Lobbying-Affäre

Strasser verliert Jobs, Ermittlungen beginnen

Österreich
21.03.2011 11:10
Am Tag nach seinem Rücktritt vom EU-Mandat wegen der Lobbying-Affäre bleibt das Zurücktreten von diversen Funktionen weiterhin Alltag für Ex-Innenminister Ernst Strasser. So legte der ÖVP-Politiker am Montag seine Aufsichtsratsjobs bei "G4S Security" sowie beim ÖBB-Konkurrenten Westbahn zurück, weitere könnten folgen. Die von Reportern der "Sunday Times" gedrehten Videos, in denen sich Strasser von Lobbyisten kaufen lässt - er selbst sagt, er ging nur zum Schein darauf ein, es gilt freilich und wie immer die Unschuldsvermutung -, machen unterdessen in den diversen EU-Gremien und bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft die Runde.

"Wir haben Sonntagabend miteinander telefoniert und Herr Strasser hat mir mitgeteilt, dass er seine Funktion zurücklegen wird", erklärte G4S-Geschäftsführer Harald Neumann am Montag auf Anfrage. Der Ex-Innenminister unter dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel und bis Sonntag noch Delegationsleiter der ÖVP-Fraktion in Brüssel wolle damit Schaden vom Unternehmen abwenden.

Westbahn: "Keine Lobbying-Tätigkeit"
Strasser saß auch noch im Aufsichtsrat des künftigen ÖBB-Konkurrenten Westbahn des Industriellen Hans Peter Haselsteiner. Dort tagte am Montag ohnehin planmäßig der Aufsichtsrat, in einer Stellungnahme danach hieß es, dass Strasser auch hier zurücktrete. "Die Gesellschaft legt Wert auf die Feststellung, dass neben der Aufsichtsratsvergütung von 10.000 Euro pro Jahr keine weiteren Zahlungen an Herrn Dr. Strasser getätigt wurden. Es wurden keine Lobbying-Tätigkeiten von Herrn Dr. Ernst Strasser erbeten, in Auftrag gegeben oder bezahlt", hieß es vonseiten der Westbahn.

Strasser ist seit Mai 1998 auch Präsident des niederösterreichischen Hilfswerks. Ob er diese Funktion behalten wir, stand vorerst nicht fest. "Wir haben dazu noch keine Stellungnahme", hieß es am Montag bei der größten Sozialorganisation Niederösterreichs. "Wir werden auf jeden Fall informieren, wenn es etwas Neues gibt."

EU-Parlament startet Untersuchung
Das Europaparlament beginnt unterdessen selbst eine Untersuchung in der Bestechungsaffäre um Strasser und zwei weitere EU-Abgeordnete aus Slowenien und Rumänien, die von den "Times"-Reportern ebenfalls erwischt wurden und im Unterschied zu Strasser noch nicht zurückgetreten sind. Eine Sprecherin des EU-Parlaments erklärte am Montag, das die Abgeordneten belastende Videomaterial der "Sunday Times" werde dieser Stunden in Brüssel eintreffen. "Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen."

In Parlamentskreisen hieß es, es bestehe in einem solchen Fall sogar eine Verpflichtung seitens des Europaparlaments, das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF einzuschalten. OLAF hatte bereits am Freitag erklärt, man prüfe, ob Ermittlungen eingeleitet würden. Abhängig von den Ergebnissen werde das Parlament dann "schnell handeln", hieß es. "Das Europaparlament kann Fehlverhalten, wie dies von der Zeitung dargestellt wird, nicht akzeptieren."

Auch Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt
Auch außerhalb der EU-Gremien droht Strasser rechtliches Ungemach. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe prüft auch die österreichische Korruptionsstaatsanwaltschaft den Fall. Für die Ermittler ist aber auch nach dem Rücktritt Strassers noch die Frage zu klären, ob der Ex-Innenminister weiterhin den Immunitätsbestimmungen unterliegt. Man stehe diesbezüglich in Kontakt mit dem Europäischen Parlament, erklärte Martin Ulrich, Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, am Montag.

Sollte die Immunität Strassers aufgehoben werden, wäre ein "allfälliges Auslieferungsersuchen nicht mehr erforderlich", so Ulrich. Das würde die Ermittlungen, deren Gegenstand weiterhin die "mediale Berichterstattung, vor allem die des Wochenendes" sei, verkürzen. Eine "explizite Anzeige" liege aber nicht vor. Man habe die Vorermittlungen vergangenen Dienstag "von Amts wegen" eingeleitet (als im "profil" vorab über die Ergebnisse der am Sonntag erschienen Korruptionsreportage der "Sunday Times" berichtet wurde, Anm.). Einen Zeitrahmen für die Ermittlungen festzulegen, wäre jedoch zu hypothetisch, so Ulrich. In den meisten Fällen entscheidet das EU-Parlament für die Aufhebung der Immunität, es folgt aber üblicherweise der Meinung des Rechtsausschusses.

Die Stunde von Othmar Karas
Unterdessen sagte ein Sprecher der ÖVP-Delegation, "in den nächsten Tagen", voraussichtlich noch in dieser Woche, würden die ÖVP-Europaabgeordneten einen neuen Delegationsleiter wählen. Von der Bundespartei sei Othmar Karas für diese Funktion vorgeschlagen worden, der nach der EU-Wahl 2009 den Posten schon damals verdient hätte, weil er ein Vielfaches der Vorzugsstimmen Strassers bekommen hatte. Bisher gibt es keinen Gegenkandidaten.

Die sechs ÖVP-Abgeordneten zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung am Montag "sehr betroffen" von den Videoaufzeichnungen der "Sunday Times". "Der Eindruck, der in diesen Videos erweckt wird, ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die engagiert und konstruktiv Politik für Österreich und Europa machen wollen. Wir erwarten eine umfassende Aufklärung der Vorgänge."

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