und Schulentwicklung: Die Schulstandorte würden gestärkt und "in die Lage versetzt, optimale Bedingungen für die Kinder herzustellen".

FPÖ: "Nur Hauptschulen mit neuem Namen"
Die Opposition zeigte sich naturgemäß wenig begeistert von der nunmehrigen Regierungsinitiative. FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz meinte: "Die totale Umwandlung aller Hauptschulen in Neue Mittelschulen bestätigt einmal mehr die freiheitliche Kritik an den NMS: Neue Mittelschulen sind nichts anderes als Hauptschulen mit neuem Namen." Dass das Ausbildungsniveau an den NMS vielfach sogar schlechter sei als in den dritten Leistungsgruppen vieler Hauptschulen, habe er, Rosenkranz, sogar schon in einer eigenen parlamentarischen Anfrage an das Unterrichtsministerium behandelt.

Weiters befürchtet Rosenkranz, dass nach den Hauptschulen als Nächstes die Gymnasien "im Schwarzen Loch Neue Mittelschule" verschwinden würden: "Freilich wird es auch danach noch Gymnasien geben, jedoch nur mehr in Form der jetzigen Oberstufen. Wohin sich das Bildungsniveau angesichts dieser Entwicklungen bewegen wird, ist also jetzt schon abzusehen. Der größte noch vorhandene Vorteil des österreichischen Schulsystems, die Differenzierung, wird so sukzessive abgeschafft."

Grüne: "System bleibt selektiv und ungerecht"
Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, erklärte: "Trotz neuer Kosmetik bleibt das Schulsystem in Österreich selektiv, leistungsfeindlich und ungerecht." Denn weiterhin komme es zur frühen Selektion mit neuneinhalb Jahren, und auch die Bildungschancen der Kinder blieben weiter abhängig vom Einkommen und dem Wohnort der Eltern. "Türschilder an Hauptschulen auszutauschen, ist keine Reform", so Walser.

Darüber hinaus werde im Budget für das Jahr 2012 deutlich, dass der vorliegende Kompromiss der Regierungsparteien noch nicht einmal finanziell unterfüttert ist. Den Neuen Mittelschulklassen sollten sechs zusätzliche Werteinheiten zur Verfügung stehen, der Unterricht müsste von Lehrern der Höheren Schulen gehalten werden. Beides sei budgetär nicht abgesichert. Laut Stellenplan würden die Zahlen der AHS- und BHS-Lehrer sogar sinken, bei den AHS-Lehrern seien 2012 um 240 Dienstposten weniger veranschlagt als 2010.

BZÖ: "Meilenstein wird zu einem Stolperstein"
Auch BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner ließ kein gutes Haar an dem Paket der Koalition: "Da für SPÖ-Unterrichtsministerin Schmied weiterhin die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen zentrales Ziel bleibt, für die ÖVP aber diese Debatte als beendet erklärt wurde, wird der nun angekündigte Meilenstein in der Bildungspolitik eher zu einem weiteren Stolperstein in dieser rot-schwarzen Koalition." Grundsätzlich, so Haubner, sollte man an der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen als "weiteres Schulmodell" festhalten. "Die Neue Mittelschule kann hingegen nur ein Kompromiss sein."

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