ÖBB-Privatisierung

Fekter-Vorstoß lässt politische Wogen hochgehen

Österreich
06.06.2011 18:11
Wieder einmal ist die Diskussion um eine Privatisierung der ÖBB losgebrochen, diesmal kam am Wochenende ein entsprechender Vorstoß von ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter. Die zuständige Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) erteilte der "entbehrlichen Verscherbelungsdebatte" am Montag eine klare Abfuhr. Für die FPÖ ist Fekters Vorschlag schlicht "ohne Konzept", die Grünen attestierten ihr "sinnfreies taktisch-ideologisches ÖBB-Geprügle". Einzig das BZÖ urgierte erneut einen raschen Verkauf der Bahn.

Fekter hatte am Wochenende deponiert: "Mir wäre eine strategische Partnerschaft am liebsten, damit das Werkl endlich funktioniert." Ob sich Bures eine "strategische Partnerschaft" für die Bahn vorstellen kann, ließ sie offen. Bereits jetzt hätten die ÖBB sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr "zahlreiche" strategische Kooperationen, beispielsweise arbeite man auf der Strecke München-Verona mit der Deutschen Bahn zusammen. Im Übrigen sei die Diktion "Werkl" verantwortungslos, empörte sich Bures. Die ÖBB sei eines der größten Unternehmen des Landes, ohne das die Mobilität sofort zusammenbrechen würde.

Bures: "Aus schwarz-blauen Fehlern lernen"
Prioritär sei nun, dass die Bahn ihren "harten Sanierungskurs" fortsetze, um ab 2013 schwarze Zahlen zu schreiben. "Da braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung der Regierung", so die Verkehrsministerin. Von daher sei auch die Finanzministerin eingeladen, "das Unternehmen zu stärken", anstatt eine Privatisierungsdebatte vom Zaun zu brechen. Man solle aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, so Bures in Anspielung auf die aus ihrer Sicht wenig erfolgreiche "Verkaufspolitik von Schwarz-Blau" - respektive AUA oder Austria Tabak, von den Bundeswohnungen "ganz zu schweigen".

Angesprochen auf die von ÖBB-Chef Christian Kern geforderte und von Fekter klar abgelehnte 400-Millionen-Euro-Kapitalspritze verwies Bures auf die aktuelle wirtschaftliche Situation der Bahn: Neben "krisenbedingten Einbrüchen im Güterverkehr" habe das neue ÖBB-Management auch mit "schweren Fehlern aus der Vergangenheit" zu kämpfen. Allein durch das Spekulationsgeschäft mit der Deutschen Bank seien 300 Millionen Euro in den Sand gesetzt worden - die Verantwortung dafür liege allein "beim alten Management und den damaligen Eigentümervertretern".

FPÖ will "Entflechtung von Parteibuchwirtschaft"
FPÖ-Verkehrssprecher Gerhard Deimek vermisst in der neuen Debatte "konstruktive Vorschläge" von Fekter, die Finanzministerin habe es bei "markigen Sprüchen" belassen. "Zwar solle das 'Werkl' endlich funktionieren, doch Geld für nötige strukturelle Reformen soll es keines geben. Dafür soll es an die Deutsche Bahn verschleudert werden", echauffierte sich der blaue Abgeordnete. Die Gesundung der Bahn könne nur über eine "nachhaltige Entflechtung von der bisher betriebenen Parteibuchwirtschaft" erfolgen. Vorbild könnte der oberösterreichische Stahlriese voestalpine sein, der durch die Polit-Einmischung in einen "kostspieligen Dornröschenschlaf" versetzt worden sei, sich aber nach der Umstrukturierung in einen "Wirtschaftsmotor für die ganze Region" verwandelt habe.

Grüne: Fekter soll vor eigener Türe kehren
Gar nichts von einer Privatisierung hält die grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser, die wieder einmal scharf in Richtung ÖVP schoss. Ministerin Fekter solle lieber "vor der eigenen Tür kehren, denn die ÖVP hat maßgeblich zur ÖBB-Misere beigetragen: mit Bahnreform, Filetierung, Spekulationschaos, dem überteuerten MAV-Cargo-Erwerb - an dem Raiffeisen gut verdient - und mit megateuren sachlich und moralisch überforderten schwarzblauen Bahnmanagern". Wenn Fekter will, dass "das Werkl wieder läuft", solle sie die "sinnlosen" Megaprojekte wie den Koralm- oder Brennerbasistunnel überdenken, so Moser.

BZÖ tritt weiterhin für rasche Privatisierung ein
Das BZÖ bekräftigte hingegen seinen Wunsch nach einer raschen Privatisierung der Bahn. "Traurig, dass die ÖVP durch Finanzministerin Fekter erst jetzt drauf kommt, die vom BZÖ geforderte ÖBB-Privatisierung umsetzen zu wollen", so der orange Verkehrssprecher Christoph Hagen.

Die Bahn selbst wollte sich zur Privatisierungsdebatte vorerst nicht äußern. "Das ist eine politische Frage, die der Eigentümer beantworten muss", sagte eine ÖBB-Sprecherin am Montag. "Für das ÖBB-Management steht die Sanierung im Vordergrund."

Verkehrsexperte für Verkauf in "Häppchen"
Verkehrsexperte Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuniversität könnte sich vorstellen, die Bahn in kleinen Teilen zu verkaufen. Im Personenverkehr könnten etwa die französische SNCF oder die Deutsche Bahn als Interessenten infrage kommen - zumindest, wenn man den Bereich um einen Euro oder gar wie bei der AUA mit einer stattlichen Mitgift anbieten würde. Kummer selbst würde aber mit einem Verkauf im Güterbereich anfangen, wobei hier momentan sicherlich nur ein schlechter Preis zu erzielen wäre. Die Infrastruktur müsse "zu 100 Prozent" in staatlicher Hand bleiben, meinte Kummer.

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