Rote benachteiligt?

Streit zwischen SPÖ und ÖVP wegen Geld für Gemeinden

Niederösterreich
14.05.2011 11:35
Rote Gemeinden sollen in Niederösterreich ein Drittel weniger Geld bekommen als schwarze. Diese Erkenntnis hat am Samstag eine österreichweite Debatte rund um die Verteilung von Bundesmitteln durch die Länder angeheizt. Während sich nun in Niederösterreich ÖVP und SPÖ mit gegenseitigen Vorwürfen überhäufen, zeigen die unterschiedlichen Berechnungsmodelle und Verteilungssysteme in den einzelnen Bundesländern vor allem eines: Funktionierender Föderalismus sieht anders aus.

Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Bericht des Nachrichtenmagazins "profil" in der Vorwoche. Die roten Gemeinden würden im ÖVP-regierten Bundesland Niederösterreich um rund ein Drittel weniger öffentliches Geld bekommen als die schwarzen, hieß es darin. Es geht dabei um die sogenannten Bedarfszuweisungen, das sind Steuereinnahmen, die der Bund im Rahmen des Finanzausgleichs an die Länder weiterreicht, damit diese sie unter den Kommunen verteilen. In Niederösterreich waren es 2010 in Summe 1,3 Milliarden Euro, davon 82 Millionen Euro für Sanierungen und besondere Projekte.

SPÖ-NÖ: Volkspartei betreibt "Drüberfahrer-Politik"
SPÖ-Landesgeschäftsführer Günter Steindl schoss sich daraufhin auf die Volkspartei ein. Landeshauptmann Erwin Pröll und die ÖVP sollen endlich damit aufhören, Niederösterreich als ihren "ganz persönlichen Selbstbedienungsladen" anzusehen. Die Gemeinden bräuchten Planungssicherheit für zukunftsweisende Investitionen.

Als Beispiel führte Steindl Waidhofen an der Ybbs, die Heimatgemeinde von ÖVP-Landesrat Wolfgang Sobotka an, die im Jahr 2010 mehr als 593.000 Euro erhalten habe, die SPÖ-geführte Kommune Amstetten hingegen nur knapp 89.000 Euro.

ÖVP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner warf im Gegenzug der SPÖ vor, ihre "landesfeindliche Hetze" auf die Gemeinden auszudehnen. Die Bedarfszuweisungen an die Gemeinden würden in Niederösterreich "nach klaren Regeln und Richtlinien beschlossen". SPÖ-Landesparteichef Sepp Leitner sitze bei allen Beschlüssen in der Landesregierung dabei.

Rot-schwarze Eintracht bei Vergabe im Burgenland
Im Burgenland bestätigten am Samstag sowohl SPÖ als auch ÖVP, dass die Vergabepraxis bei den Bundesmitteln seit vielen Jahren praktizierter Konsens sei. Von den im Vorjahr ausgeschütteten 25 Millionen Euro an Bedarfszuweisungen flossen rund 22 Millionen Euro direkt an die Kommunen, so Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Steindl (ÖVP). Die übrigen etwa zweieinhalb Millionen wurden für festgelegte Zwecke verwendet.

Dabei schlägt SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl die Bedarfszuweisungen für die roten Gemeinden vor, Stellvertreter Steindl jene für die schwarzen Kommunen. Gemeinden mit Namenslisten-Ortschefs werden auf die Regierungsspitzen verteilt. Als Kriterien bei der Verteilung gelten unter anderem die Anzahl der Bürgermeister und Gemeinderäte. Für die kleinsten Gemeinden gibt es einen Sockelbetrag, der mit zunehmender Einwohnerzahl steigt. Dazu kommt ein Zuschlag pro Ortsteil. Sonderprojekte werden darüber hinaus "nach Bedarf" ebenfalls unterstützt, erläuterte Steindl.

Kritisch steht diesem System die Liste Burgenland gegenüber. Der Deutschkreutzer Bürgermeister Manfred Kölly, der für die Liste Burgenland ein Landtagsmandat innehat, wünscht sich eine Stelle, von der die Mittel nach Prioritäten verteilt werden "und nicht parteipolitisch". Die Freiheitlichen fordern bei der Vergabe der Mittel mehr Transparenz und nannten als Beispiel Vorarlberg.

Parteibuch spielt im tiefschwarzen Vorarlberg keine Rolle
Im westlichsten Bundesland spielt die Parteizugehörigkeit des Bürgermeisters offenbar keine Rolle. Die Verteilung der Gelder sei über Richtlinien klar geregelt, hieß es beim Vorarlberger Gemeindeverband. In den nur vier der 96 Ländle-Ortschaften, die nicht von einem ÖVP- oder ÖVP-nahen Politiker regiert werden, seien keine Beschwerden bekannt.

Nachdenken könnte man aber laut Ernst Blum, FPÖ-Bürgermeister von Fußach (Bezirk Bregenz), über die Verteilstruktur an sich. Derzeit seien etwa strukturschwache Gemeinden im Vorteil. Diese Umverteilung sei grundsätzlich nicht negativ, aber angesichts der Finanzlage würden sich auch bessergestellte Gemeinden über mehr von dem ihnen zustehenden Geld freuen, befand Blum.

An Bedarfszuweisungen des Landes an die 96 Vorarlberger Gemeinden wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Amts der Vorarlberger Landesregierung insgesamt 44,2 Millionen Euro ausgeschüttet. In absoluten Zahlen schnitt dabei Schwarzach (Bezirk Bregenz) mit rund 15.700 Euro am schlechtesten ab, den höchsten Betrag erhielt mit knapp über zwei Millionen Euro Altach (Bezirk Feldkirch).

