Spektakuläre Wende

Strauss-Kahn unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt

Ausland
02.07.2011 09:27
Knalleffekt im Fall Dominique Strauss-Kahn: Sieben Wochen nach seiner Festnahme in New York wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung einer Hotelangestellten ist der Ex-IWF-Chef unter Auflagen wieder auf freiem Fuß. Die Reisepapiere des Franzosen wurden zwar einbehalten, die Kaution in Höhe von einer Million Dollar sowie Bürgschaften in Höhe von fünf Millionen Dollar bekommt er aber zurück. Zuvor waren bei den Ermittlungsbehörden massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers, einer 32-jährigen Einwanderin aus Guinea, aufgekommen.

Mit einem Lächeln verließ der 62-jährige Strauss-Kahn am Freitag gemeinsam mit seiner Frau Anne Sinclair das Gerichtsgebäude. Sein Anwalt erklärte, sein Mandant sei unschuldig. Er werde die Abweisung aller Klagepunkte verlangen. Bei der Gerichtsanhörung sagte der Anklagevertreter, es seien Zweifel an der Glaubwürdigkeit des 32-jährigen Zimmermädchens aufgekommen. Wie etwa aus Unterlagen der Staatsanwaltschaft hervorgeht, sagte die Frau bei einer Aussage vor Geschworenen nicht, dass sie nach dem angeblichen Vorfall in der Suite 2806 des Luxushotels zunächst noch ein anderes Zimmer reinigte, bevor sie ihren Vorgesetzten informierte.

Laut einem Bericht der "New York Times" vom Samstag hat die aus Guinea stammende Hotelangestellte, die Strauss-Kahn massive sexuelle Übergriffe vorwirft, zudem seit dem angeblichen Vorfall am 14. Mai "wiederholt" gelogen. Laut der Zeitung gibt es etwa Zweifel am Asylantrag des Zimmermädchens. Die 32-Jährige, die seit 2002 in den USA lebt, habe möglicherweise auch Verbindungen zu Kriminellen, die im Drogenhandel und in der Geldwäsche aktiv sein sollen.

"Mach dir keine Sorgen, dieser Kerl hat viel Geld"
Zudem soll sie einen Tag nach der Begegnung mit Strauss-Kahn mit einem in Arizona inhaftierten Mann telefoniert und dabei über die finanziellen Vorteile einer Klage gegen den damaligen IWF-Chef gesprochen haben. Laut dem Zeitungsbericht soll sie sinngemäß gesagt haben: "Mach dir keine Sorgen, dieser Kerl hat viel Geld. Ich weiß, was ich tue." Das "Wall Street Journal" schrieb am Samstag: "Der Fall ist vorbei. Oder er sollte zumindest vorbei sein."

Der Anwalt der Hotelangestellten hält jedoch an den Vorwürfen fest. Sie habe beim Asylantrag nur deshalb falsche Angaben gemacht, weil sie in ihrer afrikanischen Heimat vergewaltigt worden sei und Angst gehabt habe, zurückgeschickt zu werden. Seine Mandantin habe zwar "einige Fehler" gemacht, sie sei aber nicht in kriminelle Machenschaften wie Drogenhandel verstrickt. Außerdem gebe es klare Beweise dafür, dass es sexuellen Kontakt zwischen ihr und Strauss-Kahn gegeben habe. Die einzige Verteidigungslinie Strauss-Kahns sei, dass er einvernehmlichen Sex mit der 32-Jährigen hatte. "Das ist eine Lüge", fügte der Anwalt hinzu.

Staatsanwalt Cyrus Vance wiederum sagte, dass er "nur der Wahrheit und den Fakten" verpflichtet sei: "Es ist die höchste Pflicht eines US-Staatsanwalts, dass die Rechte derer, die Hilfe bei der Justiz suchen, gewahrt bleiben." Aber es gehe um Gerechtigkeit: "Wir müssen für beide Seiten fair sein. Deshalb wäre es ungerecht gewesen, die Zweifel an der Zeugin nicht mitzuteilen." Trotz der Freilassung werde weiter ermittelt. "Der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Wir werden weitermachen, wie es unsere Pflicht ist." Die nächste Verhandlung soll am 18. Juli stattfinden.

Strauss-Kahn feierte mit Ehefrau und Freunden
Am Abend nach seiner Freilassung besuchte Strauss-Kahn gemeinsam mit seiner Frau Anne Sinclair und einem befreundeten Paar ein italienisches Restaurant auf Manhattans Upper East Side. Beim Verlassen des Restaurants gab es ein Blitzlichtgewitter der dort wartenden Fotografen - Strauss-Kahn und seine Frau lächelten jedoch nur und antworteten nicht auf die Fragen der Journalisten.

Nach der Entscheidung des Gerichts war der frühere IWF-Chef zunächst in seine Wohnung zurückgekehrt, in der er zuvor unter Hausarrest stand. Später am Tag wurden Luftballons in die Wohnung geliefert, darunter auch eine aufblasbare Freiheitsstatue, um damit die wiedergewonnene "Freiheit" des Franzosen zu feiern. Am Abend verließ Strauss-Kahn schließlich den Apartmentkomplex. Der 62-Jährige zeigte sich den vor dem Gebäude wartenden Journalisten mit breitem Lächeln und stieg anschließend in ein Auto.

Parteifreunde: "Wahrheitsfindung kommt voran"
In Frankreich reagierten Strauss-Kahns Parteifreunde erfreut auf seine Freilassung. In seiner Sozialistischen Partei wurden sogar Stimmen laut, dem ehemaligen Favoriten für die Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr noch eine Chance zu geben. Sozialisten-Chefin Martine Aubry erklärte, sie glaube, dass die Wahrheitsfindung in den Vereinigten Staaten vorankomme.

Ex-Parteichef Francois Hollande, der sich neben Aubry um die Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 2012 bewirbt, schlug nach der Freilassung eine Verlängerung der am 13. Juli endenden Bewerbungsfrist vor. Er habe diesbezüglich "überhaupt keinen Vorbehalt", sagte er. Der frühere sozialistische Regierungschef Lionel Jospin sprach nach der Gerichtsentscheidung von einem "Donnerschlag - nur diesmal in umgekehrter Richtung".

Festnahme am 14. Mai direkt vor Abflug nach Paris
Der Fall war am 14. Mai ins Rollen gekommen, nachdem das Zimmermädchen angegeben hatte, dass Strauss-Kahn sie in seinem Hotelzimmer splitternackt überfallen und zum Oralsex gezwungen habe. Der Franzose wurde gut vier Stunden später, kurz vor dem Abflug nach Paris, in einem Jet festgenommen und saß seitdem in Haft.

Die letzten Wochen durfte er allerdings nach Hinterlegung einer Kaution von sechs Millionen Dollar unter strengen Auflagen in einem großzügigen Apartment in Manhattan wohnen. Strauss-Kahn weist die Vorwürfe gegen sich zurück und plädiert auf nicht schuldig. Wegen der Vorwürfe war er jedoch als IWF-Chef zurückgetreten, eine Nachfolgerin wurde mittlerweile gewählt (siehe Infobox).

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