OSZE-Vorsitz

Plassnik endgültig gescheitert – Türkei hält an Veto fest

Österreich
09.06.2011 16:17
Die Kandidatur von Ursula Plassnik für den Posten des OSZE-Generalsekretärs ist endgültig gescheitert. Die Türkei hat bei einer Sitzung der Botschafter am Donnerstag in Wien an ihrem Einspruch gegen die Ex-Außenministerin festgehalten. Dabei habe die Türkei "keine in Bezug auf die OSZE sachlich nachvollziehbare Begründung" für ihr Verhalten liefern können, ärgert sich Außenminister Michael Spindelegger. Experten kritisieren die Überreaktion in der Türkei, aber auch in Österreich.

"Das Konzept, der OSZE eine profilierte politische Führung in der Person einer erfahrenen Außenministerin zu geben, ist damit trotz breitester internationaler Unterstützung leider am Veto eines Mitgliedstaates gescheitert", so Spindelegger.

Zuvor hatte schon der litauische OSZE-Vorsitz die Kandidatur Plassniks abgeschrieben. Das Außenministerium in Vilnius äußerte sein Bedauern über das Veto der Türkei zum "früheren Vorschlag", den Spitzenposten Plassnik anzuvertrauen. Nun seien die Länder aber aufgerufen worden, die Kandidatur des italienischen Diplomaten Lamberto Zannier zu unterstützen. Der Vorsitz zähle auf eine "aufgeschlossene, wohlwollende und flexible Erwägung" dieser Kandidatur "und glaubt, dass dieser äußerst kompetente Kandidat von der gesamten Gemeinschaft als unser nächster Generalsekretär akzeptiert werden kann".

Einspruch wegen Beitritts-Skepsis
Die Türkei hatte am Wochenende Einspruch gegen die Nominierung Plassniks eingelegt. Als Grund wurde Medienberichten zufolge die Skepsis Plassniks gegenüber dem EU-Beitritt genannt sowie die Tatsache, dass sie gegen die OSZE-Prinzipien agiere. Österreich reagierte empört und verlangte eine Erklärung im Rahmen des Ständigen Rates der Organisation. Plassnik selbst zeigte sich noch am Montagabend zuversichtlich, das Veto der Türkei überwinden zu können, und bekräftigte ihre Bewerbung.

OSZE-Diplomaten sprechen hinter vorgehaltener Hand von einer Krise, zumal in der Personalangelegenheit die Zeit drängt. Das Mandat des derzeitigen Generalsekretärs Marc Perrin de Brichambaut läuft schon Ende Juni aus. Außenminister Spindelegger sagte am Donnerstag, durch das Veto gegen Plassnik sei das Nominierungsverfahren für den Generalsekretär in erhebliche Schwierigkeiten geraten.

Staaten wollen mehr Bedenkzeit
Tatsächlich dürfte auch die Nominierung Zanniers nicht so glatt verlaufen wie vom OSZE-Vorsitz erwünscht. Litauen hat den Mitgliedsstaaten ursprünglich nur bis Sonntag Zeit lassen wollen, um sich zur Kandidatur des italienischen Diplomaten zu äußern. Diese Frist dürfte nun auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, machten mehrere Mitgliedsstaaten geltend, dass sie mehr Zeit benötigen, um sich zur Nominierung von Zannier zu äußern. Zu diesen Ländern gehört auch Österreich. Außenminister Spindelegger will noch den Ministerrat am kommenden Dienstag abwarten, wo er über die Sondersitzung des OSZE-Rates berichten wird.

Beobachter rechnen damit, dass Zanniers Bewerbung erfolgreich sein wird. Allerdings gibt es Vorbehalte gegen ihn, weil sich einige OSZE-Staaten ein politisches Schwergewicht an der Spitze der Organisation wünschen. Zannier ist derzeit Chef der durch die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vor drei Jahren faktisch bedeutungslos gewordenen UNO-Mission in der ehemaligen südserbischen Provinz.

Experten kritisieren Überreaktion
Unverständnis für das Veto der Türkei gegen Plassnik als Kandidatin für den Posten des OSZE-Generalsekretärs, aber auch Kritik an der "Überreaktion" Österreichs äußerten Experten in der Nacht auf Donnerstag in der ORF-Sendung "Club 2". Ebenso wie in der Türkei habe es auch auf österreichischer Seite eine "Überreaktion" gegeben, erklärte etwa der Grazer Politologe Cengiz Günay vom Österreichischen Institut für Internationale Politik in der TV-Debatte.

"Ich sehe die Tendenz, dass sich die Außenpolitik von der Stimmung der Bevölkerung leiten lässt", so Günay. Die Ursachen für das türkische Vorgehen ortete der Politologe im wirtschaftlichen und politischen Aufschwung der Türkei: "Die Türkei möchte Akteur nicht nur in der Region, sondern auch auf internationaler Ebene sein. Daher drängt sie vermehrt in Spitzenpositionen und will sich gegen alte Seilschaften positionieren."

Ex-Botschafter: Veto gegen Plassnik "übertrieben"
Unverständnis für die "übertriebene Reaktion" der Türkei kam vom österreichischen Ex-Botschafter Wolfgang Wolte. Vor allem die Tatsache, dass der Einwand gegen die österreichische Kandidatin erst in letzter Minute erfolgt sei, habe Dramatik in die Sache hineingebracht, zumal die Kandidatur Plassniks ja bereits seit Langem bekannt war, so Wolte.

Als "politischen Unfall" bezeichnete Seyit Arslan, Chefredakteur der Österreich-Ausgabe der regierungsnahen türkischen Zeitung "Zaman", das Vorgehen Ankaras. Er kritisierte aber auch Plassnik: "Das Wort Aufnahmefähigkeit hat erst Ursula Plassnik in unseren (türkischen, Anm.) Wortschatz gebracht und das hat die Türkei nicht vergessen", so Arslan in der TV-Debatte mit Blick auf die EU-Beitrittsambitionen Ankaras.

Kritik an Plassnik kam auch von Integrationsexpertin Tülay Tuncel, die Parallelen zu möglichen aktuellen wahltaktischen Überlegungen der türkischen Regierung zog: "Im Jahr 2005 gab es einen starken Anti-Türkei-Wahlkampf in Österreich, und die ÖVP wollte Wien retten", erklärte sie die harte Haltung Plassniks damals zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Das sei dasselbe gewesen wie nun in der Türkei, erklärte Tuncel in Anspielung auf die türkischen Parlamentswahlen am kommenden Sonntag.

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