Gerichts-Abzocke

Kopiergebühr, auch wenn man gar nicht kopiert – VfGH prüft

Österreich
26.07.2011 15:39
Dem vielkritisierten "Kopierwucher" an Österreichs Gerichten könnte es bald an den Kragen gehen. Der Verfassungsgerichtshof hat am Dienstag den Beginn eines Prüfungsverfahrens beschlossen. Ausgelöst wurde es, weil zwei Beschwerdeführern an heimischen Gerichten für selbst eingescannte bzw. abfotografierte Aktenteile trotzdem eine Kopiergebühr von sechs bzw. zehn Euro vorgeschrieben wurde. 2010 haben die gerichtlichen Kopierstellen übrigens 3,1 Millionen Euro eingenommen.

Ein Euro pro Seite muss ein Beschuldigter für jede kopierte Aktenseite zahlen, um Details aus seinem eigenen Gerichtsakt zur Prozessvorbereitung mitnehmen zu können. Drückt er oder sein Anwalt - und nicht ein Justiz-Bediensteter - auf das Knöpfchen des Kopierers, werden immer noch 50 Cent fällig.

Der Knackpunkt: Dies gilt offenbar auch dann, wenn man die Infrastruktur des Gerichts gar nicht in Anspruch nimmt und stattdessen sein eigenes Aufnahmegerät mit hat, wie aus den VfGH-Beschwerden der beiden Betroffenen hervorgeht.

Dass eine Gebühr für etwas erhoben wird, wofür "anscheinend gar keine öffentliche Leistung erbracht wird", erscheint dem VfGH nach vorläufiger Auffassung mit dem Gleichheitssatz unvereinbar - noch dazu, weil die Akteneinsicht selbst ja gebührenfrei ist. Auch die gleiche Höhe von 50 Cent, egal ob am Kopierer oder mit der eigenen Digicam, könnte "unsachlich und daher gleichheitswidrig" sein.

Gesetz nimmt Bürger die "Waffengleichheit"
Dem VfGH scheint außerdem der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt, insbesondere jener der "Waffengleichheit". Begründung: Staatsanwälte haben im Gegensatz zu den Bürgern bzw. deren Anwälten die unbeschränkte Möglichkeit, von Amts wegen Kopien anfertigen zu lassen. Und: "Die Gebühr darf nicht so hoch angesetzt sein, dass sie von der Beantragung bestimmter Amtshandlungen abschreckt." Dies könnte in aufwendigen Verfahren mit einer Vielzahl an Urkunden als Beweismitteln aber aber der Fall sein.

Konkret prüft der VfGH nun die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Passage im Gerichtsgebührengesetz sowie die Gesetzmäßigkeit von je zwei Verordnungen und Erlässen des Justizministeriums. Der Bund bekommt Gelegenheit zur Stellungnahme, dann wird entschieden. Üblicherweise dauert ein solches Verfahren rund neun Monate - und in den meisten Fällen bestätigen sich die ursprünglichen Zweifel.

"Opfer" werden Geld wohl nicht zurückbekommen
Dass dann alle, die bisher für Aktenfotos gezahlt haben, ihr Geld zurückbekommen, steht nicht in Aussicht, denn eine Aufhebung der Regelung würde nicht rückwirkend gelten. Allerdings können sich weitere Betroffene, die schon Beschwerde gegen die Gebühr eingelegt haben, an das Verfahren anhängen.

Übrigens: Auch am VfGH muss für Aktenkopien gezahlt werden, allerdings nur 20 Cent pro Seite. Wer selbst fotografiert oder scannt, muss nichts zahlen, hieß es am Dienstag auf Anfrage.

Steinhauser: Gerichte haben Gewinn erwirtschaftet
Erst am Montag hatte der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser die hohen Gebühren kritisiert und dabei vorgerechnet, dass die Gerichte im Jahr 2010 fast 70 Millionen Euro an Gewinn erwirtschaftet haben. Knapp 710 Millionen Euro wurden laut Steinhauser im Vorjahr für Gerichte und Staatsanwaltschaft ausgegeben, gleichzeitig aber fast 780 Millionen Euro an Gerichtsgebühren und Geldstrafen eingenommen.

"Gebührentreiberei, die nichts mehr mit den realen Kosten der Gerichte zu tun hat, ist ein Raubzug in den Taschen der Bürger", so die Kritik des Grünen, die sich auf eine Anfragebeantwortung durch das Justizressort stützt. Dort wollte man die Kritik so nicht gelten lassen. Die Gebühren seien zwar zur Finanzierung der Gerichte der Staatsanwaltschaften da, der Überschuss komme aber dem gesamten Justizressort zugute - und hier betrage der Kostendeckungsgrad tatsächlich nur 70 Prozent, so eine Sprecherin.

3,1 Millionen Euro für Kopien im Jahr 2010 eingenommen
Einen gehörigen Einnahmenzuwachs gab es laut den von Steinhauer vorgelegten Zahlen vor allem bei den Kopierstellen. Wurden 2009 noch rund 2,4 Millionen Euro mit Aktenkopien eingenommen, waren es 2010 schon 3,1 Millionen Euro. Das Justizressort verteidigt auch diese hohen Gebühren, wie aus der kürzlich erfolgten Beantwortung einer Anfrage des BZÖ-Mandatars Ewald Stadler hervorgeht. Vor allem der Schutz der Akten und die Personalkosten werden angeführt. "Die Gebührenpflicht rechtfertigt sich daher schon durch den notwendigen Transport- und Überwachungsaufwand und die der Höhe nach unbeschränkbare Haftpflicht für etwaige Schäden, die dritte Personen aus unzulässigen Veränderungen der Akten erleiden könnten", so das Ressort in der Stellungnahme.

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