Auf Distanz zu Täter

Norwegen: Europas Rechtsparteien wehren sich

Ausland
25.07.2011 15:03
Als "christlicher Fundamentalist" mit Kontakten in rechtsextreme Kreise wird der Attentäter von Norwegen, Anders Behring Breivik, profiliert. Der 32-Jährige war einst auch Mitglied der norwegischen Fortschrittspartei gewesen, die zur neuen Riege Europas erstarkender Rechtsparteien gezählt wird. Deren Politiker wehren sich nun, bei Fragen nach den Hintergründen von Breiviks Taten als ideologischer Nährboden oder gar Mitverursacher bezeichnet zu werden, und attackieren Wissenschaftler, NGOs und Polit-Gegner.

In Österreich gab die FPÖ zu den Geschehnissen am Montag von sich aus ein Statement ab. Der freiheitliche Vizeparteiobmann Norbert Hofer ersuchte, "diese Tragödie nicht für das Wechseln von politischem Kleingeld zu nutzen". Er sei betroffen, dass "von einigen wenigen Personen nun sogar Politiker in Österreich für die Tat mitverantwortlich gemacht" würden. Angesichts des Massakers auf Teilnehmer eines sozialdemokratischen Jugendlagers seien verantwortungsvolle Politiker aufgefordert, vor Stellungnahmen durchzuatmen und eine klare Absage gegen Hass, Gewalt und Extremismus zu treffen, egal aus welchem weltanschaulichen Bereich sie komme. "Angesichts des Ausmaßes an Leid, das hier verursacht wurde, fehlen mir die Worte."

Gudenus attackiert Historiker für Aussagen
Der stellvertretende FPÖ-Klubchef und Vize-Parteiobmann Johann Gudenus schoss sich auf den Historiker Gerhard Botz und dessen Aussagen ein. Der Geschichtsforscher hatte am Sonntagabend bei einem "Runden Tisch" im ORF die Meinung geäußert, dass europäische Rechtsparteien wie die FPÖ oder die Schweizerische SVP die "breite Denkstruktur" für Breiviks fundamentalistische Ansichten vorgeben würden. "Botz wollte mit der Tragödie von Norwegen gezielt Stimmung gegen die Freiheitlichen machen. Zu erklären, wer kritisch gegenüber Islamisten und ungezügelter Zuwanderung ist, bereite den Nährboden für verrückte Amokläufer, ist falsch und extrem unwissenschaftlich", erklärte Gudenus.

Boltz bezeichnete Breivik auch als Vertreter einer "neuen Version des Rechtsextremismus", weil dieser für den Kampf gegen den Islam auch "Juden und Hindus" zu seinen Verbündeten zähle - und zog damit indirekt einen Vergleich zu FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (Bild re.), der Ende 2010 mit einer Reise nach Israel, wo er an einer Konferenz "gegen den islamischen Terror" teilnahm, für Aufsehen gesorgt hatte.

Weitere Wissenschaftler attackieren FPÖ
Am Montag attackierten weitere Experten die Freiheitlichen. Der Klagenfurter Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer sprach in der Nachmittags-"Zeit im Bild" des ORF von einer "verbalen, emotionalen Jagdstimmung" gegen den Islam, gegen muslimische Menschen und Migranten in ganz Europa. In Österreich bilde das auch einen "Teil der Propagandamaschinerie der FPÖ". Als Beispiele nannte Ottomeyer das umstrittene Anti-Minarett-Onlinespiel der steirischen Freiheitlichen sowie den Comic aus dem Wiener Wahlkampf vom Vorjahr, in dem aktualpolitische Bezüge zur zweiten Wiener Türkenbelagerung von 1683 hergestellt wurden.

Auch der deutsche Rechtsextremismusforscher Hajo Funke von der Freien Universität Berlin ortet eine "rechtspopulistischen Zuspitzung" in Österreich. "Die entschiedenen und eskalierenden Reden gegen Muslime in Österreich, die ich persönlich bei Wahlkampfveranstaltungen erlebt habe, sind voller verbaler Gewalt", sagte Funke im Radio Ö1. Das heiße nicht, dass aus solchen Kreisen dann extreme Gewalttaten kämen - das sei ein eigener Schritt. Aber das "Klima zuzuspitzen, Fremdenfeindlichkeit zu schüren, das ist ein Kernelement der Partei Straches".

Auch Le Pen erhebt Instrumentalisierungs-Vorwürfe
Stellungnahmen anderer Rechtsparteien in Europa klangen am Montag ähnlich wie jene der FPÖ-Vertreter. Die französische Front National (Bildmitte: Parteichefin Marine Le Pen) wandte sich gegen die NGO "Bewegung gegen den Rassismus und für die Völkerfreundschaft". Diese hatte rechten Parteien in Europa für "das schädliche Klima, das auf dem Kontinent lastet", eine Verantwortung zugewiesen. Dabei wurden die FN, die norwegische Fortschrittspartei, die Schwedendemokraten, die Dänische Volkspartei, die ungarische Jobbik sowie der niederländische Islamgegner Geert Wilders namentlich genannt.

