Ernster Hintergrund

Nudelsieb-Aktion ist ein Kampf gegen Kirchenprivilegien

Österreich
14.07.2011 11:57
Bewunderung, aber auch Spott hat sich der "Mann mit dem Nudelsieb" in den letzten zwei Tagen aus allen Teilen der Welt geholt. Für einige ist er ein Spinner, der die Behörden als "Pastafari" verulken und gar ein ganzes Land lächerlich machen will. Für andere ist Niko Alm ein Lobbyist der Atheisten und Kämpfer gegen unhinterfragte Religionsreflexe. Am Donnerstag gab der Wiener Unternehmer eine Pressekonferenz, in der er den ernsten Hintergrund seiner Aktion erklärte.

"Das Ganze ist nicht nur Spaß", sagte Alm den anwesenden Reportern. Tatsächlich sieht er in den Führerscheinfoto-Ausnahmen für Angehörige von Religionsgemeinschaften ein "kleines Privileg" für Kirchen in Österreich. Die Vorgeschichte: Alm, der auch Sprecher des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien ist, war 2008 ein Folder aus der Gorbach-Zeit des Verkehrsministeriums in die Hände gefallen, der Kopfbedeckungen auf Führerscheinfotos untersagte - außer für Angehörige von Religionsgemeinschaften.

Wer glaubt, darf Sonderrechte haben?
Mittlerweile ist klar, dass dies im Gesetz nicht so definiert ist (was Alm aber offenbar gar nicht wusste). Dort steht nämlich nur, dass das Gesicht unverdeckt und erkennbar sein muss. Kein Wort von Frisuren oder gar Mützen. Verraten hat das das Verkehrsamt selbst, das mit einer Richtigstellung eigentlich versichern wollte, Alms "Pastafarianismus" nicht als Religion anerkannt zu haben. Indirekt ist es ein Geständnis, dass die Behörden nicht im Gesetz festgeschriebe Verbote anwenden, dabei aber Gläubigen Ausnahmen gewähren.

Die Autoren der Broschüre, die in den Ämtern bis zu Alms ungewöhnlichem Nudelsieb-Antrag offenbar mehr Gewicht hatte als der echte Gesetzestext, müssen wohl Junglenker mit Indianerfedern und Prinzessinnenkronen vor Augen gehabt haben. Mit dem erfundenen Kopfbedeckungs-Paragrafen wurde dies per Broschüre faktisch verboten. Nur halt nicht für jene, die aufgrund ihres Glaubens eine Kopfbedeckung tragen. Denn das würde ja gegen die Religionsfreiheit verstoßen.

Alm hinterfragt diesen Religionsreflex der Behörden. Denn im Grunde wollte Vater Staat mit der Broschüre dem österreichischen Staatsbürger das Recht, auf seinem Führerscheinfoto so aus- und dreinzuschauen, wie er/sie möchte, abspenstig machen - zumindest der Mehrheit der österreichischen Staatsbürger, die keiner mit Kopfzier verbundenen Religion angehören. Das ist es, was Niko Alm mit seiner Nudelsieb-Aktion im Grunde aufgedeckt hat.

Warum müssen Kardinäle und Nonnen nicht zum Amtsarzt?
"Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Österreicher, denen ausdrücklich bescheinigt wurde, psychisch gesund zu sein", erklärte Alm bei seiner Pressekonferenz. Der PR-Unternehmer fragte sich vor den Reportern, ob etwa Kardinal Schönborn, eine Nonne oder eine Muslima ebenso zum Amtsarzt geschickt würden, wenn diese eine geistliche Kopfbedeckung auf dem Führerscheinfoto tragen.

Der Einsatz für die Trennung von Kirche und Staat sei der für ihn wichtige Hintergrund der Aktion, die eben nicht nur Satire sei. Nach wie vor würden nämlich staatliche Ausnahmegenehmigungen für Religionsgemeinschaften gelten, obwohl Staat und Kirche getrennt sein sollten. "Wir sind jetzt im 21. Jahrhundert, und man könnte sich erwarten, dass die Republik Österreich nicht weitere Buckeleien vor der Kirche verrichtet. Wir wollen Laizität in diesem Land, und wir sind der Meinung, dass Religion Privatsache ist."

Bekämpfen will Alm derartige Privilegien unter anderem mit dem Kirchenvolksbegehren, für das derzeit Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Die notwendigen rund 8.000 Unterschriften werde man sicher erreichen, meint Alm. "Wir sind gut unterwegs."

"Fliegendes Spaghettimonster" als Satire-Aufhänger
Aber auch an der weiteren Anerkennung der Reglionsparodie des "Pastafarianismus", die Alm als Aufhänger für sein Führerscheinfoto heranzog, arbeite man. So will Alm den Glauben an das "Fliegende Spaghettimonster" als eingetragene Bekenntnisgemeinschaft anmelden, danach als gesetzlich anerkannte Kirche - samt eigenen Kindergärten, Fakultäten auf Unis, Friedhöfen und rechtlichen Vorteilen. "Wenn jemand ein böses Wort über uns sagt, kann er strafrechtlich belangt werden", meint Alm wohl in Bezug auf das Delikt "Herabwürdigung religiöser Lehren". Das einzige religiöse Dogma der "Pastafari" ist übrigens, das es keine Dogmen geben darf.

Unterstützung erhält Alm unter anderem vom Kabarettisten und Wissenschafter Heinz Oberhummer ("Science Busters") sowie seit Mittwoch auf Internetplattformen wie Facebook, wo Profilfotos mit Nudelsieb populär geworden sind. Satire sei "eine der wirksamsten Methoden", um gegen etablierte Religionen in der Öffentlichkeit anzukommen. Oberhummer kritisiert auch, dass etwa geplant sei, den Ethikunterricht für Konfessionsfreie auch von Religionslehrern abhalten zu lassen. Und auch die erhöhte Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags stört ihn: "Das heißt, dass wir alle zur Kasse gebeten werden, nur damit die reichsten Katholiken keine Steuern zahlen."

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