Gegen die Atomkraft

Die “Revolution der Mütter” und ihre Folgen für Salzburg

Salzburg
19.03.2011 16:27
Der Zug schien kein damals Ende zu nehmen. Gelbe Luftballons mit der aufgemalten Sonne, dem Symbol der Anti-Atombewegung, baumelten an den Hunderten Kinderwägen. Ärzte in ihren weißen Mänteln, bärtige Hüttenwirte, noble Stadtbürger und immer wieder Frauen mit ihren Kindern. Der damals noch existierende Schlagbaum in Freilassing blieb oben, Zöllner blickten ungläubig auf die Karawane des Protests.

Der Marsch der Mütter gegen Atom war der Auftakt zu einer gewaltigen Bewegung, die Salzburg zu einem zentralen Ort des Widerstands gegen die gewissenlosen Lobbyisten der Atomindustrie machen sollte. Der brachte aber auch nachhaltige, gesellschaftliche Veränderungen, deren Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Es gibt tatsächlich Sternstunden, die prägen. November 1978: "Wie groß bringen Sie das NEIN auf unsere Titelseite?", fragte Hans Dichand den verdutzten Layouter am Abend des Tages der Zwentendorf-Abstimmung." Die Antwort: "13 Zentimeter."

Gespenst Wackersdorf tauchte am Horizont auf
Der stumme Frühling 1986 nach dem Super-GAU von Tschernobyl, als die mühevolle Suche nach unverstrahlten Lebensmitteln begann, mit eine Geburtsstunde des biologischen Landbaus in Salzburg, als die Gesellschaft den täglichen Wettlauf und die Arbeit der Mütter in ihrer ganzen Dimension erkannte. Das Gespenst Wackersdorf tauchte am Horizont auf. Denn Tschernobyl hatte gegen die Torheit der Regierenden nichts bewirkt. Die Atomindustrie geht immer über Leichen.

Eine Wiederaufbereitungsanlage für atomare Brennstäbe im Einzugsbereich von Salzburg, so wie der tschechische Uralt-Meiler Temelin. Wilfried Haslauer I. – noch unter dem Eindruck des gewaltigen Mütter-Protests – erkannte die Dimension der neuen Gefahr, brach mit seinem Freund Franz Josef Strauß und erhob offiziell juristischen Einwand. Das Unglaubliche gelang: Das Projekt wurde versenkt, heute ist dort eine Fabrik für Solarzellen. Und die unendlich lange Unterschriftenrolle gegen die WAA Wackersdorf steht heute im Stadtmuseum.

Kulturrevolutionen können Land auch guttun
Gelegentlich tun friedliche Kulturrevolutionen einem Land gut. Die Kraft der Anti-Atom-Mütter strahlte in verschiedenste gesellschaftliche Bereiche aus. Wenn heutzutage Kinder in den einst totenstillen Kaffeehäusern der Stadt quengeln, so lächeln die Gäste. Handelskonzerne haben ihr Angebot auf heimische, biologisch gesunde Lebensmittel umgestellt. Kinderbetreuungseinrichtungen sind Standard.

Die friedlichen Revolutionäre von 1986 sind 25 Jahre älter geworden. Ein Volksbegehren für den Ausstieg aus Euratom fand kaum Beachtung. Bringt die Katastrophe von Fukushima wieder neuen Schwung? Walter Blachfellner, einer der dem Volk sehr nahe ist, hat gemeinsam mit der "Krone" eine umfangreiche Aufklärung über das AKW Isar in Bayern gestartet. Wird es gelingen, die alternative Energie zu forcieren und leistbar zu machen? Die Anlagen am Wildkogel bei Neukirchen und in Werfenweng sind nur ein Anfang.

Große Unterschriftenaktion der "Krone" gegen Atomenergie
"Krone"-Herausgeber Dr. Christoph Dichand hat unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima die große Unterschriftenaktion gegen Atom gestartet. Beteiligen wir uns daran, diskutieren wir, bringen wir neue Ideen in die Energiedebatte ein. Mit demselben Enthusiasmus, mit dem die Mütter gegen Atom nach Tschernobyl so vieles in unserem Land verändert haben.

von Hans Peter Hasenöhrl, Kronen Zeitung

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