Aus dem See gezogen

Dutzende Teenager gerettet: Deutscher als Held von Utöya

Ausland
25.07.2011 09:50
Während auf der norwegischen Insel Utöya fast 90 meist jugendliche Teilnehmer eines Feriencamps regelrecht hingerichtet wurden und die Polizei noch unterwegs zum Ort des Massakers war, hat ein Deutscher großen Mut bewiesen und Dutzende - einige Berichte sprechen gar von bis zu 50 - Teenager, die vor den tödlichen Schüssen in den See um die Insel geflüchtet waren, aus dem Wasser gerettet. Er ist der Held von Utöya.

Marcel Gleffe ist mit seinen Eltern und einem Cousin auf Urlaub am See Tyrifjord. Sie wohnen am Campingplatz von Utvika, am Festland gegenüber der Insel, auf der das Massaker geschah. "Wir haben da am Tisch gesessen und total entsetzt über den Anschlag in Oslo diskutiert", erzählte der 32-jährige Deutsche, der 2008 aus Teterow bei Rostock nach Norwegen zog und in der Nähe von Oslo wohnt. "Und auf einmal knallt es auf der Insel. Da haben wir gedacht, dass da ein Feuerwerk ist."

Als dann aber Salven aus einer automatischen Schusswaffe zu hören waren, wurde den Gleffes klar, dass es etwas anderes sein musste. Sofort liefen sie hinunter zum See, wie der 32-Jährige erzählte. Am Ufer sahen sie, wie ein Mann ein Mädchen aus dem Wasser fischte. Hinter der Jugendlichen sei ein weiteres Mädchen gewesen, das "Help! Help" geschrien habe. Und: "Shooting!", schrieb "Spiegel Online".

Im Wasser zwischen Insel und Festland hätten sie zahlreiche Köpfe im Wasser gesehen. Marcel Gleffe zögerte nicht, er lief los, um den Schlüssel für das kleine 10-PS-Boot zu holen, das er für diese Woche gemietet hatte, und fuhr los. Einigen im Wasser Treibenden warf er Schwimmwesten zu, andere, denen es am schlechtesten ging, zog er ins Boot. "Ich habe gar nicht mehr überlegt. Ich habe einfach nur funktioniert", schilderte er dem Magazin.

"Die haben keinem Menschen getraut"
Zunächst trauten die fliehenden Teilnehmer des Sommerlagers dem Retter nicht. "Die haben keinem Menschen getraut, nur dem Nachbarn, der im Wasser war." Aber Marcel erklärte ihnen auf Norwegisch, dass er da sei, um ihnen zu helfen. "Es war traumhaft zu sehen, wie die sich gegenseitig unterstützt haben und dann gesagt haben: 'Nimm nicht mich, nimm sie oder nimm ihn. Sie oder er kann nicht mehr, ich kann noch'." Die Jugendlichen hätten geschrien und geweint, sich aber gegenseitig Mut gemacht, sich umarmt. "Es war unglaublich zu sehen, was für starken Menschen das sind", so Gleffe.

Er brachte die erste Gruppe an Land und fuhr immer wieder hinaus, um noch mehr Opfer zu retten. Einmal musste er sogar nachtanken, wie er einem Fernsehsender erzählte.

Einer der Geretteten habe den Attentäter gesehen und gesagt: "Der sitzt genau auf dem Stein." Der Täter habe auch auf die fliehenden Schwimmer geschossen. "Wir haben uns flach hingelegt, damit wir nichts abbekommen. Zwischendurch war es doch ganz dicht dran an der Insel. Dann haben wir etwas Abstand genommen", so Gleffe.

"Es ist doch ganz selbstverständlich, was wir gemacht haben"
Wie viele Jugendliche er aus dem Wasser gezogen hat, kann Gleffe nicht genau sagen. Über 20 seien es sicher gewesen. Anderen Berichten zufolge waren es an die 30, laut einem TV-Sender hat der Mann bis zu 50 Jugendlichen das Leben gerettet. Bis die Polizei kam und sagte, er solle aufhören. Erst da dachte Marcel an sich selbst: "Ich war selber so durchgefroren, dass ich mich selbst erstmal aufwärmen musste, ich war schon blau angelaufen."

Auch seine Familie hat tatkräftig mitgeholfen, sich um die Kinder gekümmert, die das rettende Ufer erreichten. Sie führten sie zum Wohnwagen und gaben ihnen trockene Kleidung. "Es ist doch ganz selbstverständlich, was wir gemacht haben", sagte Gleffe gegenüber "Spiegel Online". Auch wenn es ihm am Tag danach nicht gut gegangen sei: "Gestern ging es noch, heute wird einem nur schlecht."

"Es war so schrecklich, als ich Flüchtende abweisen musste"
Doch natürlich war Gleffe nicht der Einzige, der mit seinem Boot rausgefahren war, um den Jugendlichen im Wasser zu helfen. So schilderte die Norwegerin Torill Hansen, die ebenfalls mit ihrem Motorboot Flüchtende aus dem Wasser geholt hatte, im NRK-Rundfunk, was für sie das Schlimmste war: "Als ich zehn aufgenommen hatte, war das Boot voll. Es war so schrecklich, als ich die elften und zwölften abweisen musste."

Lisa Irene Johansen Aasbö, eine Überlebende, erzählte, wie sie vor dem wild schießenden Attentäter in Polizeiuniform und schusssicherer Weste am Ende ins Wasser geflüchtet war, um schwimmend zu entkommen. Sie ist froh, am Leben zu sein, durch die Hilfe von mutigen Menschen die Gleffe und Hansen: "Ich habe überlebt, weil Menschen kamen und mich in ihr Boot gezogen haben."

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