In Konvoi eingereist

Gadafis Sohn Saadi hat sich in den Niger abgesetzt

Ausland
12.09.2011 07:14
Immer mehr enge Familienmitglieder des gestürzten libyschen Diktators Muammar al-Gadafi setzen sich ins Ausland ab. Gadafis Sohn Al-Saadi habe am Sonntag die Grenze zum Nachbarland Niger überquert, sagte der nigrische Justizminister Marou Amadou in der Hauptstadt Niamey. Wie der arabische Nachrichtensender Al Jazeera weiter berichtete, wurde der 38-jährige Ex-Fußballer in einem Konvoi mit acht weiteren Personen aufgegriffen. Die Regierung von Niger sei nicht im Voraus informiert worden.

Am Freitag war bereits etwa ein Dutzend Fahrzeuge aus Libyen in der nigrischen Stadt Agadez eingetroffen - eskortiert von nigrischen Soldaten. Drei am Donnerstag im Niger eingetroffene hochrangige Gadafi-Generäle befinden sich nach Angaben des Justizministers unter Militäraufsicht in einem großen Hotel in Agadez. In einer Villa in Niamey befindet sich überdies nach amtlichen nigrischen Angaben ein Dutzend Gadafi-Getreue unter Hausarrest. Darunter ist demnach auch der frühere Chef der libyschen Sicherheitsbrigaden, Mansur Daw.

Der Niger hatte am Freitag versichert, dass er seine Verpflichtungen gegenüber der internationalen Justiz in Bezug auf Gadafi und seine Entourage einhalten wird. Nach Gadafi wird mittlerweile mit internationalem Haftbefehl gefahndet.

Die Fahrt von mindestens zwei libyschen Konvois nach Niger hatte Spekulationen über eine Flucht Gadafis ins Exil genährt. Gadafi hatte diese Gerüchte in einer Audiobotschaft zurückgewiesen. Er werde bis zum Schluss - dem Sieg über die Aufständischen und die NATO oder dem Tod - in Libyen bleiben, so Gadafi, von dem man weiterhin nicht weiß, wo er sich aufhält. Die Aufständischen in Libyen behaupten, sie hätten ihn bereits aufgespürt und weiträumig eingekreist.

Immer mehr Familienmitglieder Gadafis setzen sich ab
Mit Al-Saadi hat sich bereits das vierte von acht Kindern Gadafis ins Ausland abgesetzt. Gadafis Frau Safia und seine einzige Tochter Aisha waren Ende August mit Sohn Hannibal in Algerien eingetroffen, wo Aisha, eine studierte Anwältin, die einst dem Verteidigerteam von Saddam Hussein angehörte, ein Kind zur Welt brachte. Mit dabei war auch Gadafis ältester Sohn Mohammed, der aus erster Ehe stammt.

Der in Europa bekannteste Sohn Gadafis, Saif al-Islam, soll sich weiterhin mit seinem Vater in Libyen aufhalten. Dort war bis zur Bekanntgabe des nigrischen Justizministers auch Al-Saadi gewähnt worden, der sich ebenso wie sein Bruder Saif im Namen seines Vaters in Botschaften an das Volk gewandt hatte.

Al-Saadi al-Gadafi war Kommandeur einer Eliteeinheit, bevor er als Fußballprofi nach Italien ging. Dort stand er bei mehreren Erstliga-;annschaften unter Vertrag, kam aber kaum zum Einsatz, bevor er sich nach Dopingvorwürfen verabschieden musste. Zuletzt war er Präsident des libyschen Fußballverbandes. Er engagierte sich auch in der Filmindustrie.

Vorsitzender des Übergangsrates erstmals in Tripolis
Unterdessen traf am Samstagabend erstmals seit dem Sturz des Gadafi-Regimes der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil, in Tripolis ein. Hunderte Anhänger, Rebellen-Militärs und Honoratioren der Hauptstadt bereiteten ihm einen begeisterten Empfang, berichteten Augenzeugen.

Bisher hatte sich Jalil, der führende Politiker der neuen Machthaber, in der ostlibyschen Großstadt Bengasi aufgehalten. Dort war im Februar der Volksaufstand ausgebrochen, der Ende August zur Vertreibung Gadafis aus Tripolis geführt hatte.

Nach Medienberichten vom Sonntag warnte Jalil im Kreise der Rebellenführung vor zu großem Optimismus. Gadafi habe immer noch Geld, um Söldner anzuwerben. Die schon länger erwartete Ankunft Jalils sollte auch dazu beitragen, die Kluft zwischen der politischen Führung des Aufstands und den Rebellen-Militärs in der Hauptstadt zu schließen.

Am Sonntag haben die Rebellen in Tripolis den Spionagechef Gadafis festgenommen. Der Leiter des Auslandsgeheimdienstes, Busaid Dorda, sollte noch am Sonntag dem libyschen Übergangsrat ausgeliefert werden, sagte ein Rebellenkämpfer.

In Kürze soll Übergangsregierung gebildet werden
Die neue libysche Führung teilte am Sonntag zudem mit, dass sie in spätestens zehn Tagen eine Übergangsregierung bilden will. Demnach werde die neue Regierung binnen einer Woche oder zehn Tagen gebildet und sich aus Vertretern der Regionen des Landes zusammensetzen. Sie soll die Entscheidungen des Übergangsrates umsetzen. Nach einer vollständigen Befreiung Libyens werde dann eine andere Regierung gebildet.

Die neue libysche Führung hatte bereits im August angekündigt, innerhalb von acht Monaten Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung abzuhalten. Danach sollen binnen eines Jahres Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Libyen hat wieder mit der Ölproduktion begonnen
Indes hat das vom Bürgerkrieg verwüstete Land seine Ölproduktion wieder angeworfen. Jalil sagte am Sonntag, mit der Förderung sei bereits am Samstag wieder begonnen worden. Er machte keine Angaben zu Ort und Mengen, sondern ergänzte lediglich, die Produktion werde in naher Zukunft erhöht.

Libyen hält die größten Ölreserven Afrikas. Vor Beginn der Unruhen verkaufte das Land 85 Prozent seiner Exporte nach Europa. Im Zuge des sechsmonatigen Bürgerkriegs war die Förderung praktisch zum Erliegen gekommen. Mittlerweile stehen europäische Ölgesellschaften wie die italienische Eni und die österreichische OMV in den Startlöchern, um ihre Produktion wieder hochzufahren.

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