Ungeschönt grausam

“Homefront”: Ego-Shooter mit US-Schreckensszenario

Spiele
25.03.2011 10:40
Im Jahr 2027 liegt die Welt – insbesondere die USA – in Trümmern. Der Sohn von Nordkoreas Diktator Kim Jong-il hat die Macht an sich gerissen, ist über Südkorea und den asiatischen Großraum hergefallen und schließlich in die wirtschaftlich und durch eine Grippe-Epidemie geschwächten USA eingefallen. Ein fiktives Zukunftsszenario, das einem dennoch das Blut in den Adern gefrieren lässt. Nun ist es an den Widerstandskämpfern auf eigenem Boden, das Ruder herumzureißen. An der "Homefront" kämpft man sodann – kurz, aber knisternd und ungeschönt in Szene gesetzt – mit dem stummen Piloten Robert Jacobs als Guerilla der Resistance um jeden Meter (US-)Heimat.

Für die Gestaltung der Rahmenhandlung des Ego-Shooters haben die Entwickler von KAOS einen alten Regie- und Drehbuch-Haudegen Hollywoods verpflichtet. Niemand geringerer als John F. Milius, der unter anderem mit Filmen wie "Conan der Barbar", "Die rote Flut", "Dirty Harry II" und "Apocalypse Now" Berühmtheit erlangte, erdachte und gestaltete das Schreckensszenario für "Homefront".

Nach der Busfahrt sinnt man auf Rache
Zu Beginn des Spiels erfährt man flott und flüssig, wie es zur Besetzung Amerikas durch koreanische Truppen kommen konnte. Kurz darauf schlüpft man in die Rolle seines Alter Egos, wird prompt in seiner Wohnung verhaftet und soll deportiert werden. Während der folgenden Busfahrt starrt man aus dem Fenster und muss die Grausamkeiten der Invasoren mit ansehen. Weder hier noch im Spiel selbst wurde dabei mit schockierenden Szenen gespart, die ein beklemmendes Gefühl in Kopf und Bauch des Spielers pflanzen: Eltern werden vor den Augen ihres Kindes hingerichtet, Flüchtende in den Rücken geschossen, Widerständler verprügelt, Massengräber auf Baseballfeldern entdeckt, Schreie aus Lagern in denen Truppen gnadenlos wüten vernommen, usw.

Kein Zweifel also: Die Koreaner sind hier die Bösen. Der Wille zu Widerstand und Rache ist nun extra-scharf geschliffen. In diesem Moment rast ein Laster auf den Bus zu und dann kracht es gewaltig. Als Jacobs die Augen wieder öffnet, bekommt er von einem Typen namens Connor eine Knarre in die Hand gedrückt, macht auf der Flucht den ersten Gegner platt und kämpft fortan in der Resistance. Was nun folgt ist ein kurzes, aber prickelndes Baller-Vergnügen.

Story mit vielen Ecken und Kanten
Doch so stark und bildgewaltig alles beginnt, letztlich ist die Geschichte nicht sehr schlüssig. Zudem bleibt der Held der Geschichte durchwegs stumm. Jacobs – das muss man sich allerdings selbst zusammenreimen – wurde letzendlich nur deshalb so beherzt befreit, weil er einen Helikopter zu fliegen vermag. Der letzte Pilot auf Erden? Und später ist eben diese Fähigkeit unverzichtbar, um drei Tanklaster aus der Luft zu kapern... Das ginge doch auch leichter, oder zumindest anders, oder nicht? Aber was soll's: Spass macht die Heli-Mission allemal.

Der Rest der Kampfgruppe, die meist aus vier Kameraden besteht, quasselt zwar meist munter d'rauf los, allerdings kaum lippensynchron. Und richtig gut kann man das Gesprochene nur hören, wenn man Jacobs dem jeweiligen Sprecher frontal und in geradezu intimem Abstand gegenüberstellt – das macht allerdings bestenfalls bei der M16-Amazone Rhianna Spaß. Schade nur, dass dann auch das schwache Charakterdesign voll zur Geltung kommt.

Nervenkitzel durch Gegner-Massen
Die Schlachtfelder der Zukunft sind allerdings ein echter Hingucker. Grafisch hervorragend umgesetzt, wirkt die jeweilige Atmosphäre von typischer US-Vorstadt, Farm am Lande, Luftschlacht zwischen Hängebrückenpfeilern usw. dicht und authentisch. Zwar sind die Level schlauchartig angelegt, münden aber immer wieder in Areale, die recht individuell genutzt werden können. Dort stürmen Jacobs und Co. dann schier zahllose Feinde entgegen, die jedoch mehr durch ihre Menge, denn durch ihr intelligentes Verhalten am Schlachtfeld für Nervenkitzel und Bedrängnis sorgen.

Praktisch ist auch, dass die eigenen Mitstreiter zwar eifrig Blei in der Luft verteilen, aber den gegnerischen Kugelhagel stets unbeschadet überstehen. Nach - leider fast schon genre-typischen - mageren fünf Spielstunden ist die Einzelspieler-Kampagne aber bereits zu Ende, gemessen an der Zahl der Abschüsse, ist das aber kein Wunder: Viel hat man bestimmt nicht von den koreanischen Streitkräften übrig gelassen...

Goliath -  die Drohne der Wahl?
Die Waffengattungen sind allerdings stark projektillastig. Auf phantastischen Schnickschnack aus der "Laser und Phaser"-Tüte wurde glücklicherweise verzichtet, archaisch-eindrucksvoll knattern die Maschinengewehre. Lediglich mobile Minigun-Tower mit automatischen Zielerfassungs-Systemen und fortschrittlich(ere) Drohnen lassen auf ein futuristisches Setting schließen. Schade, dass man kaum in den Genuss eines Raketenwerfers kommt, noch seltener darf C4 platziert werden.

Verlangt das Gefecht dennoch nach schwerem Gerät, oder wird man von ebendiesem in Schach gehalten, tritt "Goliath" auf den Plan. Dies ist eine Radpanzer-Drohne samt Geschütz, die zwar selbständig fährt, aber per Fernglas-Zielsystem von Jacobs auf den Feind gehetzt werden will.

Das Spiel beinhaltet zudem weitere Drohnen-Modelle (Parrot, Helikopter, Wolverine), die aber ausschließlich im Multiplayer-Modus ihre Feuerkraft unter Beweis stellen dürfen. Keiner weiß warum. Ähnliches Kopfschütteln tritt dann auf, wenn das Handlungsskript im Spiel vorschreibt, wer zuerst eine Tür durchschreiten oder ein Loch durchkriechen darf. Steht man im Weg, steht alles still.

Massengrab und brennende Soldaten
Was letztlich bleibenden Eindruck hinterlässt, sind einzelne Szenen und deren schonungslose und ungeschönte Dramatik. Wenn etwa eine Granate über einem Parkplatz hochgeht und weißen Phosphor über die Soldaten darunter verteilt, ist das zwar eindrucksvoll gestaltet, beim Anblick der bei lebendigem Leib brennenden Gegner wird einem dennoch ausgesprochen mulmig zumute. Nicht weniger bedrückend fällt eine Szene aus, in der man sich in einem Massengrab unter Leichen verstecken muss, um nicht entdeckt zu werden. Gut möglich, dass hier Authentizität geschaffen werden sollte? Letztlich bleibt es dem Spieler überlassen, für sich selbst zu entscheiden. Man kann hier allerdings auch eine Grenze als überschritten ansehen.

Der Multiplayer-Modus des Spiels glänzt – angesichts erfahrener Entwickler von KAOS – in jeder Beziehung. Rankingsystem und Soldatenklassen sind logisch durchdacht und funktional. Zwei Spielmodi stehen zur Verfügung: Team-Deathmatch und Ground-Control. Doch der eigentliche Clou ist der sogenannte Battle Commander. Dahinter verbirgt sich ein System, das im Multiplayer-Gefecht besonders punkte- bzw. überlebensstarke Spieler auf der Abschussliste für die übrigen Mitspieler nach oben reiht und auch leichter aufspürbar macht.

Fazit: Der Ego-Shooter "Homefront" versetzt des Spielers Alter Ego in ein wahrlich nicht alltägliches Szenario, in dem er als Guerilla-Kämpfer auf dem Boden der USA gegen koreanische Invasoren kämpfen muss. Die Handlung ist bildgewaltig inszeniert, aber wegen etlicher brutal-grausamer Szenen nichts für zart Besaitete. Trotz vieler Ecken und Kanten in der Story kann man mit projektillastigen Knarren allerdings jede Menge Schaden anrichten. Überraschend schnell und unspektakulär kommt das Finale - und zwar nach rund fünf Stunden Spielzeit. Für Lanzeitmotivation sorgt dagegen der astreine Multiplayer-Modus, der von den KAOS-Entwicklern mit dem pfiffigen "Battle Command"-System ausgestattet wurde.

Plattform: Xbox 360 (getestet), PS3, PC
Publisher: THQ
krone.at-Wertung: 7/10

von Fritz Schneeberger

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