Le Pen ließ auf der Homepage der Partei wissen: "Die Front National ist ganz offensichtlich vollkommen unbeteiligt an dem norwegischen Massaker, welches das Werk eines aus dem seelischen Gleichgewicht gebrachten Einzelnen ist, der schonungslos bestraft werden sollte." Die Verteter der Bewegung benützten die tragischen Ereignisse, um Verwirrung zu erzeugen, und würden den Schmerz der Opferangehörigen missachten. "Die Front-National-Chefin Marine Le Pen wiederholt ihre Beileidsbekundungen an das norwegische Volk und erinnert an ihre Entschlossenheit, nachdrücklich gegen jegliche Formen der Gewalt und Barbarei zu kämpfen", hieß es.

Wilders: "Verabscheue alles, wofür Breivik steht"
Der niederländische Islamgegner Geert Wilders (li.) und dessen Freiheitspartei, von deren Duldung die Regierung des Landes abhängt, distanzierten sich von Breivik, den Wilders als "gewalttätig und krank" einstufte. Auf seiner Website schrieb Wilders, seine Partei "verabscheue alles, wofür Breivik steht und was er getan hat". Auch Wilders kondolierte den Opferangehörigen.

In seinem "Manifest" hatte Breivik Unterstützung für Wilders' 17-Minuten-Film "Fitna" bekundet, in dem der Rechtspopulist den Koran mit Adolf Hitlers "Mein Kampf" vergleicht und Koran-Verse mit Bildern von Anschlägen unterlegt hat. Der Kurzfilm war Gegenstand eines Gerichtsprozesses: Ende Juni wurde Wilders vom Vorwurf der Anstiftung zum Rassenhass und Diskriminierung freigesprochen.

Ex-Schwedendemokrat erhielt Breiviks Manifest im Voraus
In Schweden erregte die Nachricht Aufsehen, dass ein ehemaliges Mitglied der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, Isak Nygren, eine jener Personen war, denen der Attentäter sein 1.500-seitiges Manifest im Voraus zukommen ließ. Nygren hatte den Erhalt in seinem Blog eingeräumt. Kurz davor hatte es bei den Schwedendemokraten geheißen, man wisse von niemandem in den eigenen Reihen, der zum Voraus-Verteilerkreis von Anders Behring Breiviks Manifest gehörte. SD-Chef Jimmie Akesson verurteilte indes die Anschläge in Norwegen als "Angriff auf die gesamte demokratische Gesellschaft".

In Finnland dementierte der für seine ausländer- und islamfeindlichen Verbalausritte berüchtigte Abgeordnete der rechtspopulistischen Wahren Finnen, Jussi Halla-aho, das Manifest direkt von Breivik erhalten zu haben. Er habe das Dokument lediglich "über Umwege" erhalten. Davor hatte die Zeitung "Helsingin Sanomat" berichtet, dass mindestens ein Mitglied der Wahren Finnen, die Sprecherin einer regionalen Parteiorganisation, Terhi Kiemunki, zum exklusiven Verteilerkreis Breiviks gehört habe.

Distanzierungen auch in Dänemark und Belgien
Für die rechtspopulistische Dänische Volkspartei reagierte deren Parlamentsabgeordneter Sören Espersen auf den Doppel-Anschlag in Norwegen: Seine Partei weise Parteien und Bewegungen, die die Demokratie mit Gewalt, Terror und Angstmache beseitigen wollen, zurück. "Sie bekämpfen wir, sie stoßen wir aus", so der rechtspopulistische Abgeordnete. Das "gesprochene und geschriebene Wort" seien in der dänischen und internationalen Politik die "einzigen zugelassenen Waffen", so Espersen, ohne auf politische Inhalte einzugehen.

Der rechtsextreme belgische Vlaams Belang verwies auf seiner Homepage auf Angaben, wonach Breivik ein Gegner multi-kultureller Gesellschaften war: Es sei bekannt, dass der Vlaams Belang kein Anhänger der multikulturellen Idee sei, dies bedeute aber nicht den Aufruf zur oder die Rechtfertigung von Gewalt - gegen wen immer sie auch gerichtet sei. Für das Massaker gebe es keine Entschuldigung. Der mutmaßliche Täter verstehe offenbar nichts vom Nationalismus, denn Nationalismus lebe von der Liebe zu seinem Volk und nicht vom Hass, so die Stellungnahme.

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