Buzek an Österreich

“Wir retten die Griechen, weil wir euch retten wollen”

Österreich
08.07.2011 15:49
EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek hat am Freitag in einer Rede vor dem österreichischen Nationalrat an die Solidarität mit dem hoch verschuldeten Griechenland appelliert. "Wir retten die Griechen, weil wir euch retten wollen", sagte Buzek in einer an Österreichs Bevölkerung gerichteten Botschaft. Der polnische Politiker nahm als erster EU-Mandatar das durch den Lissabon-Vertrag geschaffene Rederecht von Europaabgeordneten vor Österreichs Parlament wahr.

Die gegenwärtige Krise sei "keine Krise des Euros", sondern eine Schuldenkrise in einigen Staaten, sagte Buzek. Die Staaten der EU müssten sich nun "solidarisch" mit Griechenland und anderen Schuldenstaaten zeigen. Die Krise werde eine Konsolidierung der nationalen Haushalte in den betreffenden Staaten notwendig machen, sagte Buzek. Dafür brauche es auch eine stärkere Abstimmung der EU-Staaten untereinander.

"Wäre nicht eine weitere Tranche des europäischen Rettungspaketes an Griechenland überwiesen worden, hätten die Griechen im Juli keine Gehälter bekommen", sagte der EU-Parlamentspräsident. Die Absicherungsmaßnahmen seien notwendig, da sonst eine Schuldenkrise in weiteren Staaten drohe.

Als Vorbild für die Budgetdisziplin sieht Buzek die baltischen Staaten Estland und Lettland. Diese seien von der Krise hart getroffen worden, hätten jedoch ein "drakonisches Reformsystem" durchgestanden, und sich dadurch wirtschaftlich erholt. "Geht es? Es geht!", sagte Buzek.

Finanzkrise von den USA "importiert"
Im Zuge der Debatte äußerte sich der Präsident des EU-Parlamentes auch zu den Auswirkungen von Schuldenproblemen auf die Weltwirtschaft. Die Sorge der EU solle nicht nur den Staaten Europas gelten, sondern auch den USA, so Buzek. Von dort habe Europa die Finanzkrise "importiert". "Wenn wir die Eurozone und die US-Wirtschaft vergleichen, sind wir im besseren Zustand", sagte Buzek.

Der Präsident des EU-Parlaments sprach sich zudem für langfristige Investitionen in die europaweite Infrastruktur aus. Derzeit verhandle man in Brüssel über einen gemeinsamen EU-Budgetrahmen von 2014 bis 2020 - dieser müsse über die gegenwärtigen Schwierigkeiten hinaus weisen, sagte Buzek. "Wir sollten den Mut dazu aufbringen, das Budget nicht allzu sparsam zu gestalten." Der Finanzrahmen solle nicht nur helfen, die Volkswirtschaften zu gesunden, sondern der Fokus müsse auf der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit liegen, so Buzek. Dazu gehörten Ausgaben für Energiefragen, Maßnahmen gegen den Klimawandel sowie für den Transport. "Das sind Investitionen, die bevorzugt auf europäischer Ebene getätigt werden sollen", sagte Buzek.

Opposition kritisiert Buzek-Rede: "Unser Geld wird geopfert"
Führende Oppositionsabgeordnete kritisierten im Nationalrat die Rede Buzeks. Es sei nicht einzusehen, dass "Geld europäischer Steuerzahler an die Banken geopfert" werde, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Er sprach sich für ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" aus - "Schuldenländer" sollen nach Meinung Straches in eine "zweite Eurozone" mit eigener Währung entlassen werden. Dem schloss sich BZÖ-Chef Josef Bucher an. Griechenland dürfe "nicht aufgegeben" werden, es solle jedoch "den Weg in die eigene Währung" gehen. Auch Alexander Van der Bellen von den Grünen fand kritische Worte zur Griechenland-Hilfe. Diese sei von den EU-Regierung ohne ausreichende Mitbestimmung der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments beschlossen worden.

Buzek war am Donnerstag zu einem zweitägigen Besuch in Wien eingetroffen. Nach einem Gespräch mit Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger nahm er am Donnerstagabend im Marmorsaal des Außenministeriums den Alois-Mock-Preis entgegen. Die Verleihung des Preises würdige das Engagement Buzeks für "die Stärkung der Demokratie und die Verteidigung der Menschenrechte". Der liberalkonservative Politiker, der von 1997 bis 2001 polnischer Premier war, steht seit 2009 an der Spitze des EU-Parlaments. Er habe nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages die neu gewonnenen Kompetenzen des Europäischen Parlaments voll ausgeschöpft und das Parlament zu einem gleichwertigen Gesprächspartner in der EU werden lassen, sagte Spindelegger.

Gespräch mit Faymann über EU-Finanztransaktions-Steuer
Bundeskanzler Werner Faymann traf Buzek am Freitag nach seiner Rede im Parlament zu einem Arbeitsgespräch. Der polnische EU-Politiker habe Österreich "großes Lob" für die Bewältigung der Finanzkrise und die guten Lebensbedingungen in Österreich ausgesprochen, so Faymann. Der Bundeskanzler habe mit Buzek unter anderem über die kommenden EU-Budgetverhandlungen sowie über die Möglichkeit der Einführung einer EU-Finanztransaktions-Steuer gesprochen.

Buzek ließ es sich bei seinem Besuch in Wien auch nicht nehmen, im historischen Reichsrats-Sitzungssaal des Parlaments am Platz seines Großonkels Josef Buzek, der zum Ende der Monarchie ein Mandat im Reichsrat innehatte, Platz zu nehmen (weitere Bilder).

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