Nach 74 Jahren "Exil"

Psychologie-Pionier Adler fand nun in Wien letzte Ruhe

Wien
12.07.2011 16:05
Spät, aber doch – nach 74-jährigem "Exil" in Edinburgh ist der am 28. Mai 1937 in Aberdeen verstorbene Individualpsychologe Alfred Adler am Dienstag am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt worden. Am Urnenbegräbnis des Wiener Begründers der Individualpsychologie nahmen rund 150 Personen teil, unter ihnen Margot Adler, eine Enkelin des Verstorbenen. Die Bestattung erfolgte im Vorfeld des 25. Internationalen Kongresses für Individualpsychologie (14. bis 17. Juli) in Wien.

"Hundert Jahre nach ihrer Grundlegung ist die Individualpsychologie eine produktive Wissenschaft der menschlichen Psyche mit zahlreichen Weiterentwicklungen und Forschungsgegenständen", resümierte Margot Matschiner-Zollner, Präsidentin des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie, aus diesem Anlass. Am Zentralfriedhof versammelten sich auch zahlreiche Vertreter von Adlers "Schule". Mit Giansecondo Mazzoli war auch der Generalsekretär der internationalen Gesellschaft für Individualpsychologie gekommen.

Frühes Interesse für sozial Benachteiligte
Alfred Adler zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten Österreichs, die das Wissen um die Psyche des Menschen von Grund auf revolutionierten. Seine Theorien wie jene über den "Minderwertigkeitskomplex" oder das "Gemeinschaftsgefühl" sind zum allgemeinen geistigen Erbe geworden, das in Medizin, Kunst und Wissenschaft Eingang gefunden hat. Der spätere Arzt wurde 1870 in Wien-Fünfhaus geboren. Aus bürgerlich-liberalem Elternhaus stammend, interessierte er sich bereits früh für sozial Benachteiligte und die damals erstarkende Arbeiterbewegung.

Zerwürfnis mit Sigmund Freud
Vom Krankheitsverständnis der damaligen Schulmedizin unbefriedigt, traf Adler auf die Ideen Sigmund Freuds und nahm schließlich auf dessen Einladung 1902 an der "Mittwochgesellschaft" teil, in der er durch eigenständige Überlegungen und Theorien zu einem der wichtigsten Mitarbeiter Freuds wurde. Die "Studie über die Minderwertigkeit von Organen" (1907) setzte einen Meilenstein in der Erkenntnis zur Psychosomatik. Als Freud allerdings durch die Arbeiten Adlers seine Libido-Theorie infrage gestellt sah, kam es 1911 zum Bruch zwischen den beiden. Adler gründete den Österreichischen Verein für Individualpsychologie.

Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte die Individualpsychologie eine große Blüte, die in Wien bis weit in die sozialpolitischen Fragen der Zeit hinein reichte: So waren grundlegende Reformen im Erziehungs-, Sozial- und Gesundheitswesen des "Roten Wien" eng mit dem Engagement Adlers und der Vertreter seiner Schule verknüpft. 1924 wurde Adler zum Professor am Pädagogischen Institut ernannt. Nach der Machtübernahme durch den Austrofaschismus emigrierte Adler 1934 in die USA. Am 28. Mai 1937 brach er im Rahmen einer internationalen Vortragstournee während eines Spaziergangs in Aberdeen in Schottland tot zusammen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele