Kindesmissbrauch

Irland: “Vatikan ist abgehoben, elitär und narzisstisch”

Ausland
21.07.2011 09:14
Der irische Premier Enda Kenny (Bild) hat den Vatikan mit außergewöhnlich scharfen Worten für seinen Umgang mit Fällen von Kindesmissbrauch kritisiert. Mit Blick auf einen Report einer Regierungskommission über das Vertuschen von Missbrauch in der katholischen Kirche in Irland sagte Kenny am Mittwoch, der Bericht lege offen, wie "abgehoben, elitär und narzisstisch die Kultur des Vatikan" sei.

Der in der vergangenen Woche vorgestellte Cloyne-Report war die vierte größere Veröffentlichung zu dem heiklen Thema innerhalb von sechs Jahren. In der Diözese Cloyne war Bischof John Magee tätig, dessen Rücktritt Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr akzeptiert hatte. Magee war nachgewiesen worden, für "Fehler beim Schutz von Kindern" verantwortlich gewesen zu sein sowie die Untersuchungen fehlgeleitet zu haben.

Premier Kenny erklärte nun im Parlament, das am Mittwoch zu einer Sondersitzung zum Thema zusammengekommen war: "Erstmals in Irland wird in einem Report über Kindesmissbrauch dargestellt, dass der Heilige Stuhl versucht hat, in einer souveränen Republik Untersuchungen zu behindern." Vergewaltigung von Kindern werde laut Kenny konsequent heruntergespielt - stattdessen würden der Vorrang der Institution Kirche hochgehalten sowie ihre Macht und ihre Reputation betont.

Auch Erzbischof "enttäuscht und genervt"
Auch Dublins Erzbischof Diarmuid Martin schloss sich der Schelte Kennys an. Es gebe Gruppen in der katholischen Kirche, die sich den Maßnahmen zum Schutz von Kindern widersetzten, so Martin am Donnerstag im irischen Fernsehen RTE. Er sei "verärgert, beschämt und erschrocken" über diejenigen, "die glauben, sie könnten tricksen".

"Ich bin sehr enttäuscht und genervt. Was soll man tun, wenn man Systeme installiert hat, und jemand ignoriert sie?", fragte er. "Was soll man tun, wenn man Gruppen hat, entweder im Vatikan oder in Irland, die versuchen, das zu unterminieren, was getan wird, oder sich schlicht weigern zu verstehen, was passiert ist?"

Kenny: "Absolut schändliches" Verhalten
Nach der Veröffentlichung des Cloyne-Reports hatte die irische Regierung vorige Woche den Botschafter des Vatikans einbestellt. Erzbischof Giuseppe Leanza musste in Dublin Außenminister Eamon Gilmore Rede und Antwort zu den Vorwürfen stehen. Vor allem eine Passage in dem Bericht, die besagt, dass der Vatikan irischen Bischöfen in einem Schreiben 1997 davon abgeraten hatte, pädophile Priester der Polizei zu melden, hatte die Gemüter erhitzt. Kenny erklärte, dass der Vatikan Kirchenrecht über das irische Strafrecht stelle, sei "absolut schändlich".

Das Irland des 21. Jahrhunderts werde sich nicht länger katholischer Macht fügen, betonte der Premier. Zudem kündigte er ein Gesetz an, das das Zurückhalten von Beweisen über Kindesmissbrauch strafbar macht. Das solle selbst für Informationen gelten, die ein Priester während der Beichte erfährt. Justizminister Alan Shatter erklärte, kein ausländischer Staat sollte irgendeiner Organisation in Irland Vorgaben machen, wenn es um den Schutz von Kindern gehe. Dies gelte vor allem für die katholische Kirche.

Wendepunkt im Verhältnis von Staat und Kirche
Weltweit sind katholische Priester und kirchliche Einrichtungen in Missbrauchsfälle verstrickt, Irland ist dabei jedoch einer der Schwerpunkte. Die jüngsten Aussagen von Premier Kenny wurden von Kommentatoren am Donnerstag einheitlich als Wendepunkt im Verhältnis von Staat und Kirche in der Republik gewertet. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung gilt als streng katholisch.

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