NR-Sondersitzung

Korruptionsaffären: Schlagabtausch im Hohen Haus

Österreich
13.09.2011 17:35
Der Nationalrat hat sich am Dienstag der Korruptionsaffären im staatsnahen Bereich angenommen. Auf Antrag der Grünen fand eine Sondersitzung statt, bei der Finanzministerin Maria Fekter Auskunft zu Telekom und Co. geben musste. Laut dem Grünen Peter Pilz rieche es bei den "schwarz-blauen Affären" nämlich überall nach "Regierungsjustiz, Plünderung und Korruption". Fekter wiederum erklärte, es sei "billigster Populismus", die Ära Schüssel anzupatzen. Die Oppositionsanträge auf Einrichtung eines U-Ausschusses wurden wie erwartet abgelehnt.

Unter Schwarz-Blau bzw. Schwarz-Orange wurde in Österreich ein "flächendeckendes System der Korruption" errichtet. Das finden zumindest die Grünen und wollten deshalb in einer Dringlichen Anfrage an Finanzministerin Fekter erfahren, wie es zu diesen Zuständen kommen konnte und was getan wird, um sie künftig zu vermeiden.

Zusätzlich verlangen alle drei Oppositionsparteien die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Affäre Telekom im Zentrum haben soll. Doch die entsprechenden Anträge von Grünen, FPÖ und BZÖ wurden allesamt abgelehnt. Jene von FPÖ und BZÖ wurden immerhin von der gesamten Opposition unterstützt, jener der Grünen nur vom BZÖ.

SPÖ und ÖVP: "Ermittlungen abwarten"
SPÖ und ÖVP erklärten während der Sitzung, dass sie zwar zu einer parlamentarischen Untersuchung bereit seien, aber zunächst noch weitere Ermittlungen der Justiz abwarten wollten.

Trotzdem sprach sich der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer im Zuge der Debatte dafür aus, dass sich alle fünf Parteien auf einen klaren Auftrag für einen U-Ausschuss einigen. Die Grünen beantragten daraufhin eine Sitzungsunterbrechung, die allerdings von SPÖ und ÖVP verhindert wurde. Der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (ÖVP) verwies auf die Möglichkeit, in der Präsidiale am Mittwoch einen allfälligen gemeinsamen Antrag zu besprechen. Abgelehnt worden war zuvor auch ein Entschließungsantrag des grünen Abgeordneten Werner Kogler zum Thema Offenlegung sämtlicher Parteispenden.

Pilz: "2000 tatsächlich 'Jahr der Wende'"
Als erster Redner der Debatte erklärte Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz, dass das Jahr 2000 mit dem Antritt der schwarz-blauen Regierung tatsächlich ein "Jahr der Wende" gewesen sei. Es habe sich um eine der größten Wenden der Nachkriegszeit gehandelt, nämlich eine "hin zur Parteibuchwirtschaft, zur Regierungsjustiz, zur Plünderung des öffentlichen Eigentums und zur Korruption". In der Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel habe es laut Pilz eine Arbeitsteilung gegeben, nämlich: "Alle Macht für die ÖVP - und möglichst viel Schmiergeld für die FPÖ."

Pilz hält es für undenkbar, dass Parlamentsklub und Regierungsmannschaften der ÖVP überhaupt nichts davon mitbekommen hätten, wie die Hälfte des Vermögens der Republik unter den Augen Schüssel "in schwarz-blauen Kanälen versickert ist". Das einzig erfolgreiche Projekt dieser Regierung sei "die Plünderung der Republik Österreich" gewesen.

"Die FPÖ hat am meisten von der KPdSU gelernt"
Den Freiheitlichen warf der Grünen-Mandatar "Kindesweglegung" vor: "Die Partei, von der die FPÖ am meisten gelernt hat, ist die KPdSU." Denn auch in der Sowjetunion habe man nach Machtwechseln die abgesetzten Repräsentanten aus den Fotos wegretouchiert. Das Gleiche passiere nun bei den Freiheitlichen. Lange habe es bei der FPÖ Bilder mit dem in die Buwog-Affäre verwickelten Walter Meischberger gegeben, wie er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache von links und rechts umarmt habe.

Was es nun zu tun gelte, sei eine Aufklärung sowohl durch die Gerichte als auch durch das Parlament. Zudem gelte es, sich mit der Rückabwicklung von Eurofighter-Verkauf und Buwog-Privatisierung Geld zurückzuholen, forderte Pilz. Der finanzielle Schaden gehe nämlich in die Milliarden, der Rechtsstaat sei in eine schwere Krise geführt worden. Am schwersten aber wiege der Schaden am Vertrauen in die ganze Politik. "Die Menschen in der Republik verlangen zu Recht die lückenlose Aufklärung aller schwarz-blauen Affären", so Pilz.

