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“Call of Juarez: The Cartel”: Früher war alles besser

Spiele
20.07.2011 15:18
Ob mit "Red Dead Redemption" auf der Konsole oder "True Grit" im Kino: Der klassische Western erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit und ist weiterhin weit davon entfernt, zum alten Eisen zu gehören. Nur Ubisoft sieht das offenbar anders und verpasst seinem bislang zwischen stacheligen Kakteen und staubigen Prärien angesiedelten Western-Shooter "Call of Juarez" mit "The Cartel" ein modernes Äußeres. Dieser Schuss geht leider nach hinten los.

"Call of Juarez: The Cartel" ist der dritte Teil der Ubisoft-Serie und der erste, der nicht mehr im Wilden Westen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, sondern in der Gegenwart spielt. Das bringt naturgemäß eine Reihe von Veränderungen mit sich: Statt der guten alten Winchester wird nun mit Ak-47s, Uzis und anderen modernen Errungenschaften der angeblich doch so zivilisierten Welt geballert, während Handgranaten das Dynamit ersetzen und statt Pferdegespannen bullige Vans über die staubigen Straßen "galoppieren". Letztere führen von den Wäldern Sequoias über Los Angeles ins Herz der korrupten Verbrechenshochburg Ciudad Juarez, wo es einem Drogenkartell das Handwerk zu legen gilt.

Damit der Bezug zu den beiden Vorgängern zumindest halbwegs gegeben ist, haben die Entwickler der polnischen Spieleschmiede Techland kurzerhand einen kleinen Familienstammbaum konstruiert und einen der Protagonisten, Ben McCall, zum Ur-Ur-Enkel des schießwütigen Predigers RayMcCall erklärt. Und damit die Verwandtschaft nicht nur auf dem Papier ersichtlich ist, hat Ben nicht nur dieselbe hässliche, vernarbte Visage, sondern trägt – für einen Cop des LAPD ziemlich ungewöhnlich – auch einen schwarzen Mantel, Cowboy-Schlapphut und das für einen Priester obligatorische silberne Kreuz um den Hals.

Drei verschiedene Handlungen
Ihm zur Seite stehen Eddie Guerra, ein Drogenfahnder und chronischer Spieler, sowie Kim Evans, ein ehemaliges Gangmitglied, das nun für das FBI arbeitet. Jeder Charakter verfügt über eigene Spezialfertigkeiten und Talente im Umgang mit den diversen Waffengattungen sowie, und das ist weitaus wichtiger, eine eigene Geschichte. Abhängig davon, für welchen der drei Charaktere man sich zu Spielbeginn entscheidet, ergeben sich demnach ganz unterschiedliche Blickwinkel auf die Ereignisse des Spiels, was den Wiederspielwert verdreifacht.

Lahme Erzählweise
Zumindest theoretisch, denn in der Praxis hat "Call of Juarez: The Cartel" mit einigen Schwächen zu kämpfen - insbesondere in Bezug auf die Erzählweise. Diese ist nämlich aller dunklen Geheimnisse der einzelnen Charaktere zum Trotz relativ unspannend. Die Dialoge wirken aufgesetzt, die Synchronstimmen emotionslos und die Animationen hölzern. Ein paar weniger überstrapazierte Klischees, dafür mehr Drive, Elan und Dramatik wären hier wünschenswert gewesen.

Technische und spielerische Schwächen
Auch in technischer Hinsicht bleibt der Titel leider hinter den Erwartungen zurück. Clipping-Fehler, aufpoppende Objekte und die texturarmen Levels mit ihren sich häufig wiederholenden Grafikelementen und gleich aussehenden Darstellern werfen ein insgesamt trübes Licht auf die dank übermäßigem Tiefenschärfe-Gebrauch ohnehin schon vernebelt wirkende Optik. Ständige Ruckler beim Zwischenladen und die teilweise komplett von den Dialogen abweichenden Untertitel tragen ihr Übriges dazu bei, dass "Call of Juarez: The Cartel" unterm Strich unfertig wirkt.

Das Spiel selbst bietet schließlich auch nichts, was man an anderer Stelle und in den beiden Vorgängern nicht schon gesehen hätte. Auf Schießereien mit Schießbuden-Flair, bei denen man von Zeit zu Zeit über die Flanke vorrücken muss, während die Kollegen Deckung geben, oder Türen eintreten darf, um dann in Zeitlupe Gegner auszuschalten, folgen in der Regel langweilige und teils nervige Fahrsequenzen bzw. Verfolgungsjagden. Nervig deshalb, weil die einzige Orientierungshilfe im Straßengewirr ein kleiner weißer Punkt ist, der erst dann das nächste Etappenziel anzeigt, wenn man bereits unmittelbar davor steht. Rechtzeitig die passende Ausfahrt zu erwischen, wird dadurch zum Glücksspiel.

Gute Ideen nicht fertig gedacht
Versuche, die Monotonie durch optionale Nebenmissionen zu durchbrechen, gehen leider nach hinten los. So kann man zwar zwischenzeitlich den bösen Cop spielen und etwa durch das Stehlen diverser Gegenstände eigene Interessen verfolgen; wird man dabei jedoch erwischt, hat dies lediglich eine Konsequenz: Es gibt weniger Erfahrungspunkte, wodurch dem Spieler gewisse Waffen länger vorenthalten bleiben.

Koop- und Multiplayer-Modus
Angesichts dieser negativen Aspekte erscheint es schon fast nebensächlich, dass "Call of Juarez: The Cartel" nach der 15 Missionen umfassenden Kampagne noch einen Koop-Modus für drei Spieler sowie einen Multiplayer-Part zu bieten hat, in dem sich Gamer neben einem Team-Deatchmatch-Modus zum Beispiel im Bankraub oder dem Beschützen eines Zeugen versuchen können, während die Gegenseite dies zu verhindern versucht.

Fazit: Warum sich die Macher von "Call of Juarez" vom originellen und nach wie vor relativ unverbrauchten Wild-West-Szenario verabschiedet haben, nur um dann einen "neuen Wilden Westen" - O-Ton Ubisoft - zu kreieren, der krampfhaft und leider vergeblich versucht, alte Wild-West-Elemente (Outfit, Musik, doppelte Revolver) mit der Gegenwart zu vereinen, bleibt unverständlich. Vom Charme der beiden Vorgänger ist in "Call of Juarez: The Cartel" jedenfalls nichts mehr zu spüren, was nicht nur der emotionslosen Erzählweise, sondern auch der lieblosen und fehlerhaften Präsentation zu verdanken ist.

Plattform: PS3 (getestet), Xbox 360, PC
Publisher: Ubisoft
krone.at-Wertung: 6/10

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