Nach dem Amoklauf wollten sogar noch mehr Leute mitfahren und Solidarität zeigen. 30 Kolumbianer etwa kamen spontan zum IUSY-Festival nach Oberösterreich. Da hier die Sicherheitsvorkehrungen massiv in die Höhe geschraubt wurden, gab's einige Hürden zu überwinden, dass sie aufs Gelände konnten. Denn wer nicht auf der Liste steht, bleibt draußen, wo die Polizei ständige Präsenz zeigt. Angst? – Nein, alle Teilnehmer fühlen sich sicher.
Nach der Trauerfeier, bei der – wie berichtet – am Montag 2.000 Fackeln zum Gedenken an die Opfer von Norwegen brannten, geht es mit der Stimmung im Camp wieder aufwärts. Doch zwischen dem Volleyball-Feld, einem menschlichen Fußball-Wuzler, den gemeinsam essenden und auch schon wieder vereinzelt laut lachenden Jugendlichen steht das Kondolenzbuch für Norwegen. Wer sich hier einträgt, ist still, einzelne Tränen fließen. Auch wenn man die Opfer nicht persönlich gekannt hat.
"Fühlen uns als Gruppe angegriffen"
"Wir fühlen uns schon als Gruppe angegriffen. Aber es war ein Einzeltäter, und wir dürfen nicht ganze Gruppen verurteilen. Das würde nur die Stimmung noch mehr aufheizen", sagte der deutsche JUSO-Bundesvorsitzende Sascha Vogt, der diese Woche mit 230 Landsleuten auf dem vom Regen durchweichten Boden zeltet.
Das Camp steht eindeutig im Schatten von Norwegen, aber bis auf die Delegation aus diesem Land sind alle gekommen. Die Norweger haben einen Brief geschrieben, der bei der Trauerfeier verlesen wurde: "Wir sind in Gedanken bei Euch, und es ist jetzt umso wichtiger, dass wir zusammenstehen." Das Treffen absagen – das wurde nur kurz angedacht - war aber keine Option. Man hätte sich der Gewalt geschlagen gegeben.
"Hier ist kein Platz für Nationalismus, kleinkariertes Denken"
Umso heftiger wird bei den Workshops, die sich etwa um die Gefahr des Rechtsextremismus, Bildungsfragen, Menschenrechte, Freiheit und Sicherheit drehen, diskutiert. In Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch – mit Händen und Füßen, wenn die Worte nicht reichen. "Wir haben die ganze Welt auf kleinstem Raum beisammen, hier ist kein Platz für Nationalismus, kleinkariertes Denken", bringt Boris Ginner das Camp-Leben auf den Punkt.
Die hartnäckigen Wolken über dem Attersee lassen keinen sommerlich-warmen Sonnenschein zu. Es ist vor allem am Abend kühl – das richtige Wetter zum Zusammenrücken. Und das tun die 2.500 Jugendlichen. Im Gedenken an ihre Freunde, die schuldlose, aber gezielt gewählte Opfer eines Massenmörders wurden.
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