Ex-EZB-Ökonom:

“Bei Umschuldung müssen Griechen raus aus Eurozone”

Ausland
19.07.2011 13:20
Das Ringen um die Rettung Athens aus der Schuldenkrise geht weiter. Nun hat der Ex-Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, vor einer Umschuldung Griechenlands als Teil der Eurozone gewarnt. "Bleibt Griechenland danach Mitglied in der Währungsunion und kann auf weitere Hilfen sowie eine Refinanzierung bei der EZB vertrauen, ist das Ende der Währungsunion eingeläutet", sagte Issing am Dienstag.

"Griechenland wird seine Schulden nicht bedienen können. Simulationen, die etwas anderes zeigen, beruhen auf unrealistischen Annahmen. Ein massiver Schuldenschnitt ist also unvermeidlich", erklärte der deutsche Ökonom der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Wenn Griechenland aber nach einer Umschuldung im Euroraum bleiben dürfe, hätte dies fatale Signalwirkung. Denn in Griechenland würden so gut wie alle Reformbemühungen eingestellt, betonte der 75-Jährige. Das Land erhalte faktisch "einen Freibrief, mit der verhängnisvollen Politik der Vergangenheit fortzufahren".

Eine weitere Folge wäre die Ausbreitung auf andere Mitgliedstaaten - und das wäre "der wirkliche GAU". Dann sei nicht mehr vorstellbar, dass etwa Irland seinen Reformkurs fortsetze: "Wie soll die Regierung ihren Bürgern erklären, dass weitere harte Einschnitte notwendig sind, wenn es denn so viel leichter geht, indem man sich über die drastische Reduzierung der Schulden der Probleme entledigen kann."

Issing für Griechenland-Ausschluss aus Eurozone
Wenn die Staatschefs der Eurozone eine Umschuldung Griechenlands ohne Ausschluss aus der Währungsunion zulassen, sieht Issing schwarz für die Währungsunion. "Dann wird eine Lawine losgetreten. Die Dynamik wird sich nicht mehr aufhalten lassen. Die Einladung, sich von einem großen Teil der Schulden zu befreien, wird sich für Länder mit hoher Staatsschuld als unwiderstehlich erweisen."

Als einer der Architekten des gemeinsamen Währungsraums kritisierte Issing zudem die Idee, die Schuldenkrise durch die Ausgabe sogenannter Eurobonds, also gemeinsamer europäischer Anleihen, zu bekämpfen. "Politiker, die mit solchen Maßnahmen die Währungsunion retten wollen, werden sich als Totengräber eines stabilen Euro erweisen."

OeNB-Chef Nowotny: "Teilausfall nicht zwingend negativ"
Der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, sieht die Situation nicht ganz so negativ. Ein teilweiser Zahlungsausfall Griechenlands, so EZB-Ratsmitglied Nowotny, würde nicht zwingend schwere negative Folgen haben. "Es gibt einige Vorschläge, die einen sehr kurzlebigen teilweisen Zahlungsausfall beinhalten, die nicht wirklich erhebliche negative Konsequenzen hätten", sagte Nowotny am Dienstag dem US-Fernsehsender CNBC. Nowotny wies darauf hin, dass die Einstufung als zahlungsunfähig zeitlich begrenzbar sei.

Es gebe eine breite Palette an möglichen Optionen oder Definitionen, die von einem klaren Schuldenschnitt bis zu einem zeitweisen Zahlungsausfall reichen. Allerdings sagte Nowotny auch, dass ein vollständiger Zahlungsausfall Griechenlands vermieden werden müsse. Dies hätte "sehr gravierende Konsequenzen", insbesondere im Hinblick auf die EZB und die Fähigkeit der Notenbank, griechische Anleihen auch künftig als Sicherheit zu akzeptieren.

Es gebe viele Möglichkeiten, und diese müssten sehr ernsthaft diskutiert werden, so der OeNB-Chef. Derzeit suchen die Euro-Länder mit Hochdruck nach Wegen für ein zweites Hilfsprogramm für Griechenland, an dem im Gegensatz zum ersten Programm auch der Privatsektor beteiligt werden soll.

Deutschland will private Gläubiger für Griechenland-Hilfen
Zuvor hatte vor allem Deutschland mehrmals eine Beteiligung privater Gläubiger an den Griechenland-Hilfen gefordet. Die Euro-Länder haben zu diesem Zweck nun offenbar doch eine neue Finanzmarktsteuer in Betracht gezogen. Das sieht eine der drei Optionen vor, über die Experten der Euro-Staaten vergangene Woche in einer Telefonkonferenz diskutierten. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf ein entsprechendes Protokoll schreibt, würde die Steuer mit einer freiwilligen Laufzeitenverlängerung seitens der Banken kombiniert. Dies wäre die einzige der drei Varianten, bei der die Ratingagenturen Griechenland nicht für pleite erklären würden. Die Variante mit der Bankensteuer wird von Frankreich und Griechenland selbst unterstützt.

Beratungen über neues Hilfspaket am Euro-Sondergipfel
Die Euro-Länder wollen über das neue Hilfspaket zur Rettung Athens bei ihrem Sondergipfel am Donnerstag beraten. Die erste der drei diskutierten Varianten würde die Finanzlage des überschuldeten Euro-Landes am meisten verbessern, wäre jedoch mit den höchsten Verbindlichkeiten für die Geberländer verbunden und würde zur Bankrotterklärung Griechenlands führen. Den privaten Gläubigern würde danach für neue Kredite an Griechenland eine öffentliche Garantie - eine sogenannte Kreditverstärkung - gewährt. Hinzu käme ein Schuldenrückkauf über Gelder des Euro-Rettungsfonds EFSF. Dieser müsste außerdem Mittel zur Refinanzierung griechischer Banken und Sicherheiten für die Europäische Zentralbank aufbringen, damit diese den dortigen Banken noch Kredit gibt. Zahlen werden in dem Papier allerdings nicht genannt.

Die zweite Option verzichtet auf einen Schuldenrückkauf und bezieht die Privatgläubiger über einen Anleihetausch ein, wie es die französischen Banken vorgeschlagen haben. Griechenland würde durch niedrigere Zinsen und längere Laufzeiten der Kredite des EFSF entlastet. Wie im ersten Fall wäre die Pleiteerklärung durch die Ratingagenturen nicht zu vermeiden.

Das dritte Modell mit der Bankensteuer würde nicht zum Zahlungsausfall führen. Die Gläubiger würden freiwillig weiter Griechen-Bonds kaufen. Die Variante wird von der Regierung in Athen favorisiert: "Unser Ziel ist es, selbst einen nur teilweisen Zahlungsausfall zu vermeiden", sagte Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos. Es gebe Vorschläge, die dieses Kriterium erfüllten. Der Finanzminister äußerte sich zuversichtlich, dass der Gipfel eine Lösung finden werde. "Diese Lösung schließt nicht nur Griechenland ein - es geht um den Euro und die Widerstandsfähigkeit der Eurozone."

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