"Brachiale Gewalt"

Polizisten von Stuttgart-21-Gegnern verletzt

Ausland
21.06.2011 08:36
Hunderte Stuttgart-21-Gegner haben nach der traditionellen "Montagsdemonstration" gegen das Bahnprojekt eine Baustelle gestürmt und dabei neun Polizisten verletzt. Einer davon wurde schwer verletzt, als er einen Demonstranten kontrollieren wollte, der zuvor eine Sachbeschädigung begangen hatte. Der Zivilbeamte wurde mit Kopf- und Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Die acht anderen Sicherheitskräfte erlitten ein Knalltrauma, nachdem eine selbst gefertigte Knallbombe nahe der Polizeikette gezündet worden war.

Laut der Exekutive seien die Demonstranten mit "brachialer Gewalt" vorgegangen. So hätten sie den Bauzaun auf einer Länge von rund 200 Metern niedergerissen sowie Baufahrzeuge beschädigt und Baumaterial zerstört. Einige Aktivisten besetzten die Wassertanks und das Dach einer Fabrikhalle für das Grundwassermanagement für den geplanten Tiefbahnhof. Sie haben mit Anzeigen wegen Land- und Hausfriedensbruch zu rechnen. Hinsichtlich der Attacken auf die Beamten ermittelt die Polizei gegen Unbekannt, erhofft sich aber weitere Aufschlüsse von den zahlreichen während der Besetzung gemachten Fotos. Die Exekutive sprach von einer schweren Aggression, feindseliger Stimmung und großer Emotionalität des Protestes.

Minister: "Gewalt schadet dem Protest gegen Suttgart 21"
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen forderte die Stuttgart-21-Gegner auf, zu gewaltfreien und zivilen Formen des Protestes zurückzukehren. "Gewalttätige Angriffe einzelner Demonstranten auf Polizeibeamte gehören nicht dazu", sagte er Montagnacht. Damit verspiele man die Sympathien bei den Menschen, die aus guten Gründen das Milliarden-Bahnprojekt ablehnen. "Gewalt schadet nicht Stuttgart 21, sondern dem Protest dagegen", fügte der Minister, der ein leidenschaftlicher Stuttgart-21-Gegner ist, hinzu.

Bei den Demonstranten waren keine Verletzten zu beklagen. Der Polizei zufolge hatten vorher 3.000 Menschen friedlich gegen das 4,1 Milliarden Euro teure Bahnvorhaben demonstriert. Bereits am Morgen war eine Sitzblockade der Baustelle ohne große Rangeleien aufgelöst worden. Zuletzt waren Ende September 2010 mehr als 100 Demonstranten und auch etliche Polizisten vor den Baumfällarbeiten für Stuttgart 21 im Stuttgarter Schlossgarten verletzt worden.

Projekt-Sprecher: "Das ist schlicht und einfach kriminell"
Der Sprecher für das Projekt, Wolfgang Dietrich, sagte: "Nach meinem ersten Eindruck handelt es sich hier nicht mehr um zivilen Ungehorsam oder Recht auf Demonstration. Das ist schlicht und einfach kriminell." CDU-Fraktionschef Peter Hauk betonte: "Diese Art der gewaltvollen Protestaktionen muss aufhören." Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen müsse seine abwartende Haltung aufgeben und die Demonstranten zur Friedfertigkeit aufrufen. Auch Dietrich forderte Maßnahmen zur Deeskalation. Es müsse deutlich gemacht werden, dass die Bahn nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht habe, das Projekt fortzuführen. "Man kann nicht einerseits der Bahn Verstöße gegen den Geist der Schlichtung vorwerfen, andererseits aber zu friedlichen Demonstrationen aufrufen - das ist ein Widerspruch in sich."

Dagegen sprachen die "Parkschützer", eine Gruppe von Aktivisten, von "gelöster Feierabendstimmung", in der rund 1.000 Protestierende ein "Stück ihrer Stadt wieder in Besitz" genommen hätten. Die Versammlung sei friedlich verlaufen, es sei zu keinen Ausschreitungen gekommen, hieß es noch am früheren Abend. Die "Parkschützer" verlangen von der Bahn einen Baustopp. Die Bahn habe gar kein Baurecht, weil sie falsche Angaben zur Grundwasserentnahme gemacht habe. Die Bahn hatte durch Bohrungen festgestellt, dass sie die ursprünglich geplante Grundwasserentnahmemenge verdoppeln muss, und einen entsprechenden Antrag bei der Genehmigungsbehörde, dem Eisenbahnbundesamt, gestellt.

Bauarbeiten trotz Protest wieder aufgenommen
Der Konzern hatte kürzlich die seit Ende März ausgesetzten Bauarbeiten wieder aufgenommen - ungeachtet der Forderungen, diese mindestens bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse des Stresstests zur Kapazität der geplanten unterirdischen Station Mitte Juli ruhen zu lassen. Die Verlegung von 17 Kilometern Rohren für das Grundwassermanagement im Stuttgarter Zentrum steht unmittelbar bevor. Die Ständer dafür wurden zum Teil bereits errichtet.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz will unterdessen am Dienstag beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einen Eilantrag auf eine einstweilige Anordnung gegen den Weiterbau stellen. Die Naturschützer wollen wegen der von der Bahn beantragen erhöhten Grundwasserentnahme ein neues Planfeststellungsverfahren erreichen. Auch eine vom Umweltministerium in Auftrag gegebene Studie gibt dem den Aktivisten Recht. Die Bahn bestreitet die Notwendigkeit einer neuen Baugenehmigung.

Nach der Eskalation im Konflikt um das Bahnprojekt am Montagabend haben sich am Dienstag erneut Dutzende Demonstranten vor dem Bahnhofsgebäude versammelt. Sie hielten eine Mahnwache gegen das Bauprojekt ab. In der restlichen Nacht und am frühen Morgen war rund um die Baustelle und den Bahnhof alles friedlich geblieben, wie ein Polizeisprecher sagte.

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