Fekter wirft Grünen "billigsten Populismus" vor
Insgesamt 31 Fragen stellte der grüne Klub Fekter, die bei ihrer Rede eine Offensivstrategie wählte und die ÖVP als jene Partei darstellte, die sich besonders gegen dubiose Vorgänge stelle. Fekter kündigte an, demnächst eine Regierungsvorlage zu präsentieren, die Provisionszahlungen im öffentlichen Bereich verbietet. Den grünen Eifer sah sie darin begründet, dass die Partei mit Attacken gegen Schwarz-Blau selbst in die Regierung eilen wolle. Den Skandal der ÖVP umhängen zu wollen, weise sie aufs Schärfste zurück: Die Ära Schüssel anzupatzen, sei "billigster Populismus". Alle untersuchenswerten Vorgänge beträfen Politiker von FPÖ und BZÖ bzw. ehemalige Unternehmensvorstände, die nicht der ÖVP zuzurechnen seien.

Die "im Raum stehenden Machenschaften", die sich offenbar vor Jahren in der Telekom abgespielt hätten, verurteilte Fekter. Sie erwarte nun eine lückenlose Aufklärung, in deren Rahmen die Telekom bei diesem "dunklen Kapitel ihrer Unternehmensgeschichte" zu kooperieren habe: "Wer sich in den Sumpf der Korruption begibt, muss damit rechnen, dass der Staat mit all seiner rechtsstaatlichen Macht zurückschlägt." Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, dürfe es kein Pardon mit den Verantwortlichen geben, "seien es noch so glamouröse Namen".

Nichts Neues bei Beantwortung der "Dringlichen"
Die Beantwortung der 31 grünen Fragen ergab nichts wirklich Neues. Die Zuständigkeit für die Aufklärung der diversen Affären wies die Finanzministerin den Organen der jeweiligen Unternehmen zu. Dass ÖIAG-Chef und Telekom-Aufsichtsratspräsident Markus Beyrer als Aufdecker nicht gerade geeignet sei, da er unter anderem in Schottland auf Einladung des Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly gejagt habe, wie dies Pilz zuvor kritisiert hatte, wies Fekter zurück. Sie habe keinen Zweifel an der persönlichen Integrität und fachlichen Kompetenz Beyrers. Was die Agentur Peter Hocheggers betrifft, die sowohl bei der Buwog als auch bei der Telekom im Fokus des Interesses steht, gab die Ministerin an, dass von ihrem Ressort zwischen 2000 und 2007 insgesamt drei Millionen an die Firma geflossen seien.

Was die Frage angeht, ob die Unternehmer Martin Schlaff, Josef Taus und Hannes Androsch ihre Gewinne beim Kauf der bulgarischen Mobiltel durch die Telekom in Österreich versteuert hätten, verwies Fekter auf die Geheimhaltungspflicht in Abgabenverfahren. Bezüglich des umstrittenen Wechsels bei der Einführung des Blaulichtfunknetzes erklärte die ehemalige Innenministerin recht allgemein, dass die anfallenden Kosten budgetär bedeckt seien. Auf genaue Zahlen ging sie nicht ein. Die ebenfalls von den Grünen kritisch beäugte Übersiedlung diverser Finanz- und Zollämter in den Linzer Terminal Tower verteidigte Fekter. Die davor bestehende Zersplitterung der Behörden sei ineffizient gewesen. Die investierten knapp 16 Millionen seien weit billiger gewesen, als wenn man die verschiedenen davor bestehenden Standorte saniert hätte.

Kopf: "Märchenerzähler" Pilz vergießt "Krokodilstränen"
Zu einer heftigen Debatte kam es dann nach Fekters Beantwortung der "Dringlichen". Für die ÖVP rückte Klubobmann Karlheinz Kopf aus, um Pilz zu kritisieren und Schüssel zu verteidigen. Man könnte fast fasziniert sein ob der Leidenschaft, die Pilz hier als "Märchenerzähler" an den Tag lege. Pilz vergieße "Krokodilstränen" über das negative Image der Politik, denn er überhäufe permanent Personen im Nationalrat mit unbewiesenen Vorwürfen. Er weise es "auf das Entschiedenste" zurück, die ÖVP auch nur in die Nähe des Telekom-Skandals zu rücken. Zu sagen, Korruption sei schwarz-blau, sei eine "Sauerei". Schüssel sei außerdem ein "Ehrenmann" und ein "sehr erfolgreicher" Bundeskanzler gewesen.