Keine Richtlinie in Tirol
Keine Richtlinie für die Bedarfszuweisungen an die Gemeinden gibt es in Tirol. Sehr wohl aber Kriterien, nach denen diese vergeben werden, erklärte die Leiterin der Abteilung Gemeindeangelegenheiten, Christine Salcher. Unter anderem würde sich die Vergabe nach Finanzkraft, -lage und Bedarf der Kommunen richten. Vorrangig würden dabei Pflichtaufgaben berücksichtigt werden. Im vergangenen Jahr wurden an die 279 Tiroler Gemeinden rund 80 Millionen Euro ausgeschüttet.

Dem Prozedere gemäß würden die Vorhaben der Gemeinden in einem EDV-System erfasst und dann bezirksweise nach Dringlichkeit und finanzieller Machbarkeit sondiert. Anschließend werde eine Vorauswahl erstellt. Diese diene dazu, eine grundsätzliche Verortung vorzunehmen. "Schließlich werden die einzelnen Bedarfszuweisungen mit einem Beschluss der Landesregierung vergeben", sagte Salcher.

Kompetenzen in OÖ zwischen SPÖ und ÖVP aufgeteilt
Kaum Reibereien um die Bedarfszuweisungen zwischen Rot und Schwarz gibt es auch in Oberösterreich. Auch hier sind die Kompetenzen zwischen den Lagern aufgeteilt: Der SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Ackerl ist als Gemeindereferent für die sozialdemokratischen Kommunen zuständig, sein Vis-à-vis von der Volkspartei, Landesrat Max Hiegelsberger, für den großteils ÖVP-geführten Rest. Zudem ist eine wechselseitige Kontrolle vorgesehen.

2009 wurden insgesamt knapp 198 Millionen Euro, 2010 gut 196 Millionen Euro an Bedarfszuweisungen an die 444 oberösterreichischen Gemeinden ausbezahlt. Für 2011 sind 211,5 Millionen veranschlagt, hieß es aus dem Büro Hiegelsberger. Leider sei zuletzt ein großer Teil des Geldes für die Deckung von Abgängen in den kommunalen Haushalten benötigt worden.

Vergabe nach Proporz auch in der Steiermark
Proporzmäßig geregelt ist auch in der Steiermark die Verteilung der Bedarfszuweisungen, rund 110 Millionen Euro im Jahr. ÖVP-Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer ist für die schwarzen Gemeinden, SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves für die roten, blauen und Namenslisten-Gemeinden zuständig.

Eigentlich hatte man sich im Regierungsübereinkommen 2005 gemeinsam mit der Proporzabschaffung auf eine Neuregelung - Vergabe über Schlüsselgrößen bzw. projektorientiert - geeinigt. Doch mit dem Abrücken der ÖVP vom Proporz-Aus blieb auch bei den Bedarfszuweisungen alles wie gehabt.

Kritik von Opposition und Rechnungshof
Weder die Kritik der Opposition, die in einem Dutzend Anträgen die Offenlegung der Geldflüsse gefordert hat, noch die des Rechnungshofes änderte was an der Vergabepraxis, die auch von Juristen als finanz- und verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft wird. Die Regierungsparteien hätten den Wunsch nach Transparenz immer mit dem Verweis auf den Datenschutz oder aber mit dem Umstand abgelehnt, dass diese Art an Zuschüssen ohnedies im Gemeindehaushalt ausgewiesen würden. Diese dann tatsächlich herauszufiltern und zuzuordnen sei natürlich eine Sisyphusarbeit, kritisierte die Grüne Klubobfrau Ingrid Lechner-Sonnek.

Kärnten arbeitet mit Objektivierungsmodell
Ein sogenanntes Bedarfszuweisungs-Objektivierungsmodell kommt in Kärnten zur Anwendung. Darin ist die Verteilung der Landesgelder nach einem Schlüssel genau regelt. Demnach erhält jede Gemeinde eine errechnete Pauschalsumme. Über die Verwendung der Mittel entscheidet die Kommune autonom. Konkret richtet sich die errechnete Summe nach der Bevölkerungsdichte und den zentralörtlichen Aufgaben der Gemeinde.

Laut Gemeindereferat erhalten die Kärntner Gemeinden je nach Größe und Wirtschaftskraft zwischen 200.000 und 500.000 Euro pro Jahr. 2010 wurden rund 35 Millionen Euro ausgeschüttet, 2011 sind es 40,6 Millionen Euro. Durch das Modell werde größtmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit geschaffen SPÖ) hat sich das Modell "bewährt."

Rest Österreichs soll sich an Salzburg ein Beispiel nehmen
In Niederösterreich bewarb Landeshauptmann-Stellvertreter Günter Steindl unterdessen das Salzburger Modell, das auch Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer forciere. Salzburg hat einen Kriterienkatalog, der Förderungen an der Finanzkraft der Gemeinden ausrichtet.

Von der Sanierung einer Straße bis zum Ausbau eines Kindergartens werden alle Projekte in eine Datenbank eingegeben. Innerhalb weniger Minuten spuckt der Computer aus, mit wie viel Geld die Gemeinden rechnen können. "Dieses System haben wir vor drei Jahren eingeführt und laufend verfeinert. Der Rest Österreichs sollte sich daran ein Beispiel nehmen", so Mödlhammer.

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