Immunitäts-Votum

EU stellt Weichen für Verfahren gegen Hans-Peter Martin

Österreich
11.07.2011 17:45
Die EU-Abgeordneten haben die Weichen für ein österreichisches Justizverfahren gegen den mit Betrugsvorwürfen konfrontierten EU-Abgeordneten Hans-Peter Martin gestellt. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments stimmte am Montag einstimmig für eine von der Staatsanwaltschaft Wien geforderte Aufhebung von Martins parlamentarischer Immunität. Endgültig entscheiden soll darüber das Plenum im September.

Hans-Peter Martin hat mit dem jetzt erfolgten Votum offenbar kein Problem: "Selbstverständlich setze ich diese parlamentarische Arbeit auch intensiv fort, wenn im September 2011 nunmehr schon - wie bereits Anfang 2008 - zum zweiten Mal meine Immunität aufgehoben werden wird", teilte er schriftlich mit. "Dabei werde auch ich für die Aufhebung stimmen, da sie die formale Voraussetzung dafür ist, dass sich die Staatsanwaltschaft in Wien mit den haltlosen Betrugsvorwürfen beschäftigen kann."

Erhoben hatte die Vorwürfe Martins Ex-Kollege und früherer Büroleiter Martin Ehrenhauser, der bei seinem Austritt aus der "Liste Martin" eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien abgegeben hatte. Aus ihm "zugespielten Dokumenten" über die von Martin im Alleingang geführten Parteigeschäfte ergebe sich der Verdacht, der EU-Mandatar könnte sich persönlich an der staatlichen Wahlkampfkostenrückerstattung bereichert bzw. befreundete Firmen begünstigt haben. Und zwar mit bis zu einer Million Euro.

Stück für Stück neue Vorwürfe
Konkrete Verdachtsmomente veröffentlichte Ehrenhauser "zitzerlweise" über österreichische Medien. Zunächst wurde über Zahlungen der Partei im unteren fünfstelligen Bereich an einen Architekten und einen Anwalt berichtet, mit der beide für die Erledigung von Privatangelegenheiten Martins entlohnt worden sein sollen. Martin stritt dies ab, es habe sich um Parteigeschäfte gehandelt.

Dann tauchten Dokumente auf, laut denen Martin der Partei seine Wiener Wohnungen zu "stark überhöhten Preisen" als Büro vermietet habe. Es geht um rund 250.000 Euro in den Abrechnungen. Martin erklärte, die eine Hälfte des Betrages decke "die Mieten in zwei Objekten in drei Jahren in Österreich ab", die zweite beziehe sich auf zwei Büros im Zeitraum von sechs Jahren. Die Vorwürfe erklärte Martin nunmehr damit, dass die von Ehrenhauser verteilten Unterlagen nur "Entwürfe" seien und sich dieser in seinen Behauptungen auf falsche Informationen stütze.

Über 800.000 Euro an befreundeten Berater?

Später hieß es dann, dass Martin einer praktisch nie öffentlich auftretenden Firma namens "Support and Solutions" eines mit ihm befreundeten Psychologen satte 832.800 Euro aus der Wahlkampfrückerstattung zukommen habe lassen. Ehrenhauser: "Hinter dem weder in einer Datenbank noch im Telefonverzeichnis aufscheinenden 'Dienstleistungunternehmen' steht ein mit Martin befreundeter Tübinger Psychologe. Beide betonen, das Unternehmen habe die Liste Martin mit 'Projektbegleitung, strategischer Planung und Beratung, Supervision und Coaching unterstützt', entsprechende Belege wären den Wirtschaftsprüfern vorgelegt worden. Laut der Sachverhaltsdarstellung, welche der Staatsanwaltschaft vorliegt, besteht der Verdacht der vermtlichen Täuschung der Wirtschaftsprüfung durch Vorlage von Scheinbelegen."

Leistungen über Jahre hinweg erbracht?
Martin behauptet, dass die Firma ein "Netzwerk" sei, mit "Universitäten und internationalen Beratungsunternehmen" als Partner. Sein Freund, der Psychologe, sei seit 1997 Unternehmensberater und habe 80 feste Mitarbeiter. Die Leistungen seien "über Jahre hinweg" erbracht worden.

Martin will der Firma nach eigenen Angaben auch "nur" 694.000 Euro bezahlt haben. "Support and Solutions ist eine Dienstleistungsfirma, die mit verschiedenen Consultern und Firmen zusammenarbeitet, aber selbst nicht an die Öffentlichkeit tritt", versucht der EU-Mandatar in einer seitenlangen Presseaussendung zu erklären, warum die Firma nirgendwo aufscheint.

Heckenschützen und Königsmorde

Nicht nur wurden die Geldbeträge immer höher, der Streit der beiden einstigen Mitstreiter wurde auch zunehmend persönlich. Martin bezeichnete Ehrenhauser als einen "Heckenschützen", der sich als eingeladener Kandidat vor der EU-Wahl "schwankend" verhalten habe. Ehrenhauser habe seine Kandidatur mit Martin nämlich zurückziehen wollen und dies mit den Worten "Ich werde meinen Kopf doch nicht für ein Projekt hinhalten, an das ich nicht glaube" begründet haben. "Als es dann gut lief, war er am letztmöglichen Tag, dem 4. Mai 2009, dann doch wieder bereit anzutreten", stichelt Martin gegen seinen Ex-Kollegen.

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