"Scheiß auf Ramsan"

Israilov-Prozess: Vor Ermordung zu Heimkehr gedrängt

Wien
24.05.2011 15:39
Der Prozess um den gewaltsamen Tod des tschetschenischen Dissidenten Umar Israilov im Jänner 2009 ist am Dienstag im Wiener Straflandesgericht fortgesetzt worden. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei ein Tonmitschnitt einer Begegnung Israilovs mit einem Tschetschenen auf der Wiener Donauinsel ein halbes Jahr vor der tödlichen Attacke. Stellenweise klingt der Dialog wie einem typischen Mafia-Film entsprungen, voller dunkler Andeutungen und Kraftausdrücke. "Scheiß auf Ramsan (Kadyrow, Anm.)", meint Israilov etwa an einer Stelle.

Israilov war am 13. Jänner 2009 in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen worden. Vor dem Schwursenat müssen sich seit November des Vorjahres drei Angeklagte, Otto K., Suleyman D. und Turpal-Ali Y., wegen der Ermordung Israilovs verantworten.

Israilov spürte in den Tagen vor seinem gewaltsamen Tod bereits, dass er von tschetschenischen Landsleuten verfolgt und überwacht wird. Ein entsprechendes Hilfegesuch bezüglich Schutzmaßnahmen an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) blieb allerdings ohne Folgen.

Disput auf Donauinsel aufgezeichnet
Laut seiner Witwe war Israilov bereits im Sommer 2008 wegen der von ihm eingeleiteten rechtlichen Schritte gegen den tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow bedroht worden. Ein tschetschenischer Unterhändler war dabei auf Israilov zugekommen und hatte ihn in Berufung auf Kadyrow zu einer Rückkehr in sein Heimatland gedrängt. Der Disput auf der Donauinsel wurde auf einem Mobiltelefon aufgezeichnet und ein Transkript dem Schwurgericht unter Vorsitz von Friedrich Forsthuber am Dienstag vorgelesen.

Israilov: "Ich scheiße auf seine Macht und auf sein Geld"
Der Bote, der sich in dem Gespräch immer wieder auf Kadyrow bezieht, den beide beim Vornamen nennen, biss bei Israilov auf Granit. "Ich scheiße auf seine Macht und auf sein Geld. Ich habe auch Macht und Geld gehabt", ist Israilov in dem Dialog zu hören. Das sei jetzt aber vorbei, insistierte der tschetschenische Unterhändler weiter: "Ich bin gekommen, um mit dir zu reden". In Bratislava würden fertige Dokumente für den reuigen Heimkehrer warten, verspricht er. Dieser blieb jedoch hart, woraufhin ihn der Abgesandte mit einer nicht weiter ausgeführten Andeutung: "Wenn ich wegfahre, wer dann kommt...", bedrohte.

Auch über eine Belohnung für eine Heimkehr von Israilov wurde debattiert. So versprach der Unterhändler einer dritten anwesenden Person 50.000 Euro, sofern der Gesuchte nach Tschetschenien zurückkomme. "Er wird sicher nach Hause kommen", so sein Angebot.

Zweitangeklagter: "Es war kein Mord an diesem Tag geplant"
Zuvor glich Richter Forsthuber am Dienstag zahlreiche Aussagen der Angeklagten aus den vorangegangenen Prozesstagen ab. Zu einer Befragung erklärte sich nur der Zweitangeklagte Suleyman D. bereit, der im wesentlichen jegliche Absichten bestritt, einen Mordanschlag auf Israilov geplant zu haben. "Es war kein Mord an diesem Tag geplant, weder um 4 Uhr, noch um 5 Uhr noch um 8 Uhr", meinte er etwa.

Als zentrale Figur bei Israilovs Ermordung gilt der 42-jährige Otto K. Er soll "die Gesamtverantwortung für die Operation, deren logistische Vorbereitung und Koordinierung" inne gehabt und "Kontakt zur tschetschenischen Führung" gehalten haben, heißt es in der Anklageschrift. Otto K. war laut Staatsanwalt Leopold Bien ein enger Vertrauter von Kadyrow. Er soll - vermutlich auf einen Auftrag des Präsidenten hin - Suleyman D. den Auftrag erteilt haben, "Umar Israilov zu überwältigen und zu verbringen oder ihn, falls dieses Vorhaben scheitern sollte, zu töten", so die Anklage. Suleyman D. war laut Darstellung der Strafverfolgungsbehörde intensiv in die Planung eingebunden.

Rechtshilfeansuchen an Moskau blieb bisher unbeantwortet
Angegriffen wurde Israilov nach Ansicht des Staatsanwalts von Letscha B., dem nach den tödlichen Schüssen die Flucht ins Ausland gelang, und dem 31-jährigen drittangeklagten Turpal-Ali Y. Das Wiener Gericht hat in einem Rechtshilfeersuchen an die Moskauer Generalstaatsanwaltschaft um Ausforschung und zeugenschaftliche Befragung von Letscha B. ersucht. Diese blieb bisher unbeantwortet, auch einer Urgenz folgte keine Reaktion, wie Richter Forsthuber berichtete. Man geht in der Wiener Justiz auch offenbar nicht mehr davon aus, dass dem Ansuchen noch Folge geleistet wird.

Die Verhandlung soll am 30. Mai fortgesetzt werden. Ein erstinstanzliches Urteil wird für Anfang Juni erwartet.

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