Die angeblichen Aktienmanipulationen und Prämien bei der Telekom gehörten lückenlos aufgeklärt und streng bestraft, so Kopf. Aufgeklärt werden müssten auch Fragen wie angebliche Geldzahlungen etwa an Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach oder Lobbyisten. Die Justiz arbeite mit Hochdruck, und es werde auch ein Untersuchungsausschuss "dringend - und zwar bald - notwendig" sein. Vor Weihnachten sollten strengere Gesetze etwa zu Nebeneinkünften von Abgeordneten oder Offenlegung von Regierungsinseraten und öffentlichen Aufträgen an Unternehmen in Parteinähe beschlossen werden.

Cap: Wettbewerb an "Vergesslichkeit" und "Verdrängung"
SPÖ-Klubobmann Josef Cap sprach sich für Transparenz Verdrängung" gebe, verwies Cap auf die freiheitliche Regierungsbeteiligung ab dem Jahr 2000. Cap sprach von Verführern, die den Leuten "das Blaue vom Himmel" versprachen - und nachdem sie in der Regierung waren, sitze man nun da und könne die "Scherben dieser Zeit" aufräumen. Jetzt sei die Justiz gefragt, und man werde sie unterstützen.

Strache: "Die Grünen sind die Pflichtverteidiger der Roten"
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum griff SPÖ und Grüne an. Es werde ein Bild sichtbar, das jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang Tradition in Österreich habe, der Höhepunkt sei der Rücktritt Schüssels gewesen, den man als indirektes Schuldeingeständnis interpretieren könne. Die Grünen würden Zusammenhänge mit der SPÖ verschleiern, seien sie doch die "Pflichtverteidiger der Roten" - der Lobbyist Hochegger komme "aus der roten Ecke". Die Basis der FPÖ habe 2002 Widerstand gegen die "Verschüsselung" der eigenen Parteispitze geleistet. 2005 sei dann die gesamte ehemalige FPÖ-Regierungsmannschaft beim BZÖ gelandet. Unter seiner Führung habe die FPÖ nicht das Geringste mit irgendwelchen Malversationen zu tun, die Freiheitlichen hätten eine "saubere Weste", so Strache.

Bucher: "Es gibt keine faulen Früchte bei den Orangen"
BZÖ-Chef Josef Bucher meinte Richtung FPÖ, der einzige Verdienst des "Widerstandes" sei gewesen, dass Schüssel auf Platz eins aufrückte. Dass die ÖVP nichts mit der Telekom zu tun habe, glaube der Partei niemand, so Bucher an Kopf. Alle sollten zur Kenntnis nehmen, dass es in Österreich kollektiv eine Erschütterung des Vertrauens gegenüber der Politik gebe. Man müsse dafür sorgen, dass alles aufgeklärt wird, man müsse jetzt einen U-Ausschuss einsetzen: "Worauf warten Sie, Rot und Schwarz?" Der BZÖ-Chef sprach sich außerdem für klare Gesetze hinsichtlich Parteienfinanzierung und Korruption aus. Das BZÖ habe jedenfalls alle Informationen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt: "Es gibt keine faulen Früchte bei den Orangen."

ÖVP-Klub umgebildet: Gerstl und Einwallner angelobt
Zu Beginn der Sondersitzung am Dienstagvormittag war der ÖVP-Klub umgebildet worden. Angelobt wurden der frühere nicht amtsführende Wiener Stadtrat Wolfgang Gerstl und der Steirer Thomas Einwallner. Sie übernehmen die Mandate der ehemaligen Außenministerin Ursula Plassnik, die als Botschafterin nach Paris gewechselt ist, und von Ex-Kanzler Schüssel, der im Zuge der Telekom-Affäre seinen Sitz geräumt hat. Einwallner war schon von 2006 bis 2008 im Nationalrat vertreten, davor saß er ein Jahr im Bundesrat. Gerstl hat Erfahrung aus der Kommunalpolitik, vor seinem Avancement zum Stadtrat saß er fast zehn Jahre im Wiener Stadtparlament. Nach der Angelobung Gerstls und Einwallners wurde die Sitzung bis 13.15 Uhr unterbrochen.

Noch nicht angelobt wurde am Dienstag die zurückgetretene Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek. Sie wird voraussichtlich in der nächsten Sitzung kommende Woche das Mandat der früheren Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat übernehmen, die ihren Sitz bereits zurückgelegt hat.

Warten heißt es auch auf den ersten Auftritt von Werner Königshofer als "wilder Abgeordneter": Der im Sommer aus dem freiheitlichen Klub gefeuerte Tiroler hatte sich für die Sondersitzung entschuldigen lassen.

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