Bürger verschaukelt?

Griechen-Krise: Wie die Politik all ihre Versprechen brach

Ausland
13.09.2011 12:32
Wenn es darum geht, die Griechen-Krise kleinzureden, geben die Politiker alles. Erst versicherten sie uns, dass das Land stabil sei. Dann hieß es, dass wir zwar Kredite bereitstellen müssen, die Griechen aber alles mit Zinsen zurückzahlen würden. Und nun steht sogar die bislang stets dementierte Pleite im Raum - samt Verlust des investierten Geldes. krone.at zeichnet nach, wie die Politik all ihre Versprechen brach.

"Wenn es ernst wird, dann muss man lügen." Mit diesem entwaffnend ehrlichen Statement rund um die Finanzkrise schockte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker im April die Öffentlichkeit. Europas Politiker befolgen diese Weisheit offenbar schon lange. Denn bislang haben sie wohl jede einzelne ihrer beschwichtigenden Zusagen im Zusammenhang mit der Griechen-Pleite gebrochen.

Den Anfang machte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im März 2010. Damals war die dramatische Situation der Griechen längst bekannt. Merkel behauptete, dass das Land sich zwar in Schwierigkeiten befinde, aber nicht pleite sei. Der klamme Staat könne sich vielmehr ohne Hilfe retten. "Es geht, das will ich ausdrücklich sagen, nicht um Hilfsmaßnahmen. Ich glaube, es gibt keine Alternative dazu, dass Griechenland seine Hausaufgaben macht", meinte sie vor einem Treffen mit dem griechischen Premier Giorgos Papandreou. Und dieser versicherte damals ebenfalls eilig: "Griechenland will keinen Cent von den deutschen Steuerzahlern."

Geschenkt statt geliehen?
Es kam dann alles etwas anders. Weil die nebulösen Solidaritäts-Bekundungen der Euro-Partner den Rating-Absturz der Griechen nicht verhindern konnten, beantragte Griechenland am 23. April 2010 Finanzhilfen in Höhe von 110 Milliarden Euro, denen am 2. Mai stattgegeben wurde. Nur wenige Tage später folgte dann der nächste Schritt: Die Staats- und Regierungschefs beschlossen den 750 Milliarden Euro schweren Europäischen Stabilitätsmechanismus für klamme EU-Staaten.

Alles kein Problem, denn der milliardenschwere österreichische Anteil an dem Konstrukt sei im Falle eines Falles nicht verloren, wurde versichert. Denn, so Kanzler Werner Faymann: "Es läuft alles auf Kreditlinien hinaus, es geht nicht um geschenktes Geld oder um Subventionen." Formal mag er damit zwar recht haben, doch wenn der Kreditnehmer nicht mehr zahlen kann, dann ist das Geld futsch. Und an der Insolvenz des Landes haben mittlerweile selbst anerkannte Experten und hochrangige Politiker keinen Zweifel mehr: "Machen wir uns nichts vor. Die Katastrophe ist da, Griechenland ist pleite", sagte bereits im April Professor Hans-Werner Sinn, Chef des renommierten Münchener Ifo-Wirtschaftsinstituts. Und sogar dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble dämmert seit dieser Woche, dass Athen wohl nicht mehr vor einer Pleite bewahrt werden kann (siehe Infobox).

Pröll schloss Umschuldung noch im Jänner aus
Unvergessen auch das kategorische Ablehnen einer Griechen-Umschuldung. Am 31. Jänner 2011 hatte der damalige Finanzminister Josef Pröll diese Lösung noch prinzipiell ausgeschlossen. "Ich will kein Signal geben, dass es für Länder, die es sich bequem machen wollen, leicht ist, an Geld zu kommen", sagte er in Wien. Stattdessen sollten die Kreditnehmer "strikte Budgetdisziplin" üben. Die Wirklichkeit: Eine Umschuldung, in diesem Fall "Kreditstreckung" genannt, wurde kürzlich beschlossen.

Für den größten Lacher im Reigen der gebrochenen Eurokrisen-Versprechen sorgte übrigens Finanzministerin Maria Fekter. Man zahle nur Geld, wenn man sicher sein könne, dass man dieses auch zurückbekomme. Im Juni rechnete sie noch im Nationalrat vor, dass die Hilfszahlungen bisher "keinen Cent" gekostet hätten. Im Gegenteil: Griechenland habe an Österreich schon 19 Millionen Euro Zinsen bezahlt.

Kleiner Schönheitsfehler: Durch die vereinbarte Schuldenstreckung werden die Rückzahlungen der Griechen erst einmal auf die ferne Zukunft verschoben – wenn sie denn jemals noch fließen werden. Vor diesem Hintergrund klingt das Versprechen des griechischen Außenministers Stavros Lambrinidis wie Hohn. Anfang Juli hatte er auf Staatsbesuch in Wien behauptet:"Es wird kein einziger Euro, der von Österreichern in Griechenland investiert wird, verloren gehen."

EZB-Unabhängigkeit nur noch auf dem Papier
Schade um das schöne Geld. Denn mittlerweile haben die weniger angeschlagenen Staaten wie Österreich bereits Milliarden nach Griechenland und in andere klamme Euro-Länder gepumpt und damit einen der lange Jahre als unantastbar beschworenen Grundpfeiler der Währungsunion gefällt: die No-Bail-Out-Klausel, nach der kein Mitgliedsland für ein anderes haftet. Die neu gegründete AG der EU-Staaten, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF steuert 440 Milliarden Euro zu dem 750-Milliarden-Gesamtpaket bei.

Das nächste gebrochene Versprechen betrifft die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. "Keine Zentralbank der Welt wird von der Politik so unabhängig sein wie die EZB", beteuerte der erste EZB-Präsident Wim Duisenberg jahrelang, um damit vor allem den Deutschen den Abschied von ihrer geliebten Bundesbank zu erleichtern, die als Garant für die Stabilität der D-Mark galt. Im Zuge der Griechen-Krise folgte auf Druck der Politik dann aber eine Kehrtwende der EZB, die gegen jegliche Vernunftsprinzipien verstieß.

Die EZB akzeptierte auf einmal die maroden Griechen-Anleihen als Sicherheiten, wusch damit also die miesen Ratings der Griechen rein – wieder einmal auf Risiko der EZB-Eigner, also der nationalen Zentralbanken, für die wiederum die EU-Staaten geradestehen. Die Unabhängigkeit des Instituts war damit dahin. Aus Protest gegen die "weiche" Linie der Zentralbank trat vergangene Woche sogar der deutsche EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark zurück (siehe Infobox).

"Der Euro spaltet Europa, statt es zu einen"
Mittlerweile scheint es fast so, als hätten die Schöngeister mehr Ahnung von den Risiken des Euro-Projekts gehabt als die Politiker. Der deutsche Soziologe, Publizist und Politiker Rolf Dahrendorf hatte bereits 1995, also sechs Jahre vor Einführung des Euro-Bargeldes, gewarnt: "Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet." Dass er mit seiner viel kritisierten Aussage recht behalten könnte, durfte Dahrendorf aber nicht mehr erleben. Er starb im Juni 2009, noch bevor die Griechen-Krise entflammte.

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