Lobbying-Skandal
Schweigender Strasser will "restlos aufklären"
"Aufgrund der jüngsten Vorkommnisse, verbunden mit zahllosen unhaltbaren Untergriffen im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als EU-Parlamentsabgeordneter" werde er "bis zur endgültigen Klärung und Entkräftung aller Vorwürfe keine öffentlichen Erklärungen abgeben". Das betreffe alle Arten von medialen Anfragen.
Für alle Behörden, die mit der Klärung der Sachlage beauftragt sind, werde Strasser uneingeschränkt zur Verfügung stehen, hieß es weiter. Außerdem werde es "zwischenzeitlich zu einer ordnungsgemäßen Übergabe der entsprechenden Büros" kommen.
Der Mandatsverzicht seinerseits sei erfolgt, weil er der ÖVP keinen Reputationsschaden zufügen wolle, der aufgrund der geäußerten Vorwürfe, an deren Aufklärung gearbeitet werde, möglich gewesen sei.
"Keinerlei geschäftliche Verbindungen"
Sein Statement schloss er mit den Worten: "Mit Nachdruck stelle ich fest, dass es zu keiner Zeit eine geschäftliche Vereinbarung mit der englischen Scheinfirma, die an mich als Abgeordneten herangetreten ist, gegeben hat - noch irgendeinen Geldfluss zwischen der Firma und mir."
Strasser hatte am Sonntag auf Druck der ÖVP-Spitze sein Mandat im EU-Parlament niedergelegt, nachdem ein Video veröffentlicht worden war, in dem er als Lobbyisten getarnten Journalisten der "Sunday Times" gegenüber Bereitschaft signalisiert hatte, gegen Zahlungen für sie bei einem Gesetzesantrag zu lobbyieren.
Nach seinem erfolgten Rücktritt und dem Rückzug aus den Aufsichtsräten von "Westbahn" und G4S hat Strasser mittlerweile auch als Präsident bei der österreichisch-russischen Freundesgesellschaft aufgegeben. In einem Mail schreibt der frühere Innenminister, aufgrund der aktuellen öffentlichen Diskussion um seine Person sei "leider nicht auszuschließen", dass der Gesellschaft "Schaden zugeführt" werde. Daher stelle er seine Funktion ab sofort zur Verfügung.
Auch sein Amt als Präsident des NÖ Hilfswerks hat Strasser mittlerweile zur Verfügung gestellt, ebenso jene als Vizepräsident des Hilfswerks Österreich, hieß es am Mittwochnachmittag im Anschluss an eine außerordentlichen Präsidiumssitzung der Landesorganisation. Interimistischer Nachfolger ist der zweite Präsident des NÖ Landtages, Herbert Nowohradsky (ÖVP).
Strasser nicht mehr ÖVP-Mitglied
Nachdem erste Rufe nach einem Parteiausschluss laut geworden waren, hat Strasser seine Mitgliedschaft im ÖAAB Wien und Niederösterreich von sich aus ruhend gestellt. Er habe damit "weder Rechte noch Pflichten als Mitglied", so dem ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl. Im Moment sei Strasser damit kein ÖVP-Mitglied mehr, sagte auch der niederösterreichische ÖVP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner. Mandl sagte, er sehe keinen Grund, dass sich daran in Zukunft etwas ändern werde. Der ÖAAB-Generalsekretär sieht darin einen "wichtigen und notwendigen Schritt", den er begrüße. Das sei auch wichtig für das Ansehen der Politik.
Zuvor hatte sich der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter bereits für einen Rauswurf des ehemaligen Innenministers stark gemacht. Platter erklärte, er würde einen Antrag auf Ausschluss Strassers aus der ÖVP "sehr unterstützen". "Ich schäme mich, dass ein ÖVP-Politiker sich mit solch unlauteren Dingen beschäftigt hat", so der Landeshauptmann. Die Minister der Bundesregierung hatten sich der Forderung nach einem Parteiausschluss nicht anschließen wollen und verwiesen auf die Parteigremien. Sie zeigten sich vom Verhalten Strassers jedoch "sehr enttäuscht", wie es Innenministerin Maria Fekter formulierte.
Bandion-Ortner will "Lobbystengesetz"
Bundeskanzler Werner Faymann betonte, dass Korruption kein Kavaliersdelikt sei und äußerte den Wunsch, dass es "sehr rasch" zu einer Klärung durch die Gerichte komme. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner versicherte, dass die Staatsanwaltschaft bereits auf Hochtouren ermittle. Untersuchungen angekündigt haben inzwischen auch die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF und das EU-Parlament.
Als weitere Konsequenz kündigte die Justizministerin noch für heuer ein "Lobbyistengesetz" an. Sie trat für "gesetzliche Verschärfungen" ein und will mehr Klarheit und Transparenz schaffen. Für schärfere gesetzliche Bestimmungen und ein Lobbyisten-Register plädierten auch der Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer und PR-Agenturchef Dietmar Ecker.
Enthüllungsjournalist: "Strasser ist schlau"
Nach Meinung des "Sunday Times"-Journalisten Jonathan Calvert, der den Skandal aufdeckte, ist Strasser trotz des Debakels "schlau". Diese Auffassung vertritt er in der Sendung "Report", die am Dienstag um 21.05 Uhr im ORF zu sehen ist. Der Chef des Undercover Reporter-Teams sprach in London über die Hintergründe des Berichtes. Am Dienstag wurden im Ö1 Morgenjournal erste Auszüge des Interviews veröffentlicht.
Die Verteidigungslinie Strassers, wonach er nur zum Schein auf die Lobbyisten eingegangen sei, um Beweise zu sammeln, hält Calvert für "völligen Nonsens". Strasser habe mehrmals bestätigt, ein Lobbyist zu sein. Er habe gemeint, der Job als EU-Parlamentarier und Lobbyist lasse sich sehr leicht vereinbaren. Die Arbeit im EU Parlament öffne ihm viele Türen. Laut Calvert sei Strasser jedoch sehr achtsam in seiner Vorgehensweise gewesen. "Er sagte ja selbst, Lobbyisten haftet ein gewisser Geruch an, und bei mir ist das auch der Fall. Deshalb müsse man vorsichtig sein."
"Volksvertreter sollen Gesetze machen - nicht Lobbyisten"
Dass in Folge seines Artikels sowohl Strasser als auch der slowenische EU-Abgeordnete Zoran Thaler zurückgetreten sind (siehe Infobox), wertet Calvert auch als persönlichen Erfolg. Es sei ein erster Schritt, damit gewählte Volksvertreter und nicht Lobbyisten Gesetze machen.
Ob es weitere Enthüllungen über möglicherweise bestechliche EU-Parlamentarier geben werde, ließ Calvert offen. Die Enthüllungsjournalisten hatten sich mit 14 Europaparlamentariern getroffen. Konkret auf das Angebot eingestiegen sind nach Angaben der Zeitung Strasser, Thaler und der rumänische Abgeordnete Adrian Severin.
"Parlament auf einem Auge blind"
Seiner Meinung nach ist das Europäische Parlament im Umgang mit Lobbyisten "auf einem Auge blind". In Zukunft seien strengere Regeln und mehr Transparenz notwendig und Lobbyisten müssten offenlegen, für wen sie arbeiteten und wie sie finanziert würden. Bei Nebenbeschäftigungen müsse viel konsequenter als bisher darauf geachtet werden, Interessenskonflikte mit der Arbeit als Parlamentarier zu vermeiden